Bundestagswahlen 2017

Positionen der Parteien zu Halal-Themen

Noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl. Das Online-Wirtschaftsmagazin HALAL-WELT hat die Parteien gefragt, was sie über ein einheitliches Halal-Siegel, Boykottaufrufe gegen deutsche Supermarktketten und religiöse Toleranz denken.

18
09
2017
gedenkminute
Bundestag © Deutscher Bundestag, bearbeitet IslamiQ

In Deutschland gibt es – analog zum Biolebensmittelbranche – kein einheitliches Halal-Siegel mit überprüfbaren Standards. Was wollen die Parteien tun, damit die Verbraucher mehr Verlässlichkeit und Transparenz beim Einkauf von Halal-Produkten haben? Die CDU und CSU sind gegen staatlich vorgegebene Standards und Siegel, da es je nach Auslegung der islamischen Texte abweichende Halal-Standards gebe. Sattdessen sollten die Vertreter der Muslime selbst Standards erarbeiten, auf deren Grundlage auch ein einheitliches Siegel geschaffen werden könne.

Die SPD spricht sich für klar verständliche Angaben auf Lebensmittelverpackungen aus. Niemand dürfe durch Produktbezeichnungen, Siegel oder Zertifikate in die Irre geführt oder verwirrt werden. Das müsse auch für Halal-Kennzeichnungen gelten. Zudem begrüßen die Sozialdemokraten die Initiative der SPD in Bayern, ein Siegel „Halal aus Bayern“ einzuführen. Sie ermögliche es Muslimen, religionskonforme Produkte zu konsumieren, und eröffne gleichzeitig regionalen Erzeugern die Chance, einen attraktiven Markt zu erschließen.

Die Verbraucher sollten Lebensmittel verlässlich nach ihrem individuellen Ernährungsstil auswählen können, ob halal, koscher, vegetarisch, vegan, bio oder regional, sagt Die Linke. Die Partei setze sich daher bei Kennzeichnungen für starke gesetzliche Regelungen ein. Die Grünen halten wenig von staatlichen Vorgaben, da es bei der Halal-Kennzeichnung um religiöse Speisevorschriften gehe, die unterschiedlich ausgelegt würden. Allerdings sollten alle Siegel die zugrundeliegenden Kriterien für die Verbraucher transparent machen – insbesondere bezüglich der Vorgaben zum Tierschutz und zur Schlachtung.

Boykottaufrufe gegen Supermarktketten

Deutsche Supermarktketten geraten immer wieder in einen Shitstorm. So rufen die Kommentatoren bei der Einführung neuer Halal-Produkte zum Boykott des Händlers auf, obwohl zum Beispiel das Halal-Fleisch in den deutschen Supermarktregalen fast immer aus betäubter Schlachtung stammt. Wie wollen die Parteien die Lebensmittelhändler gegen die teilweise massive Hetze schützen? Die FDP lehnt Boykottaufrufe ab. Soweit ein Produkt den rechtlichen Vorgaben entspreche, müsse es auch vertrieben, beworben und gekauft werden dürfen. Gleichwohl dürfe jeder seine Meinung zu einem Produkt im Rahmen der Meinungsfreiheit äußern.

In Deutschland muss jüdisches und muslimisches Leben möglich sein, betont die SPD. Sie stimme der aktuellen Rechtslage zu, nach der betäubungsloses Schlachten in Ausnahmefällen genehmigt werde. Schächten sei in Deutschland schon einmal verboten worden – 1933 durch ein Gesetz der Nazis. Ein Verbot des Schächtens würden auch heute rechtspopulistische Parteien fordern, die sich ansonsten nicht für den Tierschutz einsetzen würden. Das Internet sei freier, aber kein rechtsfreier Raum. In einem Rechtsstaat stehe letztlich immer der Gang zum Staatsanwalt und zu den Gerichten offen.

Dass der Lebensmitteleinzelhandel auf die individuellen Ernährungswünsche seiner Kunden eingeht und auch Halal-Produkte anbietet, findet Die Linke gut. Sie will die  Internet-Unternehmen zwingen, diskriminierende Inhalte zu löschen und die Täter konsequent zu sperren. Die CDU/CSU rät Unternehmen, die bedroht oder beleidigt werden, die Vorfälle anzuzeigen. Gegen Hasskommentare und Verleumdungen im Netz müssten die Betreiber von Internetplattformen und sozialen Netzwerken in Zukunft streng vorgehen. Der Deutsche Bundestag habe dazu gerade ein Gesetz verabschiedet.

„Schächtverbot sei verfassungswidrig“

Vielfalt und religiöse Toleranz. Was wollen die Parteien tun, damit die Menschen in Deutschland nach diesen Werten leben können? Zum Menschenrecht auf Religionsfreiheit gehört auch, das Recht sich nach seiner Religion ernähren zu können, sagt Die Linke. Ein Schächtverbot, wie es die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm fordere, halte sie für verfassungswidrig. Die Grünen wollen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformieren und ein Verbandsklagerecht einführen. Damit sollen die Benachteiligungen gegenüber einzelnen Gruppen und Personen abgebaut werden. Die CDU/CSU möchte sämtlichen Extremismus mit einem starken Staat bekämpfen: Dazu gehörten unter anderem eine konsequente Strafverfolgung, aber auch präventive Maßnahmen wie Bildungsangebote, gelebte Toleranz in den Schulen und der Ausbildung sowie die Förderung des interreligiösen Dialogs. Der Dialog der Religionen sei wichtig für das friedliche Miteinander in einer Gesellschaft.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Rückstandsloses Ausbluten des Tieres kann auch durch die dargestellte tierquälerische Halal-Schlachtmethode nicht gewährleistet werden. Wir wissen heute, was Wüstennomaden vor Jahrtausenden noch nicht gewusst haben: Blut und Fleisch sind nicht zwei Materien, die es zu trennen gilt, sondern einfach untrennbar miteinander verwoben. Was ist auch schlecht daran? Statt blinden Respekt vor abergläubischem Nonsense zu haben, sollten säkuläre Politiker endlich den Mut ausbringen auf Konfrontationskurs mit verstandesfeindlichen religiösen Dogmen zu gehen.
18.09.17
12:52
Charley sagt:
Da müssten sich doch erst einmal die Muslime selbst sortieren: Ist Halal-Schächtung zwingend betäubungslos (was ganz klar als religiös begründete, darum als Ausnahme gesetzlich erlaubte Tierquälerei anzusehen ist!!!) oder kann sie nicht auch betäubt durchgeführt werden?! Und wenn ja, warum haben tierquälerisch bei Bewusstsein schlachtende Halal-Fleischer/Metzger immer noch Kunden?
18.09.17
20:13
Rerun sagt:
"Zum Menschenrecht auf Religionsfreiheit gehört auch, das Recht sich nach seiner Religion ernähren zu können, sagt Die Linke." Das würde auch eine vegetarische Ernährung ermöglichen. Es wäre ja mal interessant vom BVerfG zu erfahren, ob es ein Grundrecht auf Fleisch gibt. Religionsfreiheit ist keine Handlungsfreiheit sondern eine Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Vorstellung, dass jegliche Handlung einfach mit dem Hinweis auf Religion legitimiert werden könnte, ist absurd.
21.09.17
8:59
Frank sagt:
Die anatomisch - physiologischen Vorgänge beim Schächten Wenn die Schächtung am gefesselten und niedergeworfenen Tier, entsprechend den Vorschriften, durch einen Schnitt mit einem scharfen Messer vorgenommen wird, durchtrennt man zunächst die vordere Halshaut. Dann folgen die vorderen, Halsmuskeln, die Luftröhre und die Speiseröhre. Jeder Mediziner oder Anästhesist mit operativer Erfahrung weiß, wie schmerzempfindlich Luftröhre und Speiseröhre sind, besonders aber der betroffene Kehlkopf, deren Verletzung selbst bei tiefer Narkose noch zu schweren reflektorischen Atemstörungen und Kreislaufreaktionen führt. Danach werden die darunter und seitlich liegenden, mit spezifischer Sensitivität ausgestatteten beiden Halsschlagadern durchschnitten, die eine relevante Gesamtreaktion auf Blutdruck und Kreislauf haben... Daneben werden auch die Nervi accessori und der Vagus sowie das gesamte Sympathische Nervensystem und die das Zwerchfell motorisch versorgenden Nervi phrenici durchtrennt. Hierdurch kommt es zu einem immobilen Zwerchfellhochstand mit stärkster Beeinträchtigung der Lungenatmung, so daß das Tier neben seinen unerträglichen Schnittschmerzen auch noch zusätzliche Todesangst durch Atemnot erleidet. Diese Atemnot versucht es durch Hyperventilierung des knöchernen Thorax vergeblich zu kompensieren, was weitere Schmerzen verursacht und zu den schmerzhaft - angstvoll aufgerissenen Augen führt. Durch die Angst und atemnotbedingten verstärkten Atemreaktionen wird das Blut und der aus der Speiseröhre austretende Mageninhalt in die Lungen aspiriert, was zu zusätzlichen schweren Erstickungsanfällen führt. Während des langsamen Ausblutens thrombosieren sind verstopfen vielfach die Gefässenden der vorderen Halsarterien, so das regelmäßig nachgeschnitten werden muß. Und das alles bei vollem Bewußtsein des Tieres, weil beim Schächtschnitt die großen, das Gehirn versorgenden Arterien innerhalb der Halswirbelsäule ebenso wie das Rückenmark und die 12 Hirnnerven nicht durchtrennt sind und wegen der knöchernen Ummantelung auch nicht durchtrennt werden können. Diese noch intakten Gefäße versorgen über den an der Basis des Gehirns liegenden Circulus arteriosus weiterhin das ganze Gehirn noch ausreichend, so daß keine Bewußtlosigkeit eintritt. Hängt man dann laut entsprechenden «Vorschriften» das Tier noch an den Hinterbeinen auf, so bleibt es infolge der noch ausreichenden Blutversorgung des Gehirns, des orthostatisch verstärkten Blutdruckes und des allgemein bekannten lebensrettenden physiologischen Phänomens, das der blutende Organismus seine periphere Durchblutung zugunsten von Gehirn, Herz und Nieren bis auf Null reduziert, praktisch bis zum Auslaufen der letzten Blutstropfen bei vollem Bewußtsein. Der Beweis hierfür wurde vielfach erbracht, indem man das Tier nach dem Ausbluten entfesselte. Mit der entsetzlich klaffenden Halswunde strebte es meistens voll orientiert bewegungsfähig und angstvoll dem Ausgang des Schlachtraumes zu und müßte durch den Bolzenschussapparat endgültig getötet werden. Dr. med. Werner Hartinger Quelle: Infoblatt der Bundesarbeitsgruppe gegen betäubungsloses Schächten
23.09.17
0:19
Felix sagt:
Interessanter Artikel über das Thema! Dennoch bin ich der Meinung, dass solange die Allgemeinheit nicht über das Halal-Schächten grundlegend aufgeklärt wird und leider immer noch der Auffassung ist, das betäubungsloses Schlachten "schlimmer" sei als der Stress und die Qual der Tiere, die betäubt werden, welches auch mit der grausamen Massentierhaltung einhergeht, ist es noch zu früh um konstruktiv über diese Möglichkeiten zu debattieren.
24.09.17
1:06
Peter H. Arras sagt:
Früher glaubte man, dass ein Körper nicht hinreichend zu entbluten sei, wenn er nicht noch lebendig wäre. Man wusste in jener Zeit, als die religiösen Gebote erlassen wurde nicht, dass auch ein bewusstloses Tier noch lebt und Herzschlag hat und somit die Entblutung effektiver möglich ist. Blut als schädlich zu bezeichnen lag darin begründet, dass in der damaligen Zeit, noch dazu in sehr warmen Ländern, Fleisch, das noch viel Blut enthielt, rascher verdarb und somit gesundheitsschädlich wurde. Die religiösen Gebote waren Anweisungen an die Gläubigen zu deren Wohle. Heute gibt es Hygienevorschriften, Kühltechnik und Betäubungsmethoden, so dass kein Tier mehr bewusst miterleben muss, wie es langsam und qualvoll verblutet - wo also ist das Problem? Ganz abgesehen davon, dass Vegetarismus die Kriterien von "HALAL" erfüllt, ist es beschämend für bestimmte Religionsanhänger, aufgrund falscher und antiquierter Glaubensauslegungen, an ihren sadistischen Methoden der Schlachtung stur festzuhalten, anstatt Vernunft walten zu lassen und Mitgefühl gegenüber Tieren zu zeigen. In Westeuropa haben sich ethische Standards entwickelt, die einer verfehlten Toleranz gegenüber Sitten, Bräuchen und Religionen nicht geopfert werden dürfen, denn dies wäre ein fataler Rückschritt und würde den Weg ebnen für Grausamkeit und Fanatismus. Es muss verlangt werden, dass sich Zuwanderer und Andersgläubige unseren Gesetzen und ethischen Standards, die mithin das höchste Niveau in der Welt haben, unterordnen. Die Anhänger des Judentums und des Islam würden gut daran tun, bezüglich der Schächtfrage geschmeidig und einsichtig zu sein, denn dies würde Ängste und Vorbehalte ihnen gegenüber mindern. Tiere sind neurobiologisch mit Kleinkindern oder geistig Behinderten vergleichbar. Nur weil sie keine Menschen sind kann es nicht gerechtfertigt werden, sie schlechter zu behandeln als Menschen. Ohne eine Angleichung der Ethik auf interkultureller Ebene, ist die Welt als Dorf nicht denkbar. Das ethische Gebot der Toleranz darf nicht zum Fallstrick höherrangiger ethischer Gebote - wie allem voran die Absage an Sadismus, Destruktivität, Fanatismus und Unrecht gegenüber Wehrlosen, werden.
24.09.17
10:22