Sollen die Kirchen mit der AfD reden? Und wenn ja, wie? Und worüber? Eine Tagung in Leipzig diskutiert, ob sich die katholische Soziallehre mit dem Grundsatzprogramm der AfD vereinbaren lässt.
In der Flüchtlingspolitik könnten die Gräben nicht tiefer sein. Doch beim Familienbild, in der Sexualerziehung und in der Gender-Debatte gibt es auch Übereinstimmungen. Ob und inwieweit sich das Grundsatzprogramm der Partei „Alternative für Deutschland“ mit der katholischen Soziallehre vereinbaren lässt, hat eine im Juni 2017 erschienene sozialethische Studie erarbeitet. In Auftrag gegeben wurde sie von den Bevollmächtigten der katholischen Bischöfe gegenüber den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Am Wochenende luden die Katholischen Akademien der Bistümer Magdeburg, Erfurt und Dresden-Meißen zu einer Tagung nach Leipzig, um die Folgerungen aus der Studie zu diskutieren. Titel der Veranstaltung: „AfD und Christsein. (Un-)vereinbar?“ Die katholische Theologin Marianne Heimbach-Steins, Professorin am Institut für christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster, erstellte zusammen mit Alexander Filipovic vom Zentrum für Ethik und Medien der digitalen Gesellschaft an der Hochschule für Philosophie in München die Studie.
Das Fazit der Theologin: „Dieser Geschichtspessimismus, dem jegliche Zukunftsvision fehlt, der weder ein Gottvertrauen noch ein Zutrauen gegenüber der Welt aufbringt, lässt sich nicht mit einer auf universelles Handeln und Gestalten ausgerichteten Kirche verknüpfen.“ Die auf das Deutschtum fixierte nationalistische Bevölkerungspolitik der Partei, so Heimbach-Steins weiter, passe nicht zur katholischen Soziallehre.
Eine Programmatik, die sich über Feindbilder definiert, sich den Zukunftsfragen verweigert, und die Religionsfreiheit für Muslime beschränken möchte, erfüllt auch nach den Maßstäben des katholischen Theologen Andreas Lob-Hüdepohl alle Kriterien einer rechtspopulistischen Partei. Der Populismus an sich sei, so das Mitglied des Ethikrates, durchaus ein legitimes Mittel, Politik zu gestalten. Die AfD jedoch sei anti-pluralistisch, anti-liberal, und betrachte die Intellektuellen und das Establishment als „Volksfeinde“.
Lob- Hüdepohl machte einen Bedeutungswandel des Protestrufes „Wir sind das Volk!“ aus: „1989 in Leipzig bei den Montagsdemonstrationen skandiert, richtete er sich gegen eine unterdrückerische Einparteien-Regierung. In Dresden bei Pegida-Aufmärschen richtete sich nun derselbe Ruf gegen den Parlamentarismus als Ganzes.“
Die Sozialwissenschaftlerin Maren Behrendsen hat die Netzpolitik der AfD untersucht und stellte auf dem Studientag die Aktionsformen der Partei in den sozialen Netzwerken vor. AfD-Anhänger trügen ihre Debatten in den Internetforen aus, von einer Diskussionskultur könne man allerdings nicht sprechen. „Die Beteiligten befinden sich in einer Filterblase: Von außen kommt nichts rein, man bestätigt sich nur wechselseitig seine gemeinsame Überzeugungen.“
Zwei Podiumsdiskussionen gingen der Frage nach, wie eine Gesprächskultur zwischen AfD und Kirche denn aussehen könnte. „Mit dem Landesvorsitzenden der AfD, Björn Höcke, sprechen wir nicht“, stellte der Leiter des Katholischen Büros Erfurt, Winfried Weinrich, kar. „Aber im Gespräch mit AfD-Abgeordneten im Thüringer Landtag bemühen wir uns um eine sachliche Ebene.“
Der Pfarrer und Buchautor Sven Petry, Ex-Ehemann von Frauke Petry, sagt, er habe mit der AfD lange Zeit am Frühstückstisch gesessen. Die persönliche Entfremdung, die sich für ihn daraus ergab, zieht sich durch weitere viele Familien in diesem Land. Dennoch gehe es darum, „den Einzelnen, der noch schwankt, mit seinen Ängsten und Irritationen im persönlichen Gespräch zu erreichen“. (KNA, iQ)