KURBAN 2017

Kurban – Gottesdienst und Solidarität zugleich

Für Muslime ist das Kurbanfest (auch Opferfest genannt) ein Anlass und Mittel, Bedürftigen in aller Welt zu helfen. Der Theologe Prof. Dr. Vecdi Akyüz erklärt im IslamiQ-Interview die religiösen und gesellschaftlichen Aspekte des Opferns.

04
09
2017
Prof. Dr. Vecdi Akyüz Kurbanfest © Cukurova Üniversitesi, bearbeitet by iQ.
Prof. Dr. Vecdi Akyüz © Cukurova Üniversitesi, bearbeitet by iQ.

IslamiQ: Warum opfern Muslime? Was steckt dahinter?

Prof. Dr. Vecdi Akyüz: Der Kurban ist für Muslime eine Form der innigen Verbundenheit und Hingabe. Das Opfern geht zurück auf den Propheten Abraham (a), dem Stammvater der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Die Tradition des Opferns erinnert an die Bereitschaft Abrahams, alles für Allah zu geben – sogar seinen eigenen Sohn. Gleichzeitig ist der Kurban ein Sinnbild für die Ergebenheit des Propheten Ismael (a).

Prof. Dr. Vecdi Akyüz, geboren 1954 in Kırklareli (Türkei), ist seit 2001 Professor für Islamisches Recht an der Theologischen Fakultät der Universität Marmara in Istanbul (Türkei).

Beim Kurban geht es nicht um das Fleisch oder Blut des Opfertiers. Denn im Koran heißt es ganz deutlich: „Weder ihr Fleisch noch ihr Blut erreicht Allah, jedoch erreicht Ihn eure Frömmigkeit…“.[1] Sinn und Zweck des Opferns ist die religiöse Vervollkommnung des Gläubigen. Der Kurban bringt den Menschen Gott näher, lehrt ihn Selbstlosigkeit und Mitgefühl. Es erinnert an die Verantwortung des Menschen gegenüber Allah und dessen Geschöpfen.

IslamiQ: Welche gesellschaftliche Dimension hat das Opfern?

Akyüz: Viele Gottesdienste haben auch einen sozialen Aspekt. Beim Kurban sind das neben dem wirtschaftlichen Nutzen für die Tierzucht und den Handel vor allem die Stärkung von Gemeinschaft und Solidarität. Besser als etwas zu tun ist, es gemeinsam zu tun. Das meinte schon unser Prophet, wenn er sagte: „Das (beste) Fasten ist das gemeinsame. Das (beste) Fastenbrechen ist das gemeinsame. Das (beste) Opfern ist das gemeinsame.“[2]

Das Kurbanfest erinnert Muslime an Werte wie Geschwisterlichkeit und Gerechtigkeit. Das Kurbanfest ist eine Zeit der Freude und Versöhnung, an denen das Fleisch der Opfertiere an Freunde, Nachbarn, Verwandte und Menschen überall auf der Welt geteilt wird. Der Kurban ist ein Mittel, um diese Ziele zu erreichen.

IslamiQ: Das Opfertierfleisch soll also geteilt werden.

Akyüz: Der Prophet legte großen Wert auf das Teilen des Kurbanfleisches. Anfänglich war es sogar so, dass es nicht länger als drei Tage aufgehoben werden sollte. Das hatte mit der angespannten wirtschaftlichen Situation vor Ort zu tun. Große Teile der muslimischen Gemeinde waren damals bitterarm.

IslamiQ: Internationale islamische Hilfsorganisationen sammeln Kurbanspenden, um damit vor Ort Opfertiere zu kaufen und deren Fleisch zu verteilen. Was bedeutet das für die lokale Wirtschaft?

Akyüz: Vor allem die Tierzucht erlebt in den Tagen und Wochen vor dem Kurbanfest einen Boom. Das belebt die Wirtschaft, was besonders in armen Ländern sehr wichtig ist. Durch ihre Arbeit vor Ort leisten islamische Hilfsorganisationen einen wichtigen Beitrag dazu. Es sind ja nicht nur die Verkäufer, die davon profitieren, sondern auch Landwirte, Metzger, Transportunternehmen, lokale Hilfsorganisationen usw. – sie alle sind in einer anderen Art und Weise an der Kurbankampagnen beteiligt.

IslamiQ: Islamische Hilfsorganisationen erreichen Millionen Menschen, allein durch die Kurbankampagne. Was halten Sie davon?

Akyüz: Überall auf der Welt leiden Menschen an Hunger. Hinzukommen Opfer von Erdbeben-, Flut- und Kriegskatastrophen, die ebenfalls beherbergt und ernährt werden müssen. Gut vernetzte und zuverlässige Organisationen sind in der Lage, die Menschen erreichen, die wir nicht erreichen können.

Für alle, die finanziell dazu in der Lage sind, ist es eine Pflicht eine Kurbanspende zu tätigen. Wer besser gestellt ist, kann auch mehrere spenden. Er kann eine islamische Organisation damit beauftragen, in Ländern, die er für geeignet erachtet, stellvertretend für ihn zu opfern.

IslamiQ: Momentan werden solche Kurbankampagnen vorbereitet. Worauf sollte dabei geachtet werden?

Akyüz: Helfer, die an Kurban-Kampagnen im Ausland teilnehmen, müssen sicherstellen, dass die Opferung und die Verteilung des Fleisches nach islamischen Prinzipien erfolgen. Sie müssen im Vorfeld aber auch die örtlichen Traditionen kennenlernen und diese beachten.

Zudem ist die schlechte Behandlung von Tieren oft ein Thema. Das darf auf keinen Fall toleriert werden. Der Prophet verurteilte vehement alles, was für die Tiere unnötige Schmerzen und Leid bedeutet. Stattdessen soll mit Fürsorge und Barmherzigkeit gehandelt werden. Das Opfertier muss angemessen untergebracht und versorgt werden. Es darf während der Opferung keine Qual erleiden, der Opferplatz muss sauber sein. Auch auf die Umwelt muss geachtet werden. All das wird im Islam gefördert.

IslamiQ: Das Opfern von Tieren wird von verschiedenen Seiten als unethisch verurteilt. Was sehen Sie das?

Akyüz: Der Kurbanfest ist keine Barbarei, ganz im Gegenteil! Ein armer Mensch, der ein ganzes Jahr über viel Leid erfahren hat und womöglich nicht einen Bissen Fleisch gegessen hat, freut sich über das Opferfleisch und kann wenigstens einen Teil seines Bedarfs decken. Er freut sich darüber, dass es Menschen gibt, die an ihn denken und ihn jedes Jahr besuchen. Der Kurban macht das möglich. Wer in Wohlstand und Überfluss lebt, kann das kaum beurteilen.

Das Interview führte Murat Kubat.

 

[1] Sure Hadsch, 22:37

[2] Tirmizî, Sawm, 11, Hadith Nr. 697

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Ich hätte vor Abraham wesentlich mehr Respekt, wenn er unter keinen Umständen bereit gewesen wäre seinen Sohn zu töten. Es wäre ein Zeichen von großer Zivilcourage gewesen, sich einem solchen unethischen göttlichen Befehl mit aller Deutlichkeit zu widersetzen.
04.09.17
13:40
Bea sagt:
Ich könnte ihnen 100 Videos senden,die zeigen wie grausam Muslime mit den Opfertieren umgehen. Sie schneiden den Hals auf und werfen das Tier auf einen Berg voller zappelnder, blutender und sterbender Leiber. Zudem existieren Videos in dem Menschen dieses blutige Ritual lachend feiern und kleine Kinder jeden Alters stehen in der ersten Reihe. Was nimmt ein Kind von solch einem mitleidlosen Verhalten mit in sein Leben? Mitgefühl für andere Lebewesen, Respekt für seine Umwelt oder gar Liebe zu seinen Mitmenschen? Ich denke nicht. Und ich denke, dass man das Töten eines Tieres so schmerzlos und human vornehmen muss wie möglich. Aber Allah weiß ja alles besser.
05.09.17
17:28
Charley sagt:
Das "Opfern" ist im religiösen Prozess die 2.Stufe. Ihr geht voran die sog. "Verkündigung" (des religiösen Motivs, Inhalts), dem sich der dann "gläubig" Gewordene dann im so. (Selbst-) "Opfer" verbindet, auf dass aus dieser so vollzogenen Verbindung eine innere Verwandlung (durch das Göttliche) erfolgt. In der (Ver-)"Wandlung" entsteht eine Ähnlichkeit und schließlich eine Identifizierung,... des Göttlichen mit dem Menschen und des Menschen mit dem Göttlichen (Com-unio Zusammen-ver-einigung).. Insofern und darum hat der christliche Kultus diese 4 Stufen. Allerdings gab es diese 4 Stufen schon im alten Ägypten (wo der katholische Kultus auch herstammt). - Letztlich findet man diese 4 Prozessstufen in jeder Religion, ja auch jede wirkliche Meditation geht durch diese 4 Stufen hindurch. Wie das im Islam ist, ist allerdings nicht so deutlich. Insbesondere die 4 Stufe könnte es eigentlich gar nicht geben, weil eine Identität von Gottheit (Allah) und Mensch ja nicht anerkannt/für möglich gehalten wird. Andere Religionen sehen das durchaus gegeben (der Brahma-Begriff der Hindus entspricht ziemlich genau dem Allah-Begriff) und auch alle Heiligen und Erleuchteten der Welt geben von dieser 4.Stufe als Erfahrung Zeugnis. Meister Eckehard sagt z.b.: "Das Auge, mit dem ich Gott sehe, ist dasjenige Auge, mit dem Gott mich sieht!" Al-Halladsch sagt z.B. (es gibt viele Aussagen von ihm, in denen er genau diese Identität bekundet): "Dein Geist hat sich mit meinem Geist gemischt, wie sich der Wein mit klarem Wasser mischt. Wenn etwas dich berührt, berührt es mich, nun bist du ich in jeder Lage." Wenn ein Opfer nicht dieses Ziel hat, welches Zielt hat es dann? Gottwohlgefallen, um bei einem "jüngsten Gericht" (oder nach dem Tode) nicht in "Ungnade" zu fallen eines willkürlich annehmenden oder ablehnenden "Du" (Gott?). Insofern finde ich obige Darstellung des Opferbegriffs von Prof. Dr. Vecdi Akyüz als noch ziemlich an der Oberfläche bleibend. Al-Halladschs Ausspruch "Rette mich vor Gott!" den er überall in sich, um sich erfuhr, weil er nirgend wo mehr ein "Nicht-Gott" erfuhr, deckt sich z.B. auch mit dem "Selbst"-Begriff eines Ramana Maharshi uam. Da Prof. Dr. Vecdi Akyüz diese "Gottesgrundlage", die überhaupt nur Anlass für "Opfern" sein kann, nicht heraus streicht, bleibt das Opferfest dann schließlich "Folklore", Gewohnheitsvollzug auf dem Hintergrund eines (leider) nicht wirklich hinterfragten (vermuteten) historischen Vorgangs (Abraham).
09.09.17
15:03
Ute Fabel sagt:
@Charley: Die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn auf vermeintlichen Wunsch seines Gottes zu töten, ist ebenso wenig ein historisches Ereignis wie die Bereitschaft Agamemnons seine Tochter Iphigenie dem Gott Poseidon zu opfern. Es handelt sich in beiden Fällen um Mythologie. In der Mythologie der abrahamitischen Religionen wird Abraham dafür als Held gefeiert, was die ethischen Standards dieser Religion höchst kritikwürdig erscheinen lässt. Die griechische Religion feiert Agamemnon dafür nicht als Helden, was mir ethisch viel besser gefällt. Wer Näheres darüber wissen will, der soll sich die Oper "Elektra" von Richard Strauß zu Gemüte führen. Oft kann man von den alten Griechen mehr lernen als von den Christen, Moslems und Juden.
11.09.17
14:26
Charley sagt:
@Ute Fabel: Ich möchte das Opfern des eigenen Kindes in keiner Weise verherrlicht oder sonstwie positiv belegt sehen, wenn es sich um einen realen Vorgang handeln würde. Menschenopfer waren zwar zur damaligen Zeit weit verbreitet, hatten in der damaligen Denke vielleicht auch einen "Sinn", waren zumindest irgendwie gesellschaftlich akzeptiert, aber sie platt als (vermeintlichen, ich stimme Ihnen zu, dass diese Geschichten mythisch idealisiert sind) realen Vorgang wert zu schätzen, ist grausig! Und es ist abzulehnen! Heutzutage ist das einzig statthafte "Opfer", das "Selbstopfer" ist, welches aber kein Sich-selbst-Wegschmeißen ist, sondern eben das Sich-Unterstellen unter ein Ideal, eine Idee, ein(e) Wesen(tlichkeit). Man könnte es auch bezeichnen als Hingabe an das Ideal. Diese Opfer ist geglaubte Identität, die dann auch vollzogen wird. Und doch ist es letztlich nur Selbstverwirklichung. Der "Selbst"-begriff, wie ihn spirituelle Meister quer durch alle Religionen beschreiben und vollziehen ist ja keine "Entfremdung" von sich selbst, sondern eine Verwirklichung seiner selbst. Was da an Mythen in der Menschheit tradiert wird, ist allerdings wirklich sehr zu hinterfragen. Die Naivität, mit der solche Mythen tatsächlich als Tatsachen geglaubt werden, ist erschreckend. Die Agression, die z.T. aufkommt, wenn man nur sagt: Hallo, denk mal über deinen Mythos nach! - ist beängstigend! Wenn man aber Mythen innerlich zum Bild werden lässt, so übernimmt man selbst die Verantwortung bewusst, was der Mythos einem sagen will/soll. Dann können Schätze in den Mythen enthalten sein. Wer opfert wem, wenn die großen Spirituellen der Welt am Ende sagen, dass sie "Gott" als wahres Selbst erfahren? Ein psychologisch taktierender Gott, der "nur mal so - aus Neugier? - prüfen will", ob Abraham / Ibrahim bereit wäre, sein Kind zu schlachten, ist sofort als menschliche Projektion zu entlarven. Gott ist das, was er ist, ich bin das, was ich bin. Doch kennst du einen wohl, so kennst du mich und ihn. (Angelus Silesius)
13.09.17
20:30