In Deutschland leben mehr als fünf Millionen Muslime. Wie viele kennen Sie? In der neuen Serie stellen wir querbeet Menschen vor, die eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind Teil der Umma Deutschlands. Heute Amina Luise Becker.
Amina Luise Becker, geb. 1939 in Köln, führt ein spannendes Leben. Neben Jura studierte sie auch Islamwissenschaften und ist Religionspädagogen, Buchautorin. Die religiöse Bildung der muslimischen Jugendlichen ist ihr ein besonderes Anliegen. Die konvertierte Muslimin ist zweifache Mutter und gehört zu den Personen der ersten Stunde. Sie hat zusammen mit ihrem Ehemann Akgün Erbakan viele islamische Gemeinden mitbegründet. Dadurch hat sie die Umma Deutschlands mitgeprägt und den Weg für viele junge MuslimInnen geebnet. Im Interview lernt ihr sie kennen: Amina Luise Becker.
IslamiQ: Sie sind Juristin, Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin, Buchautorin, und vieles mehr. Haben Sie sich bewusst für diese Berufswege entschieden?
Amina Luise Becker: Nein, das hat sich gemäß den Ereignissen in meinem Leben so ergeben. Bewusst habe ich mich für Theologie entschieden. Pädagogik kam hinzu als ich mich einmal im Religionsunterricht in Moscheen umgesehen hatte und feststellen konnte, dass es sich dabei um Katechese handelte, dargeboten in Frontalunterricht. Es war die gleiche Unterrichtsmethode wie ich sie aus islamischen Ländern kannte, hier aber unter anderen Umständen. Die Inhalte sollten von der Schülerschaft möglichst wortgetreu wiedergegeben werden, wodurch sie das Vorgetragene übernahmen, aber bewusstes Lernen heißt ja verstehen, was Reflexion voraussetzt. Die Lernenden verstanden nicht warum sie etwas tun oder lassen sollten, nur dass sie es tun bzw. lassen sollten. Bücher mit islamischer Fachdidaktik gab es damals nicht, also mussten sie erst entwickelt werden. Darum Pädagogik.
Universitär brachte mich das Studium aber nicht sehr weit, es bedurfte einer spezifisch islamischen Fachdidaktik die auf der Pädagogik des Koran und der verlässlichen Sunna aufbaut. Ich gründete das IPD, ein privates Institut für Pädagogik und Didaktik, begann mit Interessierten Ausbildungsgänge zur muslimischen Fachdidaktikerin anzubieten und durchzuführen.
IslamiQ: Haben Sie es je bereut diesen Berufsweg zu gehen?
Becker: Nein, nur würde ich heute gleich mit Theologie und Pädagogik beginnen. Aber „viele Wege führen nach Rom“, heißt es, meine führten mich erst einmal hinaus aus Deutschland und das war gut so. Ich fühle mich seitdem lebenslang auf dem Weg.
IslamiQ: Können Sie sich an eine Situation erinnern, in der Sie erstmals mit der Identitätsfrage konfrontiert waren?
Becker: Ja, es ist lange her, als ein kleiner türkischer Junge mir und meiner Freundin zuhörte, wie wir uns in deutscher Sprache unterhielten. Er fragte, „bist du deutsch?“. Nachdem ich bejahte, fragte er weiter: „Warum trägst du dann Kopftuch?“.
Nationalität ist für mich keine Größe. Ich habe noch das Ende des Naziregimes bewusst und schmerzlich miterlebt. Seitdem – so dachte ich jedenfalls – wäre Deutschland vom nationalen Wahn geheilt. Es scheint, ich habe mich geirrt, aber da sind wir natürlich nicht allein. Was soll man mit dem Satz anfangen: „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“, oder ein Franzose oder Russe usw. Das sagt doch nichts aus.
Befragt man die Geschichte, von der Antike bis in die jüngere Vergangenheit, findet man wenig bis keine Gründe, um stolz auf irgendeine Volkszugehörigkeit zu sein. Nationalismus trägt m. E. bereits den Keim von Gegnerschaft, ja von einem Antigefühl gegenüber anderen Völkern und Gruppen in sich. Konkurrenz anstatt Kooperation. Der islamischen Lehre ist das in besonderem Maße fremd.
IslamiQ: Welche Hobbies haben Sie, wie gestalten Sie ihre Freizeit am liebsten?
Becker: Meine Hobbies und meine Arbeit verschmelzen meistens ineinander. Ich schreibe gerne, feile an Ideen. Lesen und Zuhören gehört natürlich grundsätzlich dazu. Meine wirkliche freie Zeit ist knapp bemessen. Mit meinen Lieben philosophieren, im Garten sitzen und dem Plätschern des Brunnens lauschen, Vögel und den Eichhörnchen zuschauen, die sich dort angesiedelt haben. Das ist schon mehr als Hobby, eher Glück.
IslamiQ: Lieblingsbuch? Lieblingsfilm?
Becker: Bücher viele. Ich lese meistens mehrere zusammen; zur Zeit von David Precht „Wer bin ich und wenn ja wie viel“, von David Landes „Warum die einen reich und die anderen arm sind“ und von Thomas Bauer, „Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams“. Ich war seit Jahren nicht im Kino, zu Unterhaltungsfilmen habe ich keine Beziehung, wenn schon Filme, müssen sie sozialkritisch sein. Vielleicht als Beispiel „Der Club der toten Dichter“ mit Robin Williams.