Die Moscheestudie des österreichischen Außenministers Kurz heizt die Gemüter nach wie vor auf. Warum mit ihr nur ein künstlich erzeugter Diskurs über Muslime erzeugt werden soll, erklärt Rami Ali.
Rechtzeitig vor den Nationalratswahlen am 15. Oktober wird eine neue Studie veröffentlicht. Der Titel des Berichts lautet: „Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess“. Das „Forschungsobjekt“ ist auch dieses Mal „der Islam“, ebenso heißt auch diesmal der Auftraggeber Sebastian Kurz. Schon bei der Ankündigung der Pressekonferenz war vielen klar, was das Ergebnis der Studie sein würde: ein künstlich erzeugter und von ideologisch motivierten Personen dominierter Diskurs über Muslime. Der politische Missbrauch einer solchen Studie ist also schon durch den Auftraggeber prädestiniert, der vermehrt versucht, das „Integrationsproblem“ zu konfessionalisieren, in diesem Fall, zu islamisieren. Des Weiteren ist schon beim Betrachten der Autoren der Studie klar, in welche Richtung diese gehen wird.
Beide Autoren, Heiko Heinisch und Imet Memedi, haben mit dem Institut für islamische Studien, dessen Vorstand Ednan Aslan ist, direkt zu tun. Herr Heinisch ist nach wie vor Mitarbeiter am Institut. Imet Memedi war bis vor kurzem am Institut tätig. Bezeichnend aber nicht überraschend ist die Tatsache, dass beide auf der Institutshomepage nicht aufgelistet werden. Besonders problematisch ist hier die Tatsache, dass das Institut für islamische Studien vermehrt politische Aufträge für „Studien“ entgegennimmt und dabei – wie man auch bei der letzten Studie aus dem Haus vernehmen konnte – wissenschaftlich unsauber arbeitet. Eine dieser „Studien“, die sogenannte „Kindergartenstudie“, befindet sich aufgrund der berechtigterweise aufgezeigten Mängel, in einem universitäts-externen Prüfungsverfahren.
Dass genau die „Kindergartenstudie“ – neben anderen fragwürdigen Studien, etwa dem „Moscheereport“ von Constantin Schreiber – in der neuen Studie von Heinisch zitiert wird, könnte als Indiz für die Befangenheit des Autors im Hinblick auf Publikationen des Instituts für Islamische Studien gewertet werden. (Tatsächlich finden sich insgesamt vier Werke von Ednan Aslan im Literaturverzeichnis – mehr als von einem anderen Autor). Ebenso erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Herr Heinisch sich im Umfeld von Leuten wie Saida Keller-Messalhi, Zana Ramdani, Hamed Abdelsamad und Ahmed Mansour bewegt.
Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass Menschen, die eine gewisse Agenda verfolgen, dennoch wissenschaftlich sauber arbeiten können. Dem stimme ich prinzipiell zu. Auch in den Sozialwissenschaften wird unterstrichen, dass die eigene Rolle, die eigene Befangenheit immer im Prozess des Forschens zu berücksichtigen ist. Dies trifft vor allem auf die teilnehmende Beobachtung zu, eine Methode, die in der Studie verwendet wurde. Die Frage die sich für mich hier stellt, ist ob der Autor, trotz finanzieller Abhängigkeit und einem klaren politischen Auftrag, sich mit seiner eigenen Befangenheit kritisch auseinandergesetzt hat um zu brauchbaren Analysen und Interpretationen der Beobachtungen zu kommen. Unabhängig wie man diese Frage beantworten möchte/kann, bleibt uns die Möglichkeit, die Studie für sich zu betrachten. Hierbei fallen relativ schnell einige Probleme auf.
Heiko Heinisch hat für seine Studie die Freitagspredigten in insgesamt 16 Moscheen auswerten lassen. 38% dieser Moscheen attestiert er dann – anhand eines selbst entworfenen Modells zur Messung der Integration – eine „aktive Arbeit gegen Integration“.
Spannend ist dabei, dass der Autor selbst (S. 21) betont, dass die Studie im sozialwissenschaftlichen Sinne nicht repräsentativ ist, da die Moscheenlandschaft und Freitagspredigten viel zu heterogen sind. Deshalb habe man sich für einen qualitativen Zugang entschieden.
„Aufgrund der Größe und der Komplexität der Wiener Moscheelandschaft und des budgetierten Rahmens hat die Studie einen explorativen Charakter. Sie ist nicht repräsentativ. Vielmehr konzentrierte sich die Untersuchung, ausgehend vom Thema „Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess“, auf Moscheen mit großer Reichweite.“
Ihm ist anzurechnen, dass er hier selbst auf die mangelnde Repräsentativität hinweist. 16 Moscheen als Sample für 400 Moscheen in Österreich herzunehmen, ist selbstverständlich dürftig, aber, je nach Forschungsdesign, in den qualitativen Sozialwissenschaften, zulässig. Problematisch ist hier aber vor allem ein selektives Vorgehen beim Auswählen der Moscheen, nämlich jenen „mit der größten Reichweite“. Darüber hinaus weiß natürlich Heiko Heinisch, dass das, was von einer 91-seitigen Studie in der Öffentlichkeit übrigbleibt, das Resümee (38% arbeiten gegen Integration) ist. Sebastian Kurz meinte in der Pressekonferenz, man dürfe Muslime deshalb nicht unter Generalverdacht stellen und suggeriert damit, dass die Studienergebnisse wissenschaftlich relevant seien. Dem ist, bei einer derartig kleinen und selektivem Sample nicht so.
Weiteres werden am Anfang der Studie Fragestellungen definiert, anhand welcher die Beobachtung stattfinden sollten. Einige dieser Fragen sind in hohem Maße suggestiv und eigenen sich deshalb nicht dafür, eine objektive Betrachtung durchzuführen, vor allem auch deshalb, weil sie Begriffskonzepte voraussetzen, die von den Autoren festgelegt und nach eigenem Empfinden definiert werden, wie etwa bei Frage 6: „Werden in Moscheen theologische Inhalte verbreitet, die als Grundlage des Fundamentalismus betrachtet werden können?“
Was die Autoren alles unter „Fundamentalismus“ verstehen, fassen sie bei der Beantwortung der Frage auf S. 73 zusammen:
„Als Grundlage fundamentalistischer Ansichten wurde gewertet, dass religiös begründete Abwertungsideologien (gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, der Demokratie, DEM Westen, Anders- oder Nichtgläubigen), eine antimoderne Grundeinstellung und Intoleranz gegenüber anderen Weltanschauungen und Lebensweisen verbreitet werden, für eine weltweite „Gemeinschaft der Gläubigen“, für islamische Überlegenheit und einen islamischen Führungsanspruch geworben wird. Anhand der erhobenen Daten aus beobachteten Predigten, Interviews und Online-Auftritten kann diese Frage für fünf der untersuchten 16 Moscheen mit ja beantwortet werden: Pa01, S01 sowie drei der sechs türkischen Moscheen (Ta01, Ti02, Tf01). Wobei der Grad fundamentalistischer Tendenzen zwischen den einzelnen Moscheen stark variiert.“
So wird der historisch, kulturell und religiös gewachsene Begriff „Umma“ (hier: Gemeinschaft der Gläubigen) als Teil von fundamentalistischen Ansichten gesehen. Es bleibt auch offen, was unter „anti-modern“ verstanden werden soll.
Bei Frage 4 wird gefragt, ob die Angebote der Moschee zum „Verbleiben im eigenen Sozialverband und tragen zur Stärkung oder Bewahrung der eigenen ethnischen, religiösen und kulturellen Identität“ beitragen. Es ist auch hier problematisch, Konzepte wie ethnisch, religiös und kulturell innerhalb einer Frage zusammenzufassen, scheinbar um die Zahl der Beobachtungen nach oben zu treiben.
Frage 3 beschäftigt sich mit dem Grad der Rolle für Integration/Segregation: „Tragen in Moscheen verbreitete Inhalte und Einstellungen zur Integration oder zur Segregation bei?“
Selbst aus der Perspektive qualitativer Sozialforschung ist diese Frage – die in dieser Studie zentral ist und auf der ein großer Teil der Interpretation basiert – höchst problematisch. Dieser Punkt ist für die Kritik an der Studie von besonderer Bedeutung.
Moscheen werden nicht „integriert“, Aussagen auch nicht, sondern im besten Falle integrieren sich Menschen. Es geht bei dieser Studie darum, herauszufinden, inwiefern Moscheen zur Integration beitragen. Diesen „Grad“ an Integration kann man sinnvoller Weise also nur dann messen, wenn man auch jene befragt, um die es geht. Ansonsten macht eine solche Überprüfung weder aus der Perspektive der Vernunft, noch aus der Perspektive qualitativer Sozialforschung einen Sinn. Die Autoren haben einige der Imame interviewt, um deren Aussagen es geht. Allerdings wurde kein einziger Moscheebesucher gefragt. Wenn ich aber wissen möchte, inwiefern Aussagen zur Integration/Segregation beitragen, dann muss ich selbstverständlich mit jenen sprechen, an welche diese Aussagen gerichtet sind.
Heiko Heinisch bewertet mit der Studie also – nach eigenen Maßstäben – bestenfalls die Aussagen von Predigern, keinesfalls aber die Rolle dieser Predigten im Integrationsprozess, geschweige denn die Auswirkungen dieser auf den individuellen Integrationsprozess.
Selbst beim Literaturverzeichnis entsteht der Eindruck einer sehr selektiven Wahl der zugrunde liegenden Werke. Man kann über das Auslassen zentraler Werke zum Themenkomplex Islam in Österreich diskutieren – dies vermag meiner persönlichen Meinung zugrunde liegen. Es scheint mir jedoch hinterfragungswürdig, warum kaum ein Werk aus der Disziplin der Islamwissenschaften angeführt wird, sollte doch auch diese Perspektive essentiell für die Interpretation und Analyse der Beobachtungen sein. Oder doch nicht?