Der Ramadan wird häufig auf einen reinen „Fastenmonat“ reduziert. Wer das annimmt, hat seine Bedeutung nicht verstanden. Es geht nicht ausschließlich um das Nicht-Essen und Nicht-Trinken. Was der Ramadan wirklich bedeutet, was noch dazugehört und wie man ihn verbringen kann, gibt es hier zu lesen.
Folgende Situation ist Vielen bekannt. Während des Fastens, bekommt man, wie meistens üblich, wenn man sich trifft, von einem Freund oder Bekannten netterweise etwas zu trinken oder zu essen angeboten, unwissend darüber, dass bereits der Ramadan begonnen hat. Lehnt man, wie in meinem Fall, mehrmals dankend ab, fällt es vielen spätestens dann auf. „Ah es ist ja wieder Ramadan oder? Habe ich total vergessen, sorry.“
Der Monat Ramadan wird mit nichts mehr gleichgesetzt als dem Fasten. Doch gibt es viel mehr über ihn zu wissen und während dieser Zeit zu tun. Ganz praktisch gesehen ist der Ramadan einer der zwölf Monate im islamischen Kalender (der sich nach dem Mondkalender richtet). Der Prophet Muhammad (sav) pflegte sich bereits vor seinem Prophetentum besonders in dieser Zeit zurückzuziehen. Dazu verbrachte er einige Zeit in Abgeschiedenheit auf dem Berg Nur in der Höhle Hira. Im Jahr 610 n.Chr. erhielt er die erste Offenbarung von Gott durch den Erzengel Gabriel.
Nach verschiedenen Überlieferungen ist dies in der Nacht vom 26. auf den 27. Ramadan geschehen, wobei es hierfür jedoch keine Sicherheit gibt. Nach einer Überlieferung des Propheten ist aber gewiss, dass dieses Ereignis, welches auch Laylat al-Kadr (Nacht der Allmacht) genannt wird, in den letzten zehn Tagen des Monats Ramadan stattgefunden hat. Im Koran wird die Kadr-Nacht folgendermaßen beschrieben „besser als 1000 Monate.“ (Sure Kadr, 97:3). Hier steckt also der Ursprung der gesamten islamischen Entstehungsgeschichte.
Die jährliche Wiederkehr des Ramadans sollte dementsprechend zu einer selbstkritischen Evaluation des vergangenen Jahres führen. „Womit habe ich mich die vergangenen zwölf Monate beschäftigt? Habe ich meinen Verwandten, meinen Nachbarn, den Armen und meinen Mitmenschen Gutes getan oder nur an mich selbst gedacht? In welchem Maße praktiziere ich die von Gott auferlegten Gebote und inwieweit halte ich mich an seine Verbote?“ Dieser Fragenkatalog kann individuell gestaltet werden und entsprechend der Antworten sollte der Ramadan eine Besinnung auf die Wurzeln des Islams – den Koran – darstellen. Denn er ist die erste Quelle unserer religiösen Lehre und Praxis.
Bevor wir nun die spezifischen Details besprechen, lässt sich also grundsätzlich sagen, dass der Ramadan genutzt werden sollte, um sich für eine Weile von weltlichen Bedürfnissen loszulösen und sich mehr der Spiritualität zu widmen. Das Konzept des Fastens lässt sich hervorragend in diesen Anspruch einbetten, da sich so schon mal die Frage nach dem Essen und Trinken in einen geregelten Rhythmus eingliedern lässt. Allen Muslimen ist es empfohlen im Ramadan freiwillig zusätzliche Gebete zu verrichten. Abhängig von der Rechtschule, geschieht dies individuell oder aber in der Gemeinschaft, im Anschluss an das Nachtgebet. Diese Praxis nennt man das Tarâwîh-Gebet. Ebenfalls dazu gehört die Sadaka-i Fitr. Eine Spende, die jeder Muslim erbringen muss, der über ein Mindestmaß an Vermögen verfügt. Sie gilt als Spende zum Dank für die eigene Existenz. Weiterhin hat es sich in manchen Kreisen traditionell entwickelt die Zakat, also die verpflichtende Abgabe eines Teils des eigenen Besitzes, im Ramadan zu zahlen. Wobei auch hier erst ein Mindestmaß an zu „versteuernden“ Besitztümern vorhanden sein muss. Diese können unter anderem Edelmetalle, wie Gold oder Silber, Handelsgüter oder Geld usw. sein. 2,5% dieses Besitzes muss verpflichtend abgegeben werden. Auch potenzielle Empfänger dieser Abgaben sind im Koran genau definiert. So gibt es 8 Personengruppen, die laut Koran die Zakat empfangen dürfen. Zum Beispiel Reisende, die auf der Strecke geblieben sind.
Unabhängig davon hat sich um den Ramadan herum eine Tradition entwickelt, bei der sich Familien gegenseitig zum Fastenbrechen einladen oder einzelne Familien das Essen für die gesamte Gemeinschaft einer Moschee für jeweils einen Tag übernehmen. Ursprung dieser Tradition ist eine Überlieferung des Propheten Muhammad (sav), in der er darauf hinweist, dass derjenige, der einen Fastende/n speist, bei Gott genauso viele gute Taten gutgeschrieben bekommt, wie die fastende Person selbst. Somit impliziert der Ramadan ebenfalls einen sozialen Aspekt. Denn speziell in krisenhaften Regionen der Welt, aber auch in Deutschland, bietet sich das gemeinsame Fastenbrechen in Moscheen an, um Armen eine Speisemöglichkeit zu bieten und dabei den Unterschied zwischen Arm und Reich für eine kurze Zeit vergessen zu lassen, da alle gemeinsam in den gleichen Reihen Essen und Beten.
Abschließend noch ein klärender Kommentar zum Fasten selbst: Oft wird man gefragt, warum Muslime fasten müssen. Nicht, dass das Konzept des Fastens in anderen Weltreligionen völlig fremd wäre, aber hierzu gerne nochmal eine Richtigstellung falsch verstandener Erklärungen. Oft werden von vielen Muslimen Gründe, wie die Sensibilisierung für die Situation von Armen, die Entgiftung des Körpers etc. aufgeführt. Diese sind mit Sicherheit positive Nebeneffekte, doch gibt es für das Fasten nur einen einzigen Grund und dieser liegt bei Gott allein. Gott fordert die Menschen dazu auf zu Fasten, für Ihn und für nichts Anderes:
„Der Monat Ramadan ist der, in welchem der Koran herabgesandt ward: eine Weisung für die Menschheit, deutliche Beweise der Führung und (göttliche) Zeichen. Wer also da ist von euch in diesem Monat, der möge ihn durchfasten; ebenso viele andere Tage aber, wer krank oder auf Reisen ist, Allah wünscht euch erleichtert und wünscht euch nicht beschwert, und dass ihr die Zahl (der Tage) erfüllen und Allah preisen möchtet dafür, dass Er euch richtig geführt hat, und dass ihr dankbar sein möchtet.“ (Sure Bakara, 2:186).