Laut dem Politikwissenschaftler Ulrich Willems wurden religionspolitische Fragen im Wahlkampf zu sehr vernachlässigt. Daran werde deutlich, dass die Religionspolitik keine große Rolle für die Parteien in Deutschland spiele.
Die Parteien haben die Religionspolitik aus Sicht des Münsteraner Politikwissenschaftlers Ulrich Willems „deutlich“ vernachlässigt. „Man darf nicht vergessen, dass sich in den letzten 20, 25 Jahren die religiöse Landschaft in Deutschland dramatisch verändert hat. Das generiert jetzt aber eine Reihe von Problemen, die dringend gelöst werden müssten“, sagte Willems am Freitag im Deutschlandfunk. „Man sieht es in vielen anderen Ländern, dass es zu großen Debatten gekommen ist, und in der Bundesrepublik hinkt man da etwas hinterher.“
Der Umgang mit Religion werde nach wie vor „eine der wichtigen Fragen“ sein, sagte Willems. „Der Diskurs wird nicht mehr allein über Religion gehen, sondern vielleicht stärker darüber, wie man mit kulturellen Differenzen umgeht.“ Er betonte, dass Bürger Grundkompetenzen benötigten, „um zu verstehen, um was es sich bei Religion handelt. Um nicht, weil etwas fremd und unverständlich ist, dann auch abgelehnt zu werden.“
Willems sagte, er vermisse die Auseinandersetzung mit normativen Fragen: „Wann soll sich der Staat neutral verhalten? Inwieweit kann er die Glaubensfreiheit achten?“ Er sehe keine Notwendigkeit für eine Änderung des Grundgesetzes, um islamische Organisationen staatlich anzuerkennen. Die Politik müsse aber das Religionsverfassungsrecht über konkrete Gesetze weiterentwickeln.
Er sehe aktuell eine „christlich-großkirchliche Schlagseite“ und sagte: „Das Problem in der Bundesrepublik ist, dass die Konturen dieses Modells in einer Zeit entwickelt worden sind, in der wir es im Wesentlichen mit den beiden großen christlichen Kirchen zu tun hatten und auch mit dem Judentum.“ Nun sei es „dringend“ geboten, „die Hindernisse für die Integration von mehr Vielfalt zu beseitigen“.
In demselben Beitrag sprach sich auch die SPD-Politikerin Kerstin Griese gegen eine Grundgesetzänderung aus: „Unser Begriff von Religionsfreiheit in unserem Grundgesetz ist ja, wie ich finde, ein sehr guter.“ FDP-Mann Stefan Ruppert sagte, er habe „manchmal den Eindruck, die Religionsfreiheit ist eines der eher stärker bedrohten Grundrechte“.
Willems plädiert dafür, in Schulen „Grundkompetenzen“ zum Thema Religion zu vermitteln. „Ich glaube, neben dem konfessionellen Religionsunterricht braucht es an den Schulen auch ein Unterrichtsfach, in dem Religionskunde ein wesentlicher Bestandteil ist.“ (KNA, iQ)