„Wie hast du es mit der Religion?“ Trotz säkularer Tendenzen und der Trennung von Kirche und Staat ist das Thema Religion – vor allem mit Blick auf den Islam – in den Wahlprogrammen weiterhin prominent vertreten.
Die Kirchen finden bei der Union Erwähnung unter dem Aspekt kultureller Identität. Bei den anderen Bundestagsparteien wächst angesichts einer stärker multireligiös geprägten Gesellschaft der Druck zur Gleichbehandlung mit anderen Religionsgemeinschaften. Beim Thema Islam geht es in allen Programmen um eine bessere Integration und die Abwehr vom Fundamentalismus. Dabei gewinnt das Staatskirchenrecht als Religionsverfassungsrecht neue Aktualität. Das Judentum kommt beim Kampf gegen Antisemitismus in den Blick.
Im Regierungsprogramm von CDU und CSU wird das christlich-jüdische Erbe mit der Aufklärung als „wichtiges Fundament“ von Staat und Gesellschaft genannt. Die Kirchen „leisten seit Jahrzehnten einen unverzichtbaren Beitrag zum geistigen Leben in Deutschland und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt“, heißt es. Zugleich verpflichtet sich die Union, für verfolgte Christen und bedrängte Religionsgemeinschaften weltweit einzutreten und fordert einen „Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Religionsfreiheit“.
Mit Blick auf die „in Deutschland lebenden Muslime“ heißt es bei der Union: Sie „tragen mit ihren Ideen und ihrer Arbeit seit langem zum Erfolg unseres Landes bei und gehören deshalb zu unserer Gesellschaft“. Das ist eine Entschärfung der Aussage: „Muslime und der Islam sind Teil unseres Landes“, wie es im SPD-Regierungsprogramm steht. Eine staatliche Anerkennung muslimischer Gemeinschaften machen die Sozialdemokraten ebenso wie die Grünen von der Eingliederung in das geltende Religionsverfassungsrecht abhängig.
Beim Kampf gegen Extremismus setzt die SPD auf eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Hasspredigern und Extremisten; ihre Moscheen sollen geschlossen und ihre Finanzierung unterbunden werden. Die Kirchen werden summarisch unter dem Aspekt der Sozialpolitik und des zivilgesellschaftlichen Engagements erwähnt. Ansonsten plädiert die SPD für interreligiösen Dialog und das Wissen über Religion und Kultur, um ein friedliches Miteinander zu fördern. Einen Abschnitt widmet die SPD dem Kampf gegen Antisemitismus und der Erinnerung an den Holocaust.
Die Grünen wollen einen „klaren Rahmen“ für eine multireligiöse Gesellschaft, in der alle Überzeugungen gleich behandelt werden. Mit Blick auf die Kirchen wollen sie die historischen Staatsleistungen „endlich ablösen“ und die Kirchenfinanzen transparenter machen. Sie treten wie die FDP für eine Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen 166 StGB ein.
Beim Kampf gegen religiösen Extremismus wenden sie sich gegen die Finanzierung religiöser Einrichtungen etwa durch das Ausland. Diese Forderung findet sich auch bei den Liberalen, die ebenso für eine „Gleichbehandlung von Kirchen-, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ eintreten. Religion ist demnach Privatsache, aber jeder soll ihr im Rahmen des Rechtsstaates folgen können. Daraus folgt etwa, dass die FDP ein generelles Verbot von Verschleierung ablehnt.
Die Linkspartei behandelt die Religionsfrage im Wahlprogramm am breitesten und konkretisiert am deutlichsten, wie sie „die rechtliche Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ durchsetzen will. Das umfasst etwa die Forderung nach Streikrecht und Mitbestimmungsrechten für Beschäftigte der Kirchen, die Abschaffung der Militärseelsorge oder das Ende des staatlichen Kirchensteuereinzugs. Mit Gewerkschaften und Kirchen treten die Linken für den arbeitsfreien Sonntag ein. Demgegenüber will die FDP das allgemeine Verbot für den Verkauf im Einzelhandel und für Dienstleistungen an Sonn- und Feiertagen aufheben.
Die AfD erwähnt das Christentum nur bei der Definition der Leitkultur: „Diese fußt auf den Werten des Christentums, der Antike, des Humanismus und der Aufklärung.“ Die Kirchen erwähnt die AfD mit der Forderung: „Die Bezahlung von Kirchenrepräsentanten wie Bischöfen etc. aus allgemeinen Steuermitteln ist abzuschaffen.“ Dafür geht sie ausführlich auf den Islam ein. Er gehöre nicht zu Deutschland und stehe „im Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Die AfD lehnt Minarette ebenso wie religiöse Voraustrauungen ab. (KNA, iQ)