Experte

„Terroristen werden meist in Gefängnissen radikalisiert“

Der Politologe Olivier Roy meint, muslimische Terroristen werden in Gefängnissen und isolierten Gruppen radikalisiert, nicht in den Moscheegemeinden.

07
09
2017
Symbolbild: Gefängnis, Gefängnisseelsorge, Imame
Symbolbild: Gefängnis, © Dave Nakayama auf flickr, bearbeitet by iQ.

Der Islam-Experte Olivier Roy sieht als Hauptursache für die Radikalisierung Jugendlicher vor allem den Strafvollzug in Gefängnissen. Auch vollziehe sich Radikalisierung vielfach in kleinen, isolierten Gruppen, nicht im gelebten Islam, sagte der französische Politologe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag).

Weder gescheiterte Integration noch muslimische Gemeinden seien in der Regel ursächlich für eine Radikalisierung. Gefährlich sei ein Auszug der Religion aus ihrer eigentlichen Kultur; Roy spricht von „Dekulturisation“. Diese, verbunden mit einer Faszination für den Tod, bilde ein „tödliches Gemisch“ für Terrorismus. Es sei ein Fehler der westlichen Gesellschaften, den Terrorismus durch einen liberalen Islam bekämpfen zu wollen. „Wir drängen die religiösen Gemeinschaften, die modernen säkularen Werte zu akzeptieren, etwa dass sie liberal werden. Das ist völliger Unsinn.“

Roy erklärte, die Radikalisierten glaubten „nicht an eine bessere muslimische Gesellschaft. Sie wollen nicht einmal leben, um in eine bessere Gesellschaft zu kommen, sondern sie haben einen apokalyptischen Blick auf die Zukunft.“ Mit diesem Blick gehe es gar nicht mehr um politische Botschaften oder um Rechtmäßigkeit; „es geht nur ums Paradies, das ist alles“, so Roy.

Der 68-jährige Franzose Roy arbeitete als Berater, Diplomat und UN-Gesandter. Sein Spezialgebiet sind der politische Islam und der Islamismus sowie Zentralasien. Soeben ist sein Buch „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ erschienen. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Die Attentäter, die im August einen Anschlag in Barcelona mit 16 Toten verübt haben, wurden nicht im Gefängnis sondern offensichtlich von einem Iman radikalisiert. Höchst Abschätziges gegenüber Ungläubigen, die als verdammungswürdige Menschen zweiter Klasse klassifiziert werden, findet man im Koran durchgängig vom Anfang bis zum Ende. Ein apokalyptischen Blick auf die Zukunft, wonach es nur ums Paradies geht, in welches nur die auswählten Mohammed-Gläubigen kommen können, ist die zentrale Botschaft des Korans.
07.09.17
13:23
Frederic Voss sagt:
Ein Islam-Experte, der erklärt, daß die Terroranschläge vom 15.11.2015 in Paris mit dem Islam gar nichts zu tun hätten. Schuld wäre hauptsächlich der Gefängnis-Strafvollzug. Dann wieder: "es geht nur ums Paradies." Im Netz ist etliches noch zusätzlich von ihm zu finden. Dieser Mann mag durchaus brauchbare Ansätze haben, aber er verliert sich auch schon wieder in vielen psychologischen Konstruktionen und will ganz genau wissen, was nun wieder "völliger Unsinn" ist. Eine überzeugende Lösung hat auch er nicht. Und nun sollen alle religiösen Moscheegemeinden auch noch als Unschuldslämmer präsentiert werden. Ein Wirr-Warr pur. Aber er meint, nur er habe den einzig richtigen Durchblick.
07.09.17
22:17
Charley sagt:
Unter diesem Aspekt ist es doch durchaus sinnvoll, dass die DITIB-Imame sehr streng beäugt und geprüft werden, wenn sie in den Gefängnissen als sog. Seelsorger tätig werden wollen. http://www.islamiq.de/2017/08/07/ditib-imamen-wird-zutritt-zur-jva-verweigert/
08.09.17
23:14