Das Opferfest steht vor der Tür. Doch warum schächten Muslime am Opferfest? Welche Bedeutung und Historie diesem Gottesdienst zugrunde liegt, erläutert Sebahat Özcan.
Abraham (a) trägt als einziger Prophet den Beinamen „Halîlullâh“ („Freund Allahs“). Auch wird er aufgrund seiner Gottergebenheit immer wieder als ein Vorbild bezeichnet. Im Koran heißt es: „Ihr habt bereits ein vortreffliches Beispiel an Abraham […]“.
Die Geschichte Abrahams (a) ist den Buchreligionen weitestgehend bekannt: Abraham (a) bittet seinen Schöpfer eingehend um Nachkommenschaft und verspricht, dass er sein Kind für Allah opfern würde, sofern er eins bekommt. Abrahams Bitte bleibt nicht unbeantwortet. Er bekommt einen Sohn, der so sanftmütig ist wie er selbst. Jahre vergehen und sein Sohn Ismael (a) wird älter. Durch einen Traum wird Abraham an sein Versprechen erinnert. Gott erwartet von ihm, seinen Sohn zu opfern. Sowohl Abraham als auch sein Sohn zögern nicht, das Verlangte zu tun. „Mein Vater! Tu, wie dir geboten ist. Du wirst mich, wenn Gott es so will, unter jenen finden, die geduldig in Widrigkeit sind.“ (Sure Saffat, 37:102) Weiter heißt es: „Aber sobald die beiden sich ergeben hatten (dem, was sie dachten, es sei) der Wille Gottes, […] riefen wir zu ihm aus: O Abraham, du hast schon (den Zweck) jenes Traumgesichts erfüllt.“
Wer selbst Kinder hat, wird wissen, wie sehr es die Eltern belastet, wenn sie krank sind, hinfallen oder weinen. Allein der Gedanke, dass ihnen etwas zustoßen könnte, ist für viele unerträglich belastend. Das muss man sich vor Augen führen. Die Reaktion Abrahams sowie seines Sohnes sind interessant. Sie zögern nicht. Es ist, als würde Abraham sagen: „Das mir liebste auf Erden ist mir lange nicht so lieb wie du es mir bist.“ Und die beiden bekommen ein Opfertier, das sie stattdessen schlachten können.
Das Schächten bedeutet für Muslime also nicht, dass man jährlich ein Tier schlachten lässt und dessen Fleisch einfach an Bedürftige verteilt, nein, es ist eine Zeit intensiver Reflektion über sich selbst, seine Werte und Opferbereitschaft Allah gegenüber. Abraham war bereit für das Wohlgefallen Gottes das ihm Liebste zu opfern. Man fragt sich, was einem selbst das Liebste auf Erden ist und reflektiert, ob dieses Etwas einem lieber ist, als das Wohlgefallen Gottes. „Würde ich mein Hab und Gut aufgeben, wenn es nötig wäre?“, „Würde ich meinen Erfolg und Ruhm aufgeben, wenn es nötig wäre?“, „Was ist mein persönlicher Ismael?“, sind Fragen mit denen man sich in dieser Zeit auseinandersetzt. Hier soll der Mensch reflektieren, worauf er selbst am meisten Wert legt und ob er diese Dinge für Gott zu opfern bereit wäre, wenn es nötig ist. Die Erleichterung liegt darin, dass Gott eine „theoretische“ Bereitschaft genügt. Es ist eine Bewusstwerdung der Werte und Möglichkeit über sich selbst Rechenschaft abzulegen. Das Tier, dass man symbolisch opfert, erinnert daran und ist gleichzeitig ein Dank, dass man eben nicht Opfer bringen muss, wie Abraham es zu tun bereit war.
Die Bereitschaft Abrahams und Ismaels erinnert an diesen Vers: „Aber es gibt (auch) eine Art Mensch, der willig sich selbst verkaufen würde, um Gott wohlzugefallen, und Gott ist höchst mitfühlend gegen seine Diener.“ Wörtlich übersetzt würde es heißen: „Es gibt einen solchen, der sich selbst aus einem Verlangen nach Gottes Wohlgefallen verkaufen würde“, d. h. er würde all seine persönlichen Interessen aufgeben, wenn die Befolgung von Gottes Willen dies verlangen würde.
Dieser Koranvers wurde niedergesandt, nachdem ein Prophetengefährte namens Suhayb b. Rûmî (r), sein gesamtes Hab und Gut in Mekka zurückgelassen hat, nur um zum Propheten nach Medina gelangen zu können. Die damaligen Mekkaner hatten gehofft, ihn an seiner Ausreise aufhalten zu können, wenn sie ihm die Bedingung stellen, dass er nichts mitnehmen kann. Suhaybs Sehnsucht nach dem Propheten war aber größer als sein materieller Reichtum, und somit zögerte er nicht und willigte ein. Er fand seine Erfüllung darin. So verhält es sich mit vielen Muslimen, die Erfüllung darin finden, Pflichten nachzugehen, die für Außenstehende vielleicht als Last empfunden werden.