Der Fall einer vollverschleierten Schülerin aus Belm sorgte für heftige politische Debatten. Jetzt will das Land das Schulgesetz verschärfen. Künftig dürfen Schüler keine Kleidung mehr tragen, die die Kommunikation im Schulleben erschwert.
Als Reaktion auf den Fall einer vollverschleierten Schülerin in Belm will Niedersachsen Gesichtsverhüllungen an Schulen verbieten. Auf eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes haben sich jetzt Politiker aller vier Landtagsfraktionen geeinigt, wie Abgeordnete von CDU und FDP am Freitag bestätigten. Zuvor hatte die „Braunschweiger Zeitung“ über die geplante Gesetzesänderung berichtet.
In dem Gesetzentwurf heißt es, Schüler dürften mit ihrem Verhalten oder ihrer Kleidung nicht die Kommunikation im Schulleben erschweren. Die aus religiösen Gründen getragene Vollverschleierung könne eine derartige Erschwerung darstellen, da die Schule dann ihrem Bildungsauftrag nicht nachkommen könne.
Die nun geplante Gesetzesänderung basiert auf einem Antrag der FDP, den die Liberalen im Dezember in den Landtag eingebracht hatten. Die FDP wollte die Schüler in einer globaleren Formulierung verpflichten, am Bildungsauftrag der Schule mitzuwirken und alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb stören könnte. Darunter sollte nicht nur das Tragen eines Nikabs, sondern auch von eindeutig rechts- oder linksextremer Kleidung fallen. „Der Entwurf zielt jetzt eindeutig auf die Vollverschleierung ab, das war unter den Parteien der kleinste gemeinsame Nenner“, sagte der schulpolitische Sprecher der FDP, Björn Försterling. Die Änderung solle bereits in der kommenden Landtagssitzung im August verabschiedet werden.
Anlass für die Novelle war der Fall einer vollverschleierten Oberschülerin aus Belm bei Osnabrück, der in der Landespolitik heftige Debatten ausgelöst hatte. Das Mädchen trug seit dem siebten Schuljahr einen Nikab, diese Form des Gesichtsschleiers lässt nur die Augen frei. Die Schülerin konnte selbst nach intensiven Gesprächen nicht dazu bewegt werden, den Nikab abzulegen. Um ihr den Schulabschluss zu ermöglichen, wurde ihr Verhalten geduldet. Nach Auskunft des Kultusministeriums hat die junge Frau mittlerweile zum Ende des Schuljahres 2016/2017 ihren Abschluss gemacht und die Schule verlassen. Sie strebt ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) an.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte im Dezember im Landtag erklärt, es wäre unverhältnismäßig gewesen, der Schülerin den Nikab zu verbieten, nachdem dies längere Zeit toleriert worden war. Ein von der Staatskanzlei in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten war im Mai zu dem Schluss gekommen, dass das Land der Oberschülerin nach dem aktuell geltenden Schulrecht eine Vollverschleierung nicht verbieten kann. Gutachter Hinnerk Wißmann von der Uni Münster empfahl dem Land, eine explizite Anforderung ins Schulgesetz aufzunehmen, die die Schüler verpflichtet, durch ihr Verhalten und ihre Kleidung den offenen Austausch zwischen allen Beteiligten des Schullebens zu ermöglichen.
„Wir wollen den Schulen so schnell wie möglich Rechtssicherheit bieten. Deshalb jetzt dieser gemeinsame Gesetzesvorschlag“, sagte der CDU-Bildungspolitiker Kai Seefried. Die CDU will in einem weiteren Gesetzentwurf, der zurzeit im Innenausschuss beraten wird, das Tragen von Schleiern in Schulen, Gerichten, Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden verbieten. (dpa, iQ)