Der Politologe Olivier Roy meint, muslimische Terroristen werden in Gefängnissen und isolierten Gruppen radikalisiert, nicht in den Moscheegemeinden.
Der Islam-Experte Olivier Roy sieht als Hauptursache für die Radikalisierung Jugendlicher vor allem den Strafvollzug in Gefängnissen. Auch vollziehe sich Radikalisierung vielfach in kleinen, isolierten Gruppen, nicht im gelebten Islam, sagte der französische Politologe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Donnerstag).
Weder gescheiterte Integration noch muslimische Gemeinden seien in der Regel ursächlich für eine Radikalisierung. Gefährlich sei ein Auszug der Religion aus ihrer eigentlichen Kultur; Roy spricht von „Dekulturisation“. Diese, verbunden mit einer Faszination für den Tod, bilde ein „tödliches Gemisch“ für Terrorismus. Es sei ein Fehler der westlichen Gesellschaften, den Terrorismus durch einen liberalen Islam bekämpfen zu wollen. „Wir drängen die religiösen Gemeinschaften, die modernen säkularen Werte zu akzeptieren, etwa dass sie liberal werden. Das ist völliger Unsinn.“
Roy erklärte, die Radikalisierten glaubten „nicht an eine bessere muslimische Gesellschaft. Sie wollen nicht einmal leben, um in eine bessere Gesellschaft zu kommen, sondern sie haben einen apokalyptischen Blick auf die Zukunft.“ Mit diesem Blick gehe es gar nicht mehr um politische Botschaften oder um Rechtmäßigkeit; „es geht nur ums Paradies, das ist alles“, so Roy.
Der 68-jährige Franzose Roy arbeitete als Berater, Diplomat und UN-Gesandter. Sein Spezialgebiet sind der politische Islam und der Islamismus sowie Zentralasien. Soeben ist sein Buch „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ erschienen. (KNA/iQ)