Martin Luther hasste Juden und Muslime, von den Bauern grenzte er sich deutlich ab – passt er dennoch in die Moderne? Der Präsident des Humanistischen Verbands hat dazu eine klare Meinung.
Martin Luther ist nach Ansicht des Philosophen Frieder Otto Wolf keine Vorbildfigur. Der Reformator habe sich zu Lebzeiten von den Bauern abgegrenzt und einen starken Hass auf Juden und Muslime verspürt. „Das ist ein identitäres Gebräu, das in vielen Bereichen auch damals schon reaktionär gewesen ist“, sagte der Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands der Deutschen Presse-Agentur. Luther sei für ihn daher kein „Pionier der Moderne“.
Wolf kritisiert in diesem Zusammenhang die Fokussierung auf Luther rund um das Reformationsjubiläum. „Das jetzt nur noch Luther da auftaucht, ist historisch sehr verwunderlich“, sagt Wolf. Er halte es für „völligen Unfug“, die moderne protestantische Kirche nur auf Luther zurückzubeziehen.
Am 31. Oktober jährt sich Luthers Thesenanschlag an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg zum 500. Mal. Im Vorlauf zu diesem Jubiläum hatte die evangelische Kirche die Lutherdekade ausgerufen, auch im laufenden Jubiläumsjahr stand Luther beim Gedenken an die Reformation meist im Mittelpunkt. So wurde etwa die an ihn angelehnte Playmobil-Figur mehr als eine Millionen Mal verkauft und diente oft als Symbolbild für das Reformationsjubiläum.
Luther habe im Übergang zur Neuzeit durchaus viele Impulse gegeben, vor allem was die Entwicklung der deutschen Sprache und der deutschen Identität angehe, sagt Philosophie-Professor Wolf. Im Gesamtbild sei er mit seinen Ängsten und seinem Hass aber eine „widersprüchliche Übergangsfigur“ – und genau das hätte man mehr thematisieren müssen. „Das ist unverträglich mit diesem identifikatorischen Umgang mit Luther, der diese ganze Lutherdekade geprägt hat“, sagt Wolf.
Luther wurde in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder als Identifikationsfigur genutzt. Im 17. und 18. Jahrhundert galt der Reformator vor allem als rettender Kirchenlehrer, Anfang des 19. Jahrhundert als Aufklärer. Mit der Entstehung des Deutschen Kaiserreichs 1871 habe sich Luther dann als deutscher Nationalheld stärker durchgesetzt, schreibt etwa die Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg in einem Beitrag zum Reformationsjubiläum. Auch die Nationalsozialisten beanspruchten Luther für sich.
Ihn dem Zeitgeist entsprechend auch als modernen Weltbürger und Europäer zu verstehen, ist nach Wolfs Ansicht aber nicht möglich: „Da hat er so viel dagegen gearbeitet, dass ist auch meiner Sicht ja gerade das Reaktionäre an ihm. Auch damals schon.“ (dpa, iQ)