Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung untersucht die Strategie der islamfeindlichen AfD im Bundestagswahlkampf und analysiert die Entwicklung der jungen Partei.
Die Otto Brenner Stiftung (OBS) analysierte die Potenziale und Probleme der „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Bundestagswahljahr in einer Studie und kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung der AfD hochdynamisch ist: Die erst 2013 gegründete Partei ist bereits in 13 Landesparlamenten vertreten. Trotz aktueller Turbulenzen könnte ihr auch der Sprung in den nächsten Bundestag gelingen, womit sich die AfD vorerst im Parteienspektrum rechts der Union verankern könnte. Doch wie hat sich die junge Partei auf dem Weg ihrer politischen Etablierung verändert? Wie agiert sie in den Landesparlamenten und was lässt sich hieraus mit Blick auf die Bundestagswahl lernen? Zu diesen Fragen liefert die neue OBS-Studie vom Göttinger Institut für Demokratieforschung aktuelle Ergebnisse und wichtige Erkenntnisse.
Der erste Teil dieser Studie untersucht gesellschaftliche Voraussetzungen und politische Konsequenzen des Wiederaufstiegs der AfD nach ihrer Spaltung im Sommer 2015. Im Zuge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ erzielte sie bei den Landtagswahlen 2016 Rekordergebnisse und rückte nicht nur im Osten zur relevanten landespolitischen Kraft auf. Zugleich hat sich die AfD selbst stark gewandelt, woraus grundlegende Herausforderungen für die Partei erwachsen sind: Seit 2016 prägten heftige Macht- und Lagerkonflikte zwischen Frauke Petry und ihren Gegnern die Parteientwicklung. Aufgrund mangelnder Vermittlungsmechanismen wurden diese Konflikte verschleppt, Teile der Parteiorganisation blockiert und beide Bundessprecher politisch demontiert. Die AfD startete erheblich geschwächt in den Bundestagswahlkampf 2017.
Unter der Führung Frauke Petrys ist die AfD seit 2016 weiter nach rechts gerückt. Neben restriktiven Forderungen im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik, einer pauschalisierenden Kritik von Islam und Muslimen sowie einer teils traditionalistisch-reaktionären Familienpolitik zeichnet sich so in verschiedenen Politikfeldern immer deutlicher ein Primat des Nationalen ab. Die etablierten Parteien haben auf die Wahlerfolge der AfD politisch reagiert. Gerade die Unionsparteien haben ihre Rhetorik und Forderungen v.a. in der Asyl- und Migrationspolitik merklich verschärft. Während sich die politische Debatte damit insgesamt nach rechts verschiebt, wird es für die AfD zugleich schwieriger, sich von ihrer politischen Konkurrenz abzugrenzen, wie sich jüngst auch in ihren schwächeren Wahl- und Umfrageergebnissen und erfolglosen Provokationen zeigte.
Der zweite Teil der Studie analysiert die parlamentarische Entwicklung der AfD als wichtigen Schritt auf dem Weg zu ihrer möglichen Etablierung im Parteiensystem. Die Göttinger Forscher schließen an ihre vorherigen Arbeiten an und präsentieren eine vergleichende Detailanalyse der internen Entwicklung und parlamentarischen Arbeit in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Neben grundsätzlichen Ähnlichkeiten weisen sie dabei auf eine Reihe von Unterschieden, Ambivalenzen und Widersprüchen hin: Die sozialen und politischen Profile der AfD-Abgeordneten unterscheiden sich im Ost-West-Vergleich teils deutlich. In zwei der untersuchten AfD-Fraktionen kam es zu besonders heftigen Macht- und Lagerkonflikten. In Baden-Württemberg zerbrach die AfD-Fraktion unter der Führung von Bundessprecher Meuthen nach wenigen Wochen; in Sachsen-Anhalt folgte den fortgesetzten Konflikten erst jüngst eine Reihe von Austritten.
Im Untersuchungszeitraum zeigte sich eine relativ hohe parlamentarische Aktivität der AfD-Fraktionen. Den Zugang zur parlamentarischen Bühne nutzten die politisch mäßig erfahrenen Abgeordneten vor allem für betont plakative und provokative Formen der oppositionellen Kritik und Kontrolle. Obgleich die Initiativen der AfD-Fraktionen inhaltlich weit gefächert sind, sind die Themen Innere Sicherheit, Asyl und Migration besonders präsent. Zudem finden sich strategische Bemühungen der AfD, sich etwa als regionaler ‚Anwalt der Bürger‘ oder als Standesvertretung der Polizei zu positionieren.
Das oft provokante Auftreten der AfD-Fraktionen strapaziert die parlamentarische Kultur erheblich. Trotz vielfältiger Ab- und Ausgrenzungsversuche der etablierten Parlamentsparteien ist es den AfD-Fraktionen wiederholt gelungen, landespolitische Konflikte effektiv zu skandalisieren und damit zum Teil erheblichen Druck auf die Landesregierungen auszuüben.
„Die Göttinger Forscher skizzieren, warum sich die politischen Bedingungen für die AfD massiv verschlechtert haben und wie angeschlagen sie nun in den Bundestagswahlkampf startet“, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der OBS. Zudem liefere die Studie vergleichende Tiefenbohrungen zur Partei- und Fraktionsentwicklung der AfD auf Landesebene. „Vielleicht lassen sich“, so Legrand weiter, „daraus sogar Hinweise ableiten, was man von einer zukünftigen AfD-Bundestagsfraktion zu erwarten hätte.“ (OTS/iQ)