Nordrhein-Westfalen

Kein Anspruch auf Islamunterricht

Der Islamrat und der ZMD haben keinen Anspruch auf eine allgemeine Einführung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) heute entschieden.

09
11
2017
OVG-Münster entscheidet über Islamunterricht
OVG-Münster entscheidet über Islamunterricht

Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime in Deutschland sind auch weiterhin nicht als Religionsgemeinschaften anzusehen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am Donnerstag in einem Revisionsverfahren. Danach hätten sie auch keinen Anspruch auf einen allgemeinen islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nach ihren Grundsätzen, hieß es. Eine weitere Revision ließ das Gericht nicht zu.

Ausschlaggebend für die Entscheidung war nach Angaben des Vorsitzenden Richters insbesondere, dass in beiden Dachverbänden laut deren Satzung eine reale Durchsetzung von religiösen Lehrautoritäten bis in die untersten Ebenen der Mitgliedsverbände und Moscheegemeinden hinein nicht gegeben sei.

Hinzu komme, dass der Zentralrat nicht als zuständig angesehen werde, identitätsstiftende Aufgaben wahrzunehmen. Beide Kriterien waren zuvor vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig als notwendig für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaften formuliert worden.

„Entscheidung ist nicht das Ende unserer Bemühungen“

„Die Entscheidung des Gerichts ist bedauerlich. Der Senat hat mit seinem Urteilsspruch die Chance verpasst, den islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen auf juristisch solide Beine zu stellen“, erklärt Burhan Kesici, Vorsitzendes des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland e.V., anlässlich der Entscheidung des OVG Münster. Das aktuelle Beiratsmodell stehe verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis und sei allen voran ein politisches Konstrukt ohne Gewähr auf Dauerhaftigkeit.

„Nichtsdestotrotz bedeutet diese Entscheidung nicht das Ende unserer Bemühungen, weiter konstruktiv an der dauerhaften Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts zu arbeiten. Wir werden uns auch in Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen an diesem Prozess beteiligen“, so Kesici. Ein positiver Richterspruch hätte die bereits überfällige Institutionalisierung der islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland beschleunigen können.

Kesici zufolge habe der Senat die Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht hinreichend gewürdigt. „Weder wurde das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten über die Islamische Religionsgemeinschaft NRW e.V. berücksichtigt, noch wurden Sachverständige gehört“, so Kesici weiter.

20-jähriger Rechtsstreit geht voraus

Dem Urteil geht ein fast 20-jähriger Rechtsstreit voraus. Bereits 1998 hatten Islamrat und Zentralrat der Muslime gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Einführung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen geklagt. In mehreren Instanzen – darunter auch am OVG Münster – war ihnen aber der Status der Religionsgemeinschaft abgesprochen worden. Schließlich hob das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig ein OVG-Urteil auf und verwies den Fall nach Münster zurück. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Dilaver sagt:
Die Begründung des Gerichts ist sowas von fadenscheinig und absurd, dass es nicht der weiteren Kommentierung bedarf. Sowohl der Islamrat als auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland sind islamische Religionsgemeinschaften, weil sie die Aufgaben einer Religionsgemeinschaft wahrnehmen. Das ist Fakt und unabstreitbar. Punkt. Dafür braucht es keine Bestätigung durch ein Gerichtsurteil. Wer das in Abrede stellt, der ist auf dem Holzweg. Das Gerichtsurteil hat daher keinerlei Verbindlichkeit.
09.11.17
15:47
Rerun sagt:
Sehr gut. Jetzt noch den Religionsunterricht durch einen religions- und weltanschauungsübergreifenden Ethikunterricht ersetzen. Dann hätten alle etwas gewonnen.
09.11.17
15:50
Dilaver sagt:
Die Forderungen nach Vereinheitlichung sind unhaltbar. Das entspricht auch nicht der islamischen Entwicklungsgeschichte. Pluralität hat es unter Muslimen schon immer gegeben. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist ein Zusammenschluss mehrerer kleiner islamischer Dachverbände (darunter auch Aleviten und Schiiten). Der Islamrat ist ähnlich zusammengesetzt, bloß dass hier auch größere Dachverbände wie die IGMG organisiert sind. Allen gemeinsam ist, dass sie aus dem Bedürfnis nach muslimischer Selbstorganisation hervorgegangen sind, um die islamische Glaubensgemeinschaft zu pflegen. Diese Pluralität aufzuheben wird komischerweise nur in Deutschland gefordert. Das ist aber nicht machbar. Die islamischen Religionsgemeinschaften müssen allerdings aufpassen, dass das System sie nicht gegenseitig ausspielt. Denn dadurch will das System nur Zeit für sich gewinnen.
09.11.17
16:09
Johannes Disch sagt:
Ein sehr gutes und richtiges Urteil. ZMD und Islamrat sind keine Religionsgemeinschaften, sondern politische Interessenvertreter. Die konfessionelle Vielfalt des Islam macht eine alleinige Vertretung auch völlig unmöglich. Der Islam kennt keine Kirche und deren Institutionalisierung, wie sie das Christentum kennt.
09.11.17
18:55
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (Ihr Post vom 9.11.17, 16:09 -- "Das Gerichtsurteil hat daher keinerlei Verbindlichkeit." (Dilaver) Das sind Sie aber gewaltig auf dem Holzweg! Gerichtsurteile sind bei uns sehr wohl verbindlich und können nur durch eine höhere gerichtliche Instanz aufgehoben werden.
09.11.17
19:30
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (Ihr Post vom 9.11.17, 16:09) -- Die Forderungen nach Vereinheitlichung sind unhaltbar. Das entspricht auch nicht der islamischen Entwicklungsgeschichte." (Dilaver) Ganz meine Rede. -- "Diese Pluralität aufzuheben wird komischerweise nur in Deutschland gefordert." (Dilaver) Das liegt erstens daran, dass die Deutschen nur in Institutionen denken können. Und zweitens daran, dass die deutschen Politiker keinen blassen Schimmer vom Islam haben und auch keinen bekommen wollen. Die wollen nur schöne Bilder für die Medien und ein paar flotte Sprüche für das Mikrofon von Claus Kleber im "Heute Journal." Ein Konzept für eine Migrations-und Integrationspolitik? In Deutschland auch 20 Jahre nach der ersten "Leitkultur-Diskussion" noch immer nicht vorhanden. Das intellektuelle (Un)Vermögen unserer Regierenden, ihr Unwille, etwas dazuzulernen und ihr Unwille zur Gestaltung auf Sicht werden immer deutlicher. Wie schlecht es um die Kenntnisse deutscher Politiker an entscheidenden Stellen bestimmt ist, das können sie folgender Anekdote entnehmen, die ich persönlich erlebt habe. Ein Verwaltungsfachmann, der mit der Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigt ist, fragte mich, der ich u.a.(in der Regel muslimische) Flüchtlinge betreue und Ihnen Sprachunterricht gebe, nach einer Ausgabe der "Scharia." Ich machte ihm deutlich, dass ich damit nicht dienen könne, da es ein Gesetzbuch namens "Scharia" nicht gibt. Man könne nicht in eine Buchhandlung gehen und die "Scharia" erwerben, so wie etwa das deutsche Grundgesetz. Ich erklärte ihm in einigen wenigen Sätzen, was die "Scharia" eigentlich ist und wie sie funktioniert: Fallrecht, Analogieschlüsse, die 4 großen islamischen Rechtsschulen, etc. Der Mann schaute mich an wie das achte Weltwunder und meinte: "Das ist aber eine eigenartige Religion." Solche Leute machen bei uns "Integration." Da muss man sich über die Zustände und Integrationsdefizite in Deutschland nicht wundern.
09.11.17
19:50
Magistrat sagt:
Wie schizophren! Einerseits wird immer schön fleißig gegen das Einheitsislam-Verständnis in der schiitischen Theokratie und im saudischen Königshaus gewettert. Der Islam sei ja so monolithisch und ach so unflexibel und überhaupt wie hinterwäldlerisch! Wenn aber die große Mehrheit der Muslime, durch den Zusammenschluss unterschiedlichster Gemeinden beweist, dass der Islam innerreligiöse Pluralität, Diversität und Meinungsvielfalt nicht nur zulässt, sondern immer schon hatte, dann ist das wiederum ausschlaggebend, um ihnen die Anerkennung zu verwehren. Was sagt uns das Gericht damit: In Deutschland werden nur kleine Islamsekten anerkannt (Ahmadiyya), und zwar lieber 50 verschiedene Sekten als anerkannte Religionsgemeinschaften, als eine Dachorganisation, die mit einer Stimme spricht. Nichts ist den "Integrationsbesorgten" und ach so neutralen Politiker hier mehr ein Dorn im Auge, als ein Islam, der vereint mit einer Stimme spricht. Nein, es muss gelten, was man auch in ihren Heimatländern betreibt: Secterian Divide! Mal sehen, wie kurz es dauert, bis die "Ibn-Rushd-Goethe-Veranstaltung" (mögen die großen Köpfe es verzeihen), mit der one-woman-show unter Ates und dem Gefolge Ourghi/Adnan/Korchide/Abdelsamed als Körperschaft mit Allvertretungsanspruch anerkannt wird. Eine Voraussetzung erfüllt sie ja schon: Den Islam verbiegen bis zum nicht mehr wiedererkennen!
09.11.17
22:40
Frederic Voss sagt:
Den ständigen islamisch begründeten Forderungen wurde hier einmal Einhalt geboten. Das islamische System kann nicht alles durchsetzen.
10.11.17
0:51
Johannes Disch sagt:
Das Urteil ist richtig. Der ZMD und der "Islamrat" sind keine (islamische) Religionsgemeinschaften, sondern politische Interessenvertreter. Es ist absurd, von diesen Verbänden, zu behaupten, sie wären eine Religionsgemeinschaft. Ismaliten, Ahmadyyia, etc. sind islamische Religionsgemeinschaften, aber nicht politische Organisationen wie der ZMD. Der islamische Religionsunterricht gehört in deutsche Hände, damit klar wird, was für ein Islam dort gelehrt wird. Dass es mit dem Islamverständnis von islamischen Organisationen und Einrichtungen nicht zum besten bestellt ist, das zeigt Schreibers "Moschee-Report."
11.11.17
13:18
grege sagt:
Muslimische Repräsentanten sollten nicht den Fehler begehen, die Schuld für dieses Urteil bei der Justiz zu suchen. Stattdessen sollte hier der Wille aufgebracht werden für organisatorische Veränderungen,die externen dem Zugang zu staatlichen Ansprechpartnern ermöglicht. Als 2. und wesentlich wichtige Voraussetzung müssen die "großen 4 Islamverbände" Verbindungen zu extremistischen Elementen kappen, was bisher nicht geschehen ist. Vorfälle über Hetzen gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen, die jüngst immer wieder aufgetreten sind, bestätigen leider das Gegenteill
11.11.17
20:33
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