iQ-Wahlprüfstein #BTW17

„Wir brauchen kein Sonderrecht für den Islam“

Am 24. September finden die Bundestagwahlen statt. Was steht in den Parteiprogrammen zu Islam und Muslimen? IslamiQ liefert die Antworten. Heute das Bündnis 90/ Die GRÜNEN. Wähl mit iQ!

18
09
2017
Banner iQ-Wahlprüfstein - Die Grünen © IQ
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IslamiQ: Die Deutsche Islam Konferenz feierte letztes Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Sie wurde initiiert, um den Islam in Deutschland zu institutionalisieren. Welche Ziele und Pläne verfolgt Ihre Partei, um diesen Weg weiterzugehen?

Die GRÜNEN: Für uns gehört auch der Islam zu Deutschland, wie alle anderen Religionen und Weltanschauungen. Wir wollen islamische Gemeinschaften, die ihren Glauben als Teil der offenen Gesellschaft leben, mit ImamInnen und islamischen ReligionslehrerInnen, die an deutschen Hochschulen unter Wahrung der Freiheit der Wissenschaft, wie bei anderen Theologien auch, ausgebildet worden sind und die auch auf Deutsch predigen können. Islamische Gemeinschaften können und sollen als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes anerkannt werden, wenn sie die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen.

Inakzeptabel ist es freilich, wenn Verbände aus dem Ausland gesteuert und zu politischen Zwecken bis hin zu Spitzeltätigkeiten genutzt werden. Vor diesem Hintergrund ist besonders wichtig, dass die Kooperationen zwischen Verbänden, muslimischen Gemeinschaften und dem Staat einen regelmäßigen Austausch vorsehen – mit dem Ziel, dass die Verbände unabhängige, inländische Strukturen entwickeln, die sich langfristig selbst tragen können.

IslamiQ: Die Nachfrage nach islamischer Wohlfahrtspflege und Seelsorge auf Seiten der muslimischen Bevölkerung steigt stetig an. Wird Ihre Parte die Etablierung einer islamischen Wohlfahrtspflege unterstützen?

Die GRÜNEN: Wohlfahrtspflege und Daseinsvorsorge sind staatliche Aufgaben, die an gemeinnützige und privatwirtschaftliche Organisationen delegiert werden. Wir begrüßen das soziale Engagement von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in diesem Bereich und unterstützen Konzepte zur kultursensiblen und pluralistischen Fortentwicklung der Wohlfahrtspflege. Wir treten dafür ein, dass den Menschen möglichst eine Vielfalt an Angeboten zur Verfügung steht. Dies gilt auch für Seelsorge: Wir wollen Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen auch für Musliminnen und Muslime. In Krankenhäusern, Heimen, bei der Bundeswehr oder in der Justizvollzugsanstalt ist der Staat in der Pflicht, Zugänge für qualifiziertes und geeignetes religiöses und weltanschauliches Personal zu gewährleisten. Diejenigen, die diesen Seelsorgedienst versehen, sind verpflichtet, die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 Grundgesetz, die Freiheitsgrundrechte und die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu wahren.

IslamiQ: Mehrere Studien attestieren eine zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland. Wie möchte Ihre Partei dieser Entwicklung entgegenwirken?

Die GRÜNEN: Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, die in ihrer Vielfalt zusammenhält und die Menschen vor Diskriminierung schützt, in der alle Menschen die gleichen Rechte und Pflichten haben, in der alle am sozialen und demokratischen Leben gleichberechtigt teilhaben können. Diskriminierung ist Gift für das gesellschaftliche Zusammenleben. Menschenfeindliche Ideologien verhindern Integration und gefährden den gesellschaftlichen Frieden – egal ob sie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus, Homosexuellen- und Transfeindlichkeit, Rechtsextremismus oder Islamismus heißen. Dem stellen wir uns entschlossen entgegen. Alle gesellschaftlichen Gruppen sind aufgerufen, sich gegen sämtliche Formen menschenfeindlicher Ideologien zu positionieren.

In einer offenen Gesellschaft müssen Konflikte friedlich und demokratisch ausgetragen werden. Deshalb wollen wir das Wissen über Demokratie in unseren Bildungseinrichtungen stärken. Wir fördern, dass sich in Sportvereinen, Museen, Theatern oder Behörden gesellschaftliche Vielfalt abbildet. Den Diskriminierungsschutz im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wollen wir ausbauen.

Ob auf der Straße oder im Netz: Niemand darf sich sicher dabei fühlen, wenn er andere menschenverachtend beleidigt, zu Gewalt aufruft und Menschen bedroht. Geltendes Recht wollen wir konsequent gegen strafbare Inhalte im Internet anwenden. Wir fordern eine gute Ausstattung von Polizei und Justiz für das Vorgehen gegen Hasskriminalität.

IslamiQ: In den letzten Jahren kommt es immer häufiger zu Angriffen auf Moscheen und muslimische Einrichtungen. Was kann und sollte unternommen werden, um diese zukünftig besser zu schützen?

Die GRÜNEN: Unser Ziel ist ein öffentlicher Raum, in dem sich alle unbefangen und ohne Angst bewegen können. Wir wollen, dass Deutschland für alle Menschen, die hier leben, ein sicheres Land bleibt. Deshalb statten wir Polizei und Justiz besser aus – mit mehr Personal, einer guten Aus- und Weiterbildung und zeitgemäßer Technik. Wir brauchen eine Politik der inneren Sicherheit, die auf wirksame Prävention und effektive Strafverfolgung setzt, um die Menschen vor Kriminalität, Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Aufgabe der Sicherheitsinstitutionen ist es dabei, für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einzutreten und neue wie alte Gefahren für Freiheit und Sicherheit wirksam zu bekämpfen.

IslamiQ: Von Zeit zu Zeit wird über die Einführung eines sogenannten Islamgesetzes in Deutschland diskutiert. Wie steht Ihre Partei zu einem solchen Vorhaben? 

Die GRÜNEN: Wir brauchen kein Sonderrecht für den Islam. Islamische Gemeinschaften können und sollen als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes anerkannt werden, wenn sie die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen.

IslamiQ: In den letzten Jahren wurde an verschiedenen Standorten islamische Theologie an deutschen Universitäten eingeführt. Gleichzeitig wurde in mehreren Bundesländern bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht eingeführt, andernorts nur eine Art islamischer Religionskunde. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Würden Sie eine Ausweitung dieses Angebots unterstützen?

Die GRÜNEN: Wir wollen die Einrichtung von bekenntnisorientiertem islamischen Religionsunterricht überall dort, wo er gesetzlich vorgesehen und entsprechender Bedarf vorhanden ist. Deshalb begrüßen wir die Einrichtung der Zentren für Islamische Theologie, denn für einen angemessenen Religionsunterricht braucht es eine entsprechende akademische Ausbildung des Lehrpersonals.

IslamiQ: Eine aktuelle Studie des Berliner Instituts für empirische Migrationsforschung zeigt, dass viele Lehrer Vorbehalte gegenüber der Bildungsorientierung von Muslimen hegen. Gleichzeitig gibt die Bundesagentur für Arbeit bekannt, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Was möchte Ihre Partei gegen diese Benachteiligung von Muslimen in Schule und Beruf tun?

Die GRÜNEN: Die von Ihnen erwähnte Studie zeigt, dass Lehrkräfte häufig Vorbehalte unter anderem auch gegenüber Muslimen haben. Die Studie empfiehlt, Lehrkräfte in der Aus- und Weiterbildung nicht nur Wissen über den Islam zu vermitteln, sondern auch Kompetenzen für einen konstruktiven Umgang mit Vielfalt. Das unterstützen wir, weil Diskriminierung die Möglichkeit der Schülerinnen und Schüler zum Bildungserfolg und damit zum sozialen Aufstieg und zur bestmöglichen gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt. Um das zu verhindern, wollen wir Menschen dazu befähigen, die vielfältigen Facetten von Ausgrenzung und Diskriminierung zu erkennen und hiergegen effektiv vorzugehen. Wir wollen, dass das Aufstiegsversprechen für alle gleichermaßen gilt. Dazu braucht es faire Chancen für alle.

Die Wertschätzung von Vielfalt am Arbeitsplatz verbessert die individuelle Teilhabe im Beruf und fördert die Chancen- und Leistungsgerechtigkeit. Dazu bedarf es eines Diversity-Managements, das alle Dimensionen von Vielfalt beinhaltet. Wir wollen dazu beitragen, dass sich eine breit angelegte Antidiskriminierungskultur in den deutschen Unternehmen immer mehr etabliert. Ein Beispiel dafür ist die Charta der Vielfalt, die den Charakter einer freiwilligen Verpflichtung der Arbeitgeber hat und ein Arbeitsumfeld schaffen soll, das frei von Vorurteilen und Ausgrenzung ist. Der Staat sollte dabei unterstützend wirken und Unternehmen dafür sensibilisieren. Darüber hinaus wollen wir den rechtlichen Diskriminierungsschutz im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausbauen. Das betrifft auch den Bereich der Arbeitswelt.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Genau und wir brauchen auch keine Ausnahmen beim Islam, wenn es beispielsweise um den Sexualkundeunterricht in den Schulen geht.
18.09.17
18:49
Ute Fabel sagt:
Religionen sind in unserer Gesellschaft noch immer irgendwie die heiligen Kühe. Das gehört geändert! Weder das Christentum, das Judentum noch der Islam mit ihren unplausiblen Glaubenslehren haben sich diese privilegierte Sonderstellung verdient. Die Politik sollte die Religionen nicht auf ein Podest der Unantastbarkeit stellen, sondern ganz im Gegenteil die Bürger ermutigen, sich mit Religionen ebenso pointiert kritisch auseinanderzusetzen wie mit nicht religiösen Weltanschauungen. Der Bürgerrechtler Wolf Biermann hat 2014 bei einer Rede im Bundestag die Abgeordneten der Linken "elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde" bezeichnet. Das wurde zur Recht als Ausdruck seiner Meinungsfreiheit gewertet. Hätte er etwas Ähnliches über den Islam gesagt, dann hätte es sicher große Empörung über angebliche "Islamophobie" gegeben. Warum dieses Messen mit zweierlei Maß? Konfrontation mit Religionen ist gut und richtig.
19.09.17
8:26
Hans sagt:
Ich wünsche mir mehr islamische Einflüsse in Deutschland. Frauen sollten sich verschleiern. Dann gibt es weniger Übergriffe an Frauen. Wenn ich eine Frau mit einer Niqab sehr, freue ich mich sehr.
24.09.23
7:38