Bundestagswahlen 2017

Muslimische Vertreter besorgt über Wahlausgang

Erstmals seit über 50 Jahren zieht eine Partei rechts der Union in den Bundestag, die SPD stürzt völlig ab. Merkel kann Kanzlerin bleiben. Muslimische Vertreter zeigen sich besorgt.

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09
2017
Bundestag
Bundestag © flickr / CC 2.0 / Scott

Der steile Aufschwung der Rechtspopulisten bei der Bundestagswahl beschert der deutschen Politik eine historische Zeitenwende. Bundeskanzlerin Angela Merkel kann zwar voraussichtlich vier weitere Jahre regieren – aber nur mit dem größten Verlust in der Geschichte Union und möglicherweise dem Wagnis einer Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen.

Der bisherige Koalitionspartner SPD stürzt auf ein Rekordtief und strebt in die Opposition. Und die AfD triumphiert – erstmals seit 1961 sitzt nun eine rechtsextreme Partei im Parlament. Als Profiteur der Schlappe der großen Koalition wird sie drittstärkste Kraft. Die CSU will weiteren AfD-Erfolgen nun mit einem konsequenteren Rechts-Kurs begegnen.

Muslimische Vertreter zeigen sich besorgt über den Ausgang der Bundestagswahlen und dem damit zusammenhängenden Einzug der AfD in den Bundestag.

„Hand in Hand gegen Rechts“

„Der Einzug der ausländer- und islamfeindlichen AfD in den Bundestag ist ein Albtraum, aber auch eine Chance, die Demokratie zu stärken. Diese Wahl ist nicht das Ende unserer Bemühungen, sondern der Anfang“, kommentiert Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), die Wahlergebnisse.

Es liege an der Gesamtgesellschaft und an der Politik, AfD-Wähler davon zu überzeugen, dass mit rassistischem und nationalistischem Gedankengut keine Zukunft möglich sei. „Dass die Hetzer nun im Parlament sitzen, bietet eine gute Gelegenheit, ihre perfide und durchsichtige Strategie aufzudecken“, so Altaş weiter.

Die islamischen Religionsgemeinschaften müssen sich viel deutlicher als bisher in Deutschland und Europa verorten und beheimaten – in Wort und Tat. „Wir dürfen uns von niemanden einreden lassen, wohin wir gehören und wohin nicht. Wir stehen in der Verantwortung, dieses Verständnis an jedes einzelne Mitglied heranzutragen und noch stärkere Signale an die Gesamtgesellschaft zu senden“, erklärt Altaş.

„Wir alle tragen eine historische Verantwortung“

Auch der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, äußerte sich anlässlich des Wahlausgangs. „Der Ausgang der Wahlen zum Bundestag stellt eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dar. Zum ersten Mal sind Rechtsextremisten in den Bundestag eingezogen. So schrecklich diese Entwicklung auch ist, dürfen wir uns nicht von dem Ergebnis einschüchtern lassen“, erklärt Kesici.

Die AfD habe es geschafft, dass sie von ca. 6 Millionen Wählerinnen und Wählern ihre Zustimmung zu bekommen. „So erdrückend dieses Bild auch ist, stellt sie eine neue gesellschaftliche Herausforderung dar, die Protestwähler von den hetzerisch-rhetorischen Verlockungen führender Kräfte der AfD-Politiker zu befreien und ihnen die Realität in Deutschland näher zu bringen. Hier sind vor allem auch Muslime gefordert“, so Kesici.

Von den etablierten Parteien im zukünftigen Bundestag erwarte man, auch keine einzige islamfeindliche oder xenophobe Äußerung im Bundestag zu erdulden, sondern gleich von Beginn an klare Kante zu zeigen. „Wir alle tragen die historische Verantwortung, unter Beweis zu stellen, die richtigen Lehren aus der dunklen Phase der Vergangenheit gezogen zu haben“, betonte Kesici.

„Muslime sind stark verunsichert“

Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, äußerte sich zu den Ergebnissen der Bundestagswahlen. „Wir Muslime sind stark verunsichert“, sagte Mazyek. „Es gibt nicht wenige, die Angst haben vor den Entwicklungen.“ Damit meine er etwa Übergriffe auf Muslime, aber auch eine niedriger gewordene Hemmschwelle für Äußerungen, die gegen Muslime oder Minderheiten gerichtet seien. Früher habe man sich geschämt, gegen Minderheiten zu „hetzen“ – das sei mittlerweile nicht unbedingt mehr so. Mazyek sagte, er vermisse eine gesellschaftliche Ächtung solcher Äußerungen. „Die AfD setzt die Axt an unsere freiheitliche Demokratie an.“

Es gelte nun, sich mit dem Menschenbild der AfD auseinanderzusetzen: eine Verachtung von Minderheiten, mangelnde Solidarität und eine Spaltung der Gesellschaft, sagte Mazyek. Zudem müsse deutlich gemacht werden, dass man Ängste der Bevölkerung nicht ignoriere. Politiker anderer Parteien dürften zudem nicht „AfD-Rhetorik nachplappern“, sondern sollten zusammenstehen. (KNA, dpa, iQ)

Leserkommentare

Manuel sagt:
Und wo ist der Unterschied zur türkischen AKP, ich bin auch darüber besorgt, wenn eine islamistisch-nationalistische Partei aus der Türkei eine Diktatur macht!
25.09.17
18:11
Kritika sagt:
L.S. Der Berichgeber berichtet: « - - - sagte Mazyek, "Es gibt nicht wenige, die Angst haben vor den Entwicklungen.“ Damit meine er etwa Übergriffe auf Muslime - - -» -------- Kritika rät: Muslime, welche Angst vor Übergriffe haben, sollen sich normal kleiden; keinesfalls Provozieren oder Missionieren mit Hilfe des Kopftuchs, welches die übergrosse Mehrheit verachtet. In Deutschland gibt es über hundert friedliche (mit Ausnahme des Islam) Religionen und Sekten. Alle kommen ohne sichtbare SektenZeichen aus (mit Ausnahme des Islam). Es ist deshalb den Muslims ebenfalls zuzumuten, ohne sichtbares Zeichen zB Koptuch in der Öffentlichkeit auszukommen. MuslimFrauen haben die Wahl zwischen Belästigen der Bevölkerung mit KopftuchSturheit, verbunden mit AngriffsGefahr einerseits und Hijab-los aus Rücksicht auf GastlandGefühle, ohne AngriffsGefahr anderseits. Wen eine MuslimFrau die Option « Belästigen der Bevölkerung mit KopftuchSturheit verbunden mit AngriffsGefahr » wählt, sollte sie (wenn sie tatsächlich ihres Kopftuchs wegen belästigt wird ) bedenken, dass sie die Belästigung einfach hätte vermeiden können. Kritika findet Angriffe auf KopftuchFrauen verwerflich. Kritika findet Belästigen der Bevölkerung durch KoptuchSturheit auch verwerflich. Kritika findet Selbstjustiz ebenfalls verwerflich. Gruss, Kritika
26.09.17
0:06
Dilaver sagt:
Bin selber Muslim. Und als solcher sehe ich den Einzug der AfD in den Bundestag als eine göttliche Prüfung, von der ich überzeugt bin, dass wir sie überstehen werden. Denn unser Iman sowie unser Vertrauen auf Gott sind stärker als jegliche Einschüchterungsversuche der AfD und Konsorten. Wir als Volk haben gewählt und damit unsere Schuldigkeit getan. Jetzt sind die Politiker an der Reihe, Verantwortung zu übernehmen und sich Gedanken zu machen. Wir werden nach wie vor unser Leben weiterleben, unseren Alltagspflichten nachgehen und selbstverständlich Gott dienen.
26.09.17
0:30
Frederic Voss sagt:
Die AfD-Partei möchte lediglich wachsende politische Islam-Einflußnahme mit Umgestaltung deutscher und europäischer Kultur eindämmen. Auch totalitären Religionsideen soll stärker ein Riegel vorgeschoben werden. Dafür sollten Koranfreunde doch Verständnis haben. Das ist noch sehr verträglich und höchst tolerant, verglichen mit den weitreichenden, radikalen Anti-Islam-Gesetzen in China. Dort will man islamischen Terror, religiösen Extremismus, Fundamentalismus und Separatismus verhindern. Viele Muslime wissen die Freiheiten hier - verglichen mit China - nicht zu schätzen.
26.09.17
14:13
Manuel sagt:
AfD und AKP ein und das selbe Übel!
26.09.17
18:14
grege sagt:
die warnenden Stimmen von Islamvertretern, die sich unterwürfig gegenüber Herrn Erdogan verhalten, kann man ruhigen Gewissen ignorieren. Gegenüber den chauvinistischen Tönen eines Herrn Erdogan benehmen sich die Vertreter der AFD geradezu wie Waisenknaben, die bereits jetzt mit dem Selbstzerfleischungsprozess angefangen haben. Aus dem Grund hoffe ich, dass diese Partei nur eine temporäre Erscheinung darstellt.
26.09.17
23:44
Dilaver sagt:
@Kritika Es steht niemandem zu, von einer Muslima zu verlangen, ihr Kopftuch abzunehmen.
27.09.17
12:20
Mads sagt:
@Dilaver: Dann ist die Muslimin aber besser in einem muslimischen Land aufgehoben, als hier Unruhe zu stiften mit ihrem Starrsinn und ihrem an das Mittelalter erinnernde Denken.
28.09.17
15:17
Manuel sagt:
@Dilaver: Und Ihnen steht es nicht zu überall anderen Ihre mittelalterlich-islamischen Vorstellungen aufdrücken zu wollen.
28.09.17
17:59
Kritika sagt:
An Dliaver; er schreibt an Kritika: «Es steht niemandem zu, von einer Muslima zu verlangen, ihr Kopftuch abzunehmen.» Kritika hatte geschrieben: « - - - Es ist deshalb den Muslims ebenfalls zuzumuten, ohne sichtbares Zeichen zB Koptuch in der Öffentlichkeit auszukommen. » Diese Bemerkung, vom Recht auf freie Meinungsäusserung geschützt, steht jedermann in Deutschland zu. Auch Ihnen, auch Kritika, Period. In Gottesstaaten mag das anders aussehen; deshalb möge Allah - und unsere Politiker - verhüten, dass aus Deutschland jemals ein Islamischer Staat wird. Gruss, Kritika
30.09.17
15:29
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