Köln

Nur geringe Beteiligung an Demo gegen Terrorismus

Der Friedensmarsch gegen Terror hat begonnen. Mit 10.000 Demonstranten wurde gerechnet, anwesend waren jedoch nur circa 1000. Die geringe Teilnahme soll aber nicht Zeichen gegen Frieden gedeutet werden, denn die Verurteilung des Terrors sei selbstverständlich – auch ohne Demo.

17
06
2017
Es kamen weitaus weniger Demonstranten als ursprünglich geplant. © Elif Zehra Kandemir

In Köln hat der Friedensmarsch gegen Gewalt und  Terror begonnen. Zur Auftaktkundgebung auf dem Heumarkt sind nach Schätzungen der Polizei zwischen 500 und 1.000 Menschen gekommen. Die Veranstalter hatten mit 10.000 Teilnehmern gerechnet.

Initiatoren der Aktion „#Nichtmituns“ sind die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der muslimische Friedensaktivist Tarek Mohamad. Auch viele Nichtmuslime und Politiker haben parteiübergreifend zur Teilnahme aufgerufen.

Im Lauf des Nachmittags wollen die Beteiligten auf einem Rundweg über den Neumarkt und den Rudolfplatz durch die Innenstadt ziehen. Die Abschlusskundgebung ist für 16.30 Uhr bis 18 Uhr erneut auf dem Heumarkt geplant.

Kaddor zeigte sich trotz der geringeren Teilnehmerzahl zufrieden. „Wenn wir damit einen Anstoß für weitere Initiativen und Demonstrationen geben konnten, ist mir egal, wie viele da waren“, so die Initiatorin. Es gehe gar nicht darum, sich ständig und dauernd von den Extremisten distanzieren zu müssen. Die muslimische Gemeinschaft müsse es schaffen, diejenigen an den Rand zu drängen, die meinten, im Namen der Religion töten zu dürfen. Es sei Zeit, gegen den Terror auf die Straßen zu gehen und ein deutliches Zeichen zu setzen. Die friedliebenden Muslime und die muslimische Zivilgesellschaft dürften „nicht die Extremisten sprechen lassen“. Auf Transparenten war zu lesen: „Muslime sind nicht schuld“ oder auch „Hass macht die Erde zur Hölle“.

Die Journalistin Elif Zehra Kandemir hat an dem Friedensmarsch teilgenommen und berichtet über die rund 1000 Teilnehmer, unter denen hauptsächlich „Deutsche ohne Migrationshintergrund“ waren. Der Grund für die geringe Teilnahme der Muslime sei, so Kandemir „der gesellschaftliche und politische Druck auf Muslime.“ Diesen „Rechtfertigungssdruck“ würden die Muslime ablehnen. „Die geringe Teilnahme an der  Demonstration heißt nicht, dass die Mehrheit der Muslime kein Zeichen gegen Terror setzt. Sie sehen sich gar nicht erst in dieser Legitimationsposition. Somit zeigen die Muslime, dass sie diesen entwürdigenden „Geh-auf-die-Straßen-und-zeigt-uns-ob-ihr-gute-Muslime-seit“-Druck nicht ernst nehmen“, so die 28-jährige Journalistin.  

Kritik aus der Politik

Unmittelbar vor der Demonstration kritisierten führende Politiker die Absage der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB. „Teilnehmen wäre besser gewesen als abseits stehen“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière der „Rheinischen Post“. 

Die Veranstaltung nannte der Minister eine „wichtige Initiative, die deutlich macht, dass Muslime gegen den Terror im Namen des Islam eintreten“. Wenn sie von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen begleitet und unterstützt werde, dann sei das umso besser.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte vor einem „Generalverdacht“ gegen Muslime. „Die Grenzen verlaufen bei uns nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, nicht einmal zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen. Wir ziehen unsere Grenze zwischen extremistischen Mördern und den rechtstreuen Menschen unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft“, schrieb der Minister in einem Gastbeitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag).

#nichtmituns sagen DITIB und der Islamrat

Im Vorfeld der Demonstration gab es heftige Diskussionen, da die größte islamische Religionsgemeinschaft DITIB und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland nicht an dem Friedensmarsch teilgenommen haben. Als Grund gab die DITIB an: „Gleichwohl ist es uns ein wichtiges Anliegen, gemeinsame und starke Zeichen gegen den Terrorismus zu setzen. In dieser Frage handeln wir allein im Sinne der Muslime – alles andere wäre zu kurz oder egoistisch gedacht. Dass die Wirkung solcher Aktionen nicht nachhaltig ist, zeigen die Reaktionen auf bisherige Aktionen und Initiativen.“

Auch der stellvertretende Generalsekretär des Islamrats für die BRD, Murat Gümüş, begründete die Absage des Islamrats an dem Marsch ähnlich. Demonstrationen seien zwar durchaus sinnvoll, „aber mittel- und langfristig haben wir eben die Erfahrung machen müssen, dass sie nicht besonders erfolgversprechend sind.“ Es sei wichtiger sich den Ursachen für Terrorentstehung zu widmen: „wenn die Ursachen, warum einige Jugendliche eine gewisse Affinität für Terror und Gewalt entwickeln, nicht angegangen werden, dann werden wir auch in fünf und in zehn Jahren immer wieder gefragt werden, ob wir an einer Aktion teilnehmen, die sich gegen Terror und Gewalt stellt“, so Gümüş. 

Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, sprach seine Unterstützung für die Demonstration aus. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des ZMD, Mehmet Alparslan Çelebi, äußerte sich hingegen distanziert. Bei der Demonstration gab es zu Beginn des Marsches ein Bühnenprogramm, dort sprachen unter anderem die Initiatoren Kaddor und Mohamed und Kabarettisten, wie Fatih Cevikkollu. Der Marsch soll zwischen 16:30 und 18:00 Uhr mit einer Abschlusskundgebung enden. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@grege -- "Bei Demonstrationen in der Öffentlichkeit gegen islamische Extremisten war das Auftreten der Muslime bisher sehr bescheiden..." (grege) Das ist falsch. Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Aktionen von Muslimen gegen den Terror. Aber wenn man das nicht mitbekommen will, dann bekommt man es eben auch nicht mit.
23.06.17
12:04
Johannes Disch sagt:
@grege Auch Demos und Lichterketten gegen Rechtsradikalismus wirken irgendwann abgeschmackt, wenn sie inflationär auftreten. Das Bedenkliche bei der permanenten Forderung an Muslime, sich doch bitte demonstrativ-- im wahrsten Sinne des Wortes-- zu distanzieren, beinhaltet den unausgesprochenen Vorwurf, wer sich nicht öffentlich distanziert, der sympathisiert wohl doch mit dem Terrorismus.
23.06.17
12:25
Johannes Disch sagt:
@M. Schmidt (Ihr P vom 22.06.2017) -- Ihr Erdogan-Demo-Vergleich: Da unterliegen Sie einem unzulässigen Umkehrschluß. Dass jemand nicht zur Demo geht, bedeutet nicht, dass er mit dem Terrorismus sympathisiert.
23.06.17
21:52
gregek sagt:
@ Herr Disch die Leute, die die Haltung der Muslime über den grünen Klee loben, haben viel Sand in den Augen Diese Aktionen waren bisher sehr veinzelt, wurden sogar durch Nichtmuslime aufgefüllt, wie z.B.die damalige Aktion am Brandenburger Tor nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Die Demonstrationsversuche versanden auch deswegen, weil die Muslime hier auch untereinander zerstritten sind. Im Vergleich zu den Großdemonstrationen gegen Gaza wirken diese Aktionen geradezu kümmerlich. Auch die Berichterstattung der islamischen Medien zeigt, dass das Thema Terrorismus und Extremismus äußerst defensiv und halbherzig angegangen wird. Die Websites der Islamverbände sprechen da eine deutliche Sprache. Kritik oder offene Briefe gegen Herrn Özoguz, Pierre Vogel, Abu Nagie und sonstige Verfechter des Terrorismus oder Extermismus sind bisher immer ausgeblieben. Die Verurteilungen sind hier bisher immer anonym und allgemein gehalten und richten sich nicht gegen bestimmte Personen, Moscheen oder Gruppierunge mit Ausnahme von IS und Alquaida. Im Gegensatz dazu werden unliebsame Islamkritiker oder islamablehnende Gruppierungen konkret beim Namen genannt sowie offen und direkt kritiksiert.
25.06.17
0:17
grege sagt:
@ Herr Disch es gibt zig Beispiele in der Geschichte, in denen massive, ja sogar revolutionäre Änderungen durch Großdemonstration initiiert worden sind. Wie kann die Bevölkerung sonst spontan ihre Haltung zu einem bestimmten Thema zum Ausdruck bringen? Zudem kann jeder einzelne durch seine Teilnahme auf relativ einfache Weise einen effektiven Beitrag leisten. Das Anlasten einer Schuld oder den Vorwurf einer Unterstellung spiegelt sich m.E. in der Forderung nach einer Gegenpositionierung nicht wieder, jedoch die Zuweisung einer Verantwortung. Aufgrund unserer Vergangenheit empfinde ich infolge meiner Staatsangehörigkeit und ethnischen Abstimmung auch die Verantwortung , mich gegen Rechtsradikalismus und die NS Diktatur zu positionieren. Aus den Fehler der eigenen Geschichte sollten die entsprechenden Lehren gezogen, so dass eine Wiederholung vermieden wird. Diese Haltung zeugt auch von einem gewissen Anstand. Wenn einer meine Religion zweckentfremdet, die ich mir im Gegensatz zu meiner Nationalität freiwillig aus einer gewissen Überzeugung aussuche,müsste doch schon allein der Zorn mich auf die Straße treiben. Im Falle Gaza zeigen die Muslime doch auch ihre Demonstrationsleidenschaft.. In dem Zusammenhang ist nicht nur der schwache Demonstrationswille hier lebender Muslime zu bewerten, sonder die weiterhin schwache Bereitschaft der Islamverbände gegen den Extremismus in den eigenen Reihen vorzugehen. Dass Muslime hier bisher keinen repräsentativen Islamverband gründe konnten, der sich eindeutig von extremistischen Einflüssen abgrenzt, spricht hier leider Bände.
25.06.17
0:42
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