Seit der Gründung kämpfen die Verantwortlichen der Projektstelle gegen Rechtsextremismus in Bayern gegen Neonazis und deren Gedankengut. Nun kommt der Rechtspopulismus dazu – und damit viele neue Fragen.
Der Rechtspopulismus stellt Einrichtungen und Organisationen, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, vor neue Herausforderungen. „Unsere Aufgaben verändern sich enorm“, sagte der Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus, Martin Becher. „Die Auseinandersetzung ist viel komplexer geworden.“ Neonazis seien in der Gesellschaft klar ausgrenzbar, Rechtspopulisten dagegen drängten in die Gesellschaft hinein, „sie wollen als etwas Normales akzeptiert werden“.
Das Bündnis selbst wurde 2005 auf Initiative der evangelischen und katholischen Kirche in Bayern gegründet; inzwischen gehören ihm zahlreiche staatliche und gesellschaftliche Einrichtungen und Gruppen im Freistaat an. Weltweit in die Schlagzeilen schaffte es die Projektstelle, als sie 2014 zu den Organisatoren eines unfreiwilligen Spendenlaufs von Neonazis gehörte: Bei deren Aufmarsch in Wunsiedel wurde für jeden gelaufenen Meter Geld für ein Aussteigerprojekt gespendet. Über diese Aktion berichteten sogar Medien in Australien.
Die Frage, wie mit rechtspopulistischen Kräften umzugehen ist, sei schwer zu beantworten, sagte Becher. Soll man sie zum Beispiel im Wahlkampf auf Podien einladen? „Das ist ein Dilemma“, räumte er ein. Lade man sie nicht ein, heiße es, man scheue die Auseinandersetzung und verhalte sich undemokratisch. Lade man sie ein, verhelfe man ihnen zu Akzeptanz, sie können sich „auf Augenhöhe“ fühlen. „Es gibt hier keine wirklich gute Lösung.“ Bei Rechtsextremen habe sich diese Frage nicht gestellt, es sei Konsens gewesen, beispielsweise NPD-Kandidaten nicht einzuladen.
Auch zahlenmäßig seien die beiden Phänomene nicht vergleichbar. Der Verfassungsschutz spreche von etwa 25 000 Rechtsextremisten in der Bundesrepublik. Sympathisanten von rechtspopulistischen Gedanken gebe es etwa fünf Millionen, schätzt Becher. Und: Rechtspopulismus beschäftige auch viele Organisationen, Verbände und Einrichtungen in den eigenen Reihen: Gewerkschaften beispielsweise müssten sich mit dem Gedankengut in den Betrieben auseinandersetzen, die Polizei sei mit einigen mutmaßlichen Unterstützern der Reichsbürger konfrontiert.
Becher indes glaubt, rechtspopulistische Einstellungen seien kein allzu neues Phänomen: „Die Haltung gibt es schon länger.“ Parteien wie die AfD nutzten diesen Unmut nun. Durch die sozialen Medien würden Menschen zudem „gefühlt Teil einer großen Bewegung“. Unzufriedene würden nun sprachfähig und bemerken, dass es noch andere gibt, die ähnlich denken.