Österreich

Konservative und Rechtspopulisten auf Koalitionskurs

Das ging schnell: Österreichs Wahlsieger Sebastian Kurz hat sich schon gut eine Woche nach der Wahl für die rechte FPÖ als möglichen Bündnispartner entschieden.

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10
2017
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Bundesdienstflagge der Republik Österreich auf dem Parlamentsgebäude © by J Alexander Johmann auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

In Österreich sind die ersten Weichen für ein künftiges Regierungsbündnis zwischen konservativer ÖVP und rechter FPÖ gestellt. Die Konservativen und die Rechtspopulisten verabredeten den Beginn von Koalitionsverhandlungen. Die Verhandlungsteams sollen sich nach Angaben von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache bereits am Mittwoch treffen. Beide Seiten gaben sich betont selbstbewusst.

„Es soll niemand glauben, dass wir es der ÖVP leicht machen“, kündigte Strache an. Eine Regierungsbeteiligung sei für die FPÖ kein Selbstzweck. Die Gespräche, die ohne Zeitdruck geführt werden sollten, könnten auch scheitern. Am Anfang müssten beide Parteien erst einmal einen Kassensturz machen.

Der 31-jährige Wahlsieger Kurz hatte die FPÖ zuvor offiziell zu Koalitionsgesprächen eingeladen. Bei der FPÖ sei trotz mancher inhaltlicher Unterschiede zu den Konservativen ein starker Gestaltungswille zu spüren, meinte Kurz am Dienstag. „Österreich hat sich eine rasche und schnelle Regierungsbildung verdient.“

Zugleich nannte er einen „anderen Stil“ in der Politik, die Kraft zu nötigen innenpolitischen Veränderungen sowie eine klare proeuropäische Ausrichtung einer künftigen Regierung als Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss von Koalitionsverhandlungen. Der ÖVP-Chef verzichtete in seiner kurzen Rede darauf, das Wahlkampf-Thema Migrationskrise zu strapazieren.

FPÖ fordert Amt des Innenministeriums

Die FPÖ legte die Latte auch für das Klima der Verhandlungen hoch. „Wir erwarten ein Verhandeln in einem Klima des Respekts, des gegenseitigen Vertrauens und auf Augenhöhe“, betonte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Nur so ein Verfahren gewährleiste ein tragfähiges Fundament für eine künftige Zusammenarbeit.

Die FPÖ hat als bisher einzige Koalitionsbedingung das Amt das Innenministers gefordert. Das könnte Strache selbst übernehmen. Außerdem wollen die Freiheitlichen die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild ausbauen.

Es wäre die dritte Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen, die vor rund 30 Jahren mit der sozialdemokratische SPÖ und vor 15 Jahren mit der ÖVP ein Bündnis auf Bundesebene gebildet hatten.

„Demonstrationen gegen ÖVP-FPÖ-Regierung“

Mehrere antifaschistische Gruppen kündigten am Dienstag ihren Widerstand im Fall einer ÖVP-FPÖ-Regierung an. „Es wird auch Proteste auf der Straße geben“, sagte Alexander Pollak von der Organisation SOS Mitmensch. Er machte auf angebliche Verstrickungen der Freiheitlichen in „Rechtsextremismus und neonazinahe Kreise“ aufmerksam. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) betonte, dass fast die Hälfte der 51 FPÖ-Abgeordneten aus Kreisen völkisch gesinnter Burschenschaften stamme.

Gemeinsamkeiten von ÖVP und FPÖ sind unter anderem der Wille, die illegale Migration auf Null zu begrenzen, die Zuwanderung in die Sozialsysteme weniger attraktiv zu machen sowie eine Steuersenkung speziell für untere Einkommen.

Die Sozialdemokraten unter dem amtierenden Kanzler Christian Kern hatten zuvor entschieden, sich auf die Oppositionsrolle einzurichten. In den 72 Jahren seit 1945 waren die Sozialdemokraten nur rund zehn Jahre nicht in der Regierung. Die Partei schloss nicht aus, die ÖVP in einer Minderheitsregierung zu unterstützen. Auch Kurz ließ sich diese politische Hintertür offen. Ein Koalitionsvertrag müsse die von ihm skizzierte Handschrift haben. „Wenn das nicht möglich ist, ist eine Minderheitsregierung definitiv eine Variante.“

Kurz steht dem von der FPÖ geforderten Ausbau der direkten Demokratie positiv gegenüber, plädiert aber für eine „behutsame“ Nutzung von Volksabstimmungen. „Die Regierung soll nicht versuchen, Verantwortung an die Bevölkerung abzugeben, um selbst keine Entscheidung treffen zu müssen. Aber es muss für die Bevölkerung auch Möglichkeiten geben, Einspruch einzulegen“, sagte Kurz dem Magazin „Profil“.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen will inhaltliche wie personelle Vorschläge der Koalitionspartner genau prüfen. Österreichs Präsident hat nach Wahlen zumindest theoretisch freie Hand bei der Nominierung des Kanzlers und darf Minister ablehnen, die er für ungeeignet hält.

Bei der Wahl am 15. Oktober hatte die ÖVP 31,5 Prozent erzielt – ein Plus von 7,5 Prozentpunkten. Auf Platz zwei kam die SPÖ mit 26,9 Prozent, die damit ihren Negativ-Rekord von 2013 bestätigte. Die FPÖ erreichte mit 26 Prozent ein Plus von 5,5 Prozentpunkten. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@"Die Akte Strache" (Teil 1+2) ("Süddeutsche Zeitung") -- Die lange (Neo-Nazi)Jugend des HC Strache. Wie ich bereits zu einem anderen Artikel zu Österreich sagte, mit Hinweis auf unter @ erwähnten Zeitungsartikel: Kommt es zu dieser Koalition, dann wäre das in der europäischen Nachkriegsgeschichte eine Zäsur" Erstmals würde in einer westeuropäischen Demokratie ein ehemaliger Neo-Nazi (mit)regieren. Aber das muss bei Österreich nicht verwundern. Rassismus und Rechtspopulismus wurden dort in den letzten 20 Jahren nicht entschieden bekämpft. Im Gegenteil: Die ÖVP legte sich ja schon mal ins Bett mit den Rechtspopulisten (der ÖVP-Schüssel und der fesche FPÖ-Haiders Jörg). So haben sich die Österreicher an Rassismus und Rechtspopulismus gewöhnt und finden mittlerweile nix mehr dabei. Die Wahl ist eine Schande für Österreich! Und die Koalition zwischen dem smarten und völlig prinzipienlosen Sebastian Kurz und Ex-Neo-Nazi Strache ist es erst recht! Aber wie gesagt, das stört die Österreicher schon lange nicht mehr....
27.10.17
22:05
Ute Fabel sagt:
Dieses bevorstehende Regierungsbündnis macht mich als Österreicherin sehr unglücklich. Ich war kürzlich mit syrischen Flüchtlingen wieder im Wiener Burgtheater. Das halte ich für einen viel patriotischeren Akt zur Pflege der deutschen Kultur als beispielsweise die völlig unauthentische Hochzeit des FPÖ-Vorsitzenden und Wieners HC Strache im Trachtenanzug. Nicht einmal vor hundert Jahren haben sich in Ostöstereich die Bauern so anzogen. Wenn sich ein Großstädter des 21. Jahrhunderts in ein solches Outfit wirft und damit Heimatliebe ausdrücken will, entspricht das genau der intellektuellen Seichtheit seiner Partei.
28.10.17
7:07
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Kommt in Deutschland auch noch, wenn die Linke nicht endlich anfängt auch kritisch über den islam zu diskutieren.
02.11.17
18:30