Interview

„Liberaler Islam“ – Eine Worthülse ohne Inhalt

Liberale und konservative Muslime stehen sich kritisch gegenüber. Kann man eine Diskussionsbasis finden und weshalb und wie entstand der Liberalismus im Islam? Auf diese Fragen geht der Islamwissenschaftler und Philosoph Muhammad Sameer Murtaza im IslamiQ-Interview ein.

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2017
Der Islam- und Politikwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza im IslamiQ-Interview. © privat

IslamiQ: Kann der liberale Islam nicht auch als eine religiöse Interpretation gesehen werden? Oder ist er eher eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in der muslimischen Welt?

Murtaza: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man von keiner religiösen Auslegung sprechen, da sogenannte „liberale“ Muslime bisher kein einziges religiöses Werk verfasst haben, aus dem sich eine Methodologie und Theologie ableiten ließe.

Zudem ist das „liberale“ Lager heute nicht mehr monolithisch. Neben dem “Liberal-Islamischen Bund“ (LIB) kam 2015 das von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte „Muslimische Forum Deutschland, 2016 die „säkularen Muslime“ Freiburg und 2017 die „Ibn Rushd-Goethe Moschee“ als Plattform für Frau Ateş hinzu. Diese verschiedenen Gruppen streben alle danach, den gesellschaftlich positiv besetzten Begriff „liberal“ für sich zu beanspruchen.

De facto bedeutet dies, dass innerhalb von fünf Jahren aus dem sogenannten „liberalen“ Lager ein zerstrittener Haufen geworden ist, was für eine ohnehin schon sehr kleine Bewegung eine Katastrophe ist.

2016 hat sich der “LIB“ in sehr deutlichen Worten von den säkularen Muslimen abgegrenzt. In den sozialen Netzwerken empörten sich zudem LIB-Muslime, dass die „säkularen Muslime“ in den Medien als „liberale“ Muslime bezeichnet werden. Auf der einen Seite verstehe ich den LIB, der sein Anliegen vor einem Selbstdarsteller wie Ourghi schützen will. Zum anderen stellt sich aber die Frage, ob man wirklich einen Monopolanspruch auf das Wort liberal erheben kann, wenn dieser gar nicht bestimmt ist. Derzeit verabsolutieren “LIB“-Aktivisten für sich den Anspruch auf dieses kleine Wort. De facto bedeutet dies, dass innerhalb von fünf Jahren aus dem sogenannten „liberalen“ Lager ein zerstrittener Haufen geworden ist, was für eine ohnehin schon sehr kleine Bewegung eine Katastrophe ist.

Weiter müssen diese Bewegungen vor dem Hintergrund der muslimischen Frage in Europa betrachtet werden. Hierzu möchte ich die historische Parallele zur jüdischen Frage ziehen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts widmeten sich die klügsten Köpfe Europas dieser Thematik. Es setzte sich nach und nach die Überzeugung durch, dass die Diskriminierung von Juden ein Unrecht sei, doch wie sollte ihnen praktisch geholfen werden? Ein Wirrwarr an Lösungsvorschlägen wurde debattiert. Manche meinten, es sei das Beste, die Juden zurück in das Land ihrer Vorfahren zu schicken. Andere sprachen sich dafür aus, den Juden mehr wirtschaftliche Rechte einzuräumen, sodass sie ihren Lebensstandard verbessern könnten. Am Ende des 18. Jahrhunderts lautete dann die Lösung der Aufklärer, problematischen Minderheiten den Zugang zur Gesellschaft zu gestatten. Im Gegenzug wurde jedoch von den Juden erwartet, dass sie sich nun änderten und sich in kooperationswillige aufgeklärte Mitglieder der westlichen Kultur verwandeln, indem sie sich von religiösen Traditionen, die Unterschiede zur aufgeklärten Mehrheitsgesellschaft hervorheben, verabschieden. Vor diese Herausforderung gestellt, beschritt die jüdische Gemeinde verschiedene Wege. Einige waren bereit, sich für einen gesellschaftlichen Aufstieg und Akzeptanz zu assimilieren, andere beharrten darauf, dass die Mehrheiten in den europäischen Gesellschaften auch Raum für die Minderheiten lassen müssten. In den folgenden 300 Jahren wurde in der Mehrheitsgesellschaft erbittert über die Anerkennung der jüdischen Minderheit gestritten.

Das klingt für muslimische Ohren in Deutschland nicht unvertraut. Der sogenannte „liberale Islam“, wie er vom „Muslimischen Forum Deutschland“ und den „säkularen Muslimen“ propagiert wird, gleicht einem Assimilations-, keinem Integrationsvorhaben. Dies zeigt sich an der Dauerkritik, die von beiden Gruppen an die muslimische Gemeinschaft herangetragen wird. Aber eine Solidarität mit der eigenen Gemeinschaft gerade in Zeiten von Muslimfeindlichkeit und Moscheeanschlägen fand bisher nie statt. Dadurch werden diese Gruppen aber zu einem Teil der nichtmuslimischen Machtstrukturen dieses Landes, die jede Kritik an der Mehrheitsgesellschaft als illoyal gegenüber dem Land zurückweisen. Von diesen beiden Gruppen unterscheidet sich der LIB deutlich, da Lamya Kaddor seit 2016 verstärkt Kritik an der Muslimfeindlichkeit äußert und sich mit der muslimischen Gemeinschaft solidarisch zeigt.

IslamiQ: „Konservativ“ wird in Bezug auf den Islam oft mit einem rückständigen, antimodernen und antidemokratischen Verständnis von Religion gleichgesetzt. Mit dem „liberalen“ Islam verbindet man eher eine fortschrittliche Religionsauslegung. Ist diese Unterscheidung berechtigt?

Murtaza: Betrachtet man sich die Äußerungen des Muslimischen Forum Deutschlands oder der säkularen Muslime, so sind dies bisher rein politische Positionierungen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: „Wir sagen Ja zu den Menschenrechten und zum Grundgesetz.“ Damit bekräftigen und bestärken sie indirekt die Vorurteile der Gesellschaft, dass der überwiegende Teil der muslimischen Community dies eben nicht tut. Ansonsten bräuchte es ja kein solches Bekenntnis.

Wissentlich ignorieren diese Muslime damit, dass die Mehrheit der Mitbürger muslimischen Glaubens sich ebenso zum Grundgesetz und zu den Menschenrechten bekennen, wie zahlreiche Umfragen immer wieder ergeben. Auch die islamischen Gemeinschaften haben immer wieder ihre Verfassungstreue bekundet oder sich für das Grundgesetz stark gemacht.

Zudem lassen „liberale“ Muslime sich allzu bereitwillig dafür instrumentalisieren, ihr gesellschaftlich akzeptiertes Islamverständnis gegen ihre Glaubensgeschwister zu richten.

Zudem lassen „liberale“ Muslime sich allzu bereitwillig dafür instrumentalisieren, ihr gesellschaftlich akzeptiertes Islamverständnis gegen ihre Glaubensgeschwister zu richten. Aktuelles Beispiel ist Frau Ateş, die vor Gericht das Land Berlin vertritt, um die Klage einer kopftuchtragenden Lehrerin abzuwehren, die nur deshalb klagt, weil sie wegen ihres Kopftuches nicht an einer Grundschule unterrichten darf.

Und ich denke, deshalb wird der sogenannte „liberale Islam“ langfristig gesehen nur ein Zwischenspiel sein, weil er sich oftmals gegen die eigene Glaubensgemeinschaft richtet und Strukturen stärkt, die bestrebt sind, muslimischen Mitbürgern an der gesellschaftlichen Teilhabe zu hindern.

IslamiQ: Viele Muslime, die sich als „liberal“ bezeichnen, finden die sog. „konservativen Moscheeverbände“ gefährlich und radikal. Warum?

Murtaza: Das ist eine Polemik, die dazu dient, mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Wären der Zentralrat der Muslime, die DITIB, der Islamrat oder VIKZ gefährlich, so wären sie nicht auf Bundes- und Landesebene Gesprächspartner der Politik. Sicherlich, es gibt berechtigte Kritik an dieser und jener Gemeinschaft, aber im Großen und Ganzen werden sie als konstruktive Akteure in der deutschen Demokratie angesehen. Was „liberale“ Muslime betreiben ist Stimmungsmache, um die Religionsgemeinschaften in die Nähe des Terrorismus zu rücken und somit die eigenen Organisationen als die besseren Ansprechpartner für die Politik zu profilieren. Es geht hier also im Grunde um Macht, Einfluss und auch um Geld aus öffentlichen Mitteln.

IslamiQ: „Liberale Muslime“ befürworten einen „reformierten Islam“, um der Gewalt im Namen des Islams ein Ende zu setzen. Was halten Sie von dieser „liberalen“ Idee einer „islamischen Reformation“?

Murtaza: Ich würde diesen sogenannten „liberalen“ Muslimen empfehlen, die Geschichte der Reformation besser zu studieren. Die Reformation hat a) eine Kirchenspaltung verursacht, b) waren reformatorische Bewegungen wie etwa der Calvinismus mit seinem Gottesstaat in Genf viel repressiver als die katholische Kirche, c) hat die Reformation nicht so sehr der Moderne, der Demokratie, den Menschenrechten und der religiösen Toleranz den Weg geebnet, sondern dem Obrigkeitsstaat und dem fürstlichen Absolutismus. Auch unter Martin Luther wurden Hexen verbrannt. Und schließlich d) führte die Reformation zum Dreißigjährigen Krieg. Reformation war also Streit-, Konflikt- und Gewaltzeit. Das ist nichts, was ich mir für die Umma wünschen würde.

Des Weiteren sind Begriffe wie „reformierter Islam“ und „islamische Reformation“ ebenfalls erst einmal nur Schlagwörter, die vielleicht in der Mehrheitsgesellschaft gut ankommen, aber als Islamwissenschaftler würde ich gerne erfahren, was damit inhaltlich eigentlich gemeint ist und ob die sogenannten „liberalen“ Muslime auch bereit sind, von Moschee zu Moschee zu tingeln, um mit den Muslimen hierüber zu diskutieren. Und wenn sie hierzu nicht bereit sind, so muss man sich fragen, ob sogenannte „liberale“ Muslime Wert auf eine innerislamische Konsensfindung legen oder ob sie einfach nur von oben herab ihren Islam diktieren wollen. Damit wären diese Bewegungen aber schon wieder illiberal.

Leserkommentare

Charley sagt:
Muhammad Sameer arbeitet mit Worthülsen: "mit ihrem ganzen Menschsein, ihrer Personenmitte"... was soll das denn sein bei einer Religion, die die Individualität nicht kennt. "Der sogenannte „liberale Islam“, wie er vom „Muslimischen Forum Deutschland“ und den „säkularen Muslimen“ propagiert wird, gleicht einem Assimilations-, keinem Integrationsvorhaben." Eine reine Behauptung, begrifflich völlig leer (s.o. "Worthülsen" des Herrn Sameer). Die Betonung der allgemeinen Menschenrechte ist tatsächlich wichtig. Dass ihre Religion dazu nicht passt, merken die Moslems nur nicht, weil sie es nicht scharf anschauen... und die Hirten der Herde, Sameers "Gelehrte", hüten sich, das Problem auf den Tisch zu bringen! Denn dann würden die Moslems Mitteleuropas sich entscheiden..... für die Menschenrechte. Auch die islamischen Gemeinschaften haben immer wieder ihre Verfassungstreue bekundet oder sich für das Grundgesetz stark gemacht. Leider lassen sie dann immer die Positionierung zu folgenden Punkten aus. (Dank an Johannes Disch, der aaO. das deutlich macht): denn es geht um folgende Punkte, in denen der Islam im Gegensatz zur modernen, aufgeklärten, z.B. deutschen Verfassungs- und Menschenrechtsgesellschaft steht: -- Individuelle (nicht kollektive) Menschenrechte. -- Trennung von Religion und Politik. -- Das Subjektivitätsprinzip, der Mensch als selbstbestimmtes Individuum, und nicht als Teil eines (religiösen) Kollektivs. -- Bejahung der säkularen Demokratie -- Gleichheit der Geschlechter. Schon religiös kennt der Islam kein allgemeines Menschsein jenseits seiner sexuellen Identität. Bis in das Nachtodliche hinein bleibt Mann Mann und Frau Frau. Abgesehen von der spirituellen Niveaulosigkeit des Islam (Mohammeds) in diesem Punkt (vergl. andere Religionen), gibt es darum kein allgemeines Menschsein. Es gibt bis in alle Ewigkeiten zwei Arten von Menschen, Männer und Frauen. "Reformation war also Streit-, Konflikt- und Gewaltzeit." Die Kausalität die Hr.Muhammad Sameer hier aufbaut ist hahnebüchen! Der Protestantismus war in seinen schlechten Seiten durchaus ein z.T. fanatisches Kind seiner Zeit, im Ganzen aber ein wunderbarer Fortschritt im Hinblick auf Individualilsierung, Selbstverantwortlichkeit und Gewissenfreiheit. Und genau das ist etwas, was der UMMA, die genau das nicht kennt, zu wünschen wäre. Herr Muhammad Sameer erzählt dann: "Islam bedeutet aktive Ergebung in Gott/aktive Hingabe an Gott, um Frieden zu finden und Frieden zu machen. Ein Muslim ist einer, der sich Gott hingibt, um Frieden zu finden und Frieden zu machen." Klingt doch nett, nur sind die "Ausführungsbestimmungen" des Islam leider sehr unfriedlich: Tötung von vom Glauben Abgefallener, Körperstrafen, Züchtigungsrecht gegenüber Frauen usw.usf. Herr Muhammad Sameer fantasiert: "Es kann doch nicht um einen modernen oder einen zeitgenössischen Islam gehen. Religion passt sich keinen Moden und keinen Trends an. Mit dem Islam kann nicht entlang des Zeitgeistes experimentiert werden." Leider fehlt dem Herrn Muhammad Sameer das moderne (!) Geschichtsbewusstsein, nämlich dass die Menschheitsentwicklung (die der Islam gleichfalls nicht kennt) eben den Menschen selbst immer wieder anders sein lässt. DAs hat überhaupt nichts mit "Moden" oder "Trends" zu tun. Der tatsächlich aus seinem inneren Wesen heraus anders seiende Mensch braucht darum ein anderes Verhältnis zum "Göttlichen" (was das auch immer dann sein mag). Seine Lösung des realen Problems zwischen einer hinterwäldlerischen Religion aus dem 7.Jahrhundert und der gelebten Mitteleuropäischen Gegenwart beschreibt er blumig: "Aber Gelehrte müssen die Lebensrealität der Muslime von heute zur Kenntnis nehmen und einen Mittelweg zwischen zwei extremen Positionen finden: dem säkular neutralen muslimischen Leben, das den Islam auf den Glauben reduziert und privatisiert, und die soziale Handlungsseite der Religion gänzlich ignoriert und der religiösen Ghettoisierung, die bemüht ist, sich nicht mit der Gegenwart auseinanderzusetzen, sondern die in einer künstlichen religiösen Vergangenheit verbleiben will. Die Gelehrten sollten eine positive Kraft in der Umma sein, die das Muslimsein mit der heutigen Lebensrealität versöhnen." Nun, zum einen besteht er völlig reaktionär auf einer normativen Ethik, die eben leider der Grundpfeiler des Islam ist, die der Freiheit des modernen Menschen diametral entgegen steht, zum anderen spricht er die moralische Orientierung nicht dem einzelnen, sondern "päpstlich" führenden "Gelehrten" zu. Da hat er doch glatt den Protestantismus nicht begriffen! Für die soziale Ordnung reklamiert er nun aber den Kern des Christentums "Das sind das Gebot der Gottesliebe und das Gebot der Nächstenliebe." (vergleiche Matthäus 22,37-40) Allerdings fehlt das Gebot der Selbstliebe, in der beides zusammenfällt. Weil der Islam die Individualität nicht kennt und nicht achtet, wird der Moslem in seiner Religion zum Allah-Automaten. Erkenne in deinem Nächsten dasselbe Göttliche, dass du in dir erkannt hast und erkenne, dass beides gleichen Ursprungs ist. Ohne Individualität keine Selbsterkenntnis, keine Selbstverantwortlichkeit, keine individuelle Liebe! Ohne diese kein moderner Mensch. Der Islam blockiert sich hier selbst aus seinem eigenen Wesen heraus. Schließlich summiert er: "Daher glaube ich, dass die islamische Ethik in der Zukunft eine weitaus größere Rolle in der Umma einnehmen wird als die Rechtswissenschaft." und bestätigt damit tatsächlich diejenige Position der liberalen Muslime, gegen die er eingangs gewettert hat. Seine Lösung: konservativen Muslimen nicht "die Schuld für alle Missstände in der Umma zuschreibt". Ja, klar, Allahmarionetten sind nicht individuell verantwortlich. Sie vollziehen doch nur Muhammeds Handlungsanweisungen, wenn sie ihre Frau züchtigen! "....indem man in muslimischen Medien das Gespräch und die Diskussion mit der eigenen Community sucht." [Ironiemodus on] Und deshalb ist Herr Muhammad Sameer auch dafür bekannt, jeden Muslim als Verräter am Islam zu brandmarken, der liberale Muslime zwingt, sich unter Polizeischutz (der mal nicht grade grundlos gegeben wird) zu stellen, damit diese nicht angegriffen werden von fanatischen Moslems, die von Hrn. Sameers Gelehrten aufgehetzt wurden. [Ironiemodus aus!] Und wenn Hrn. Sameer manche Liberale Muslime nicht passen, dann setze er sich doch bitte mal mit Bassam Tibi auseinander. Der hat nämlich etwas mehr nachgedacht als Hr. Sameer.
26.11.17
19:10
Charley sagt:
Da Islamiq Kenntnis von den Leserkommentaren hat, die aaO. geschrieben wurden, hätte Islamiq Hrn. Sameer konfrontieren sollen z.B. mit diesem: (Johannes Disch am 01.11.17 um 17:18): Kommen wir nun zu den eingangs erwähnten Prinzipien, die in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr tragbar sind. Dazu ist es nötig, auch einige Fachbegriffe einzuführen. -- "Hidjra" ("Migration") in Verbindung mit "Dawa" ("Missionierung zum Islam"). Migration wird auch als ein Mittel verstanden, den Islam zu verbreiten. Das ist abzulehnen. Religion ist in einem säkularen/laizistischen Gemeinwesen Privatsache. -- "Islamisierung." Das ist keineswegs nur ein Schlagwort rechtsextremer Völkisch-Nationaler. Es ist eine islamische Doktrin, die Welt mittels "Hidjra" ("Migration") und "Dawa" ("Missionierung") zu islamisieren. Auch das ist abzulehnen. In einer pluralistischen Gesellschaft ist der Islam nur eine (Welt)Religion unter vielen. -- Der Absolutheits- und Überlegenheitsanspruch des Islam... ... die einzig wahre Religion zu sein. In einer pluralistischen Gesellschaft sind alle Religionen gleichberechtigt und gleichwertig. Der Überlegenheitsanspruch des Islam ist also aufzugeben. -- Glaubensfreiheit: Auch da sieht es düster aus. "Riddah" (= "Abfall vom Glauben") gilt im Islam noch immer als eine Todsünde, und die Strafe dafür ist drakonisch. In einer offenen liberalen Gesellschaft ist es aber selbstverständlich, seinen Glauben abzulegen und einen neuen anzunehmen oder erst gar keinen zu haben, also Atheist zu sein. Also auch die Doktrin, jemanden zum "Murtard" ("Abtrünnigen") oder "Takfir" ("Ungläubigen") zu erklären, ist aufzugeben, wollen Muslime wirklich in Europa ankommen. Und sie haben sich zu verstehen als individuelle Mitglieder eines republikanischen Gemeinwesens, das sich durch Werte bestimmt, und nicht durch Ethnizität oder Religion. Man nur Individuen integrieren, und keine Kollektive. Es gibt also durchaus Reformbedarf im Islam, auch im theologischen Bereich. Es gibt koranisch-islamische Prinzipien, die Muslime nicht "reformieren" müssen, sondern die sie aufgeben müssen. Zu "reformieren" ist da nämlich nix. Es kann keine halbe Säkularität geben. Zwischen einem religiösen Absolutheitsanspruch und einem Säkularismus, der alle Religionen als gleichwertig betrachtet, gibt es keinen Mittelweg. Da braucht es weder "Dialog", noch "Reform." Der Säkularismus/Laizismus der westlichen Gesellschaft ist nicht verhandelbar.
26.11.17
19:18
A.F.B. sagt:
Muhammad Sameer Murtaza hat die Dinge sehr gut erkannt. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, daß viele dieser „liberalen“ Muslime sehr illiberal sind, wenn man sie kritisiert, die Beleidigten spielen und dann die Beziehungen oder den Diskurs abbrechen. So kann kein innerislamischer Dialog funktionieren. Die beiden letztgenannten Punkte a) und b) mögen die „liberalen“ in den Augen vieler konservativer Muslime als Verräter erscheinen lassen, deren Scheitern, ja Untergang man sich wünscht. In die Reihe dieser „liberalen“ Muslime gehört auch Prof. Mouhannad Khorchide mit seiner abwegigen Vorstellung, mit Gott „auf Augenhöhe“ sprechen zu wollen. Gott fordert von uns Muslimen, uns in jedem der täglichen fünf rituellen Gebete mehrmals vor Ihm niederzuwerfen und uns in dieser Stellung bewußt zu machen, was wir dabei tun und vor wem wir uns niederwerfen. Irgend jemand meinte, in der Reformation sei beim Protestantismus etwas zu viel wegreformiert worden. Auch ich habe als ehemaliger Protestant den Eindruck, daß dem Protestantismus einige Dinge fehlen, die die anderen Konfessionen noch besitzen und die zu dem gehören, was die Angehörigen der jeweiligen Konfession empfinden läßt, daß sie einer wirklichen Religion angehören. Nachdem die christliche Religion in Europa sehr viel an Energie verloren hat, zeigt sich das bei den protestantischen Kirchen durch das gegenüber anderen höhere Verhältnis von Kirchenaustritten deutlich. Eine Religion, die man nur still und heimlich im Herzen trägt, die sich jedoch im täglichen Leben und im Umgang mit anderen nicht äußert, was ist das? Sollte der „liberale“ Islam über längere Zeit bestehen bleiben, dann ist zu erwarten, daß es ihm so ähnlich ergehen wird, wie dem Protestantismus im heutigen Deutschland. Um der Radikalisierung jugendlicher Muslime entgegenzuwirken, sind der „liberale“ Islam und dessen Unterstützung durch den Staat überhaupt nicht geeignet, da er so auf ihre Mehrheit eher abstoßend wirkt und sie dann mangels Förderung des konservativen Islams den Werbern für einen radikalen Islam direkt in die Arme laufen.
27.11.17
2:41
grege sagt:
Besonders für problematisch halte ich die Aussage von Murtaza zu Beginn dieses Interview in dem Zitat: "Diese „liberale“ Muslime erkennen zwar rational die Wahrheit des Islams an, aber sie sind nicht bereit, sich mit ihrem ganzen Menschsein, ihrer Personenmitte, auf den Glauben einzulassen." Der zentrale Part eines jeden Glaubens sollte nicht in der blindwütigen Einhaltung von Geboten, Verboten sowie der pedantischen Befolgung irgendwelcher Rituale, sondern im Dienst an meinem Mitmenschen liegen. Genau hierdurch zeige ich doch erst meine Nähe zu Gott. Diese Rituale sollen als Mittel zum Zweck dienen und nicht umgekehrt. Gott hat es nicht nötig zu verlangen, dass man ihn mit devotem Verhalten huldigt. Ansonsten würde man Gott Narzismus und Eitelkeit unterstellen. Genau hier werden die falschen Prioritäten eines konservativen Muslims vom Schlage eines Murtaza offenbar. Für ihn stellen eine emanzipatorische sowie eine gottgefällige Lebensweise ein Widerspruch dar, den ich keineswegs nachvollziehen kann. Das starre Festhalten an irgendwelchen, angeblich von Gott festgelegten Verboten führt doch unter anderem in vielen muslimisch geprägten Ländern zu Lebensverhältnissen, die alles andere als gottgefällig sind.
27.11.17
21:03
Dilaver Çelik sagt:
Politische Begriffe wie "liberal" und "konservativ" sind auf Religion nicht anwendbar. Einfaches Beispiel: Man kann nicht "liberal" oder "konservativ" beten, sondern nur korrekt. Und wie korrektes Beten aussieht, wird in zahlreichen İlmihal-Büchern erklärt. Würden die sogenannten "liberalen" Muslime eingestehen, dass sie lediglich ihrer Hawa und Nafs erlegen sind, wären sie wenigstens ehrlich. Sind sie aber nicht, weil sie ihre eigene Faulheit und Nachlässigkeit in der Religionspraxis versuchen zu entschuldigen, indem sie sich hinter der leeren Worthülse "liberal" verstecken. Das ist jedoch keine Entschuldigung, sondern nur eine weitere Ausrede unter vielen. Und der Nafs liebt Ausreden geradezu. Der Islam lehrt uns Tarbiya al-Nafs sowie Ridha al-Ilahi. Die sogenannten "liberalen" Muslime hingegen machen Zugeständnisse an den Nafs. Und damit erfreuen sie lediglich den Teufel. Und wer den Teufel erfreut, kann damit kein Ridha al-Ilahi erreichen. Deshalb möchte ich den sogenannten "liberalen" Muslimen nahelegen, mit ihren haltlosen Ausreden aufzuhören und ehrlich zu sein, dass sie einfach ihrer Nafs und Hawa erlegen sind. Es gibt nämlich keinen Grund, zur Erreichung ein paar weltlicher Ziele und Vorteile den Islam zu deformieren (sic). Es lohnt sich, allen Schwierigkeiten der heutigen Zeit zum Trotz den Islam authentisch zu praktizieren. Und mal ehrlich: So schwierig ist das nun auch wieder nicht. Wenn man Menschen, die dagegen lamentieren, bewusst ausblendet bzw. ignoriert, ist es sogar ziemlich einfach. Man muss nur aufpassen, dass man nicht seinem eigenen Nafs erliegt, welcher der innere Feind eines jeden Menschen ist.
28.11.17
0:12
Ute Fabel sagt:
Liberales Christentum und liberaler Islam sind sympathisch, aber intellektuell unehrlich. Der Wortlaut von Bibel und Koran sind auf der Seite der Konservativen. Der Teufel, an den auch Dilaver Celik glaubt, kommt wie die Hölle in Bibel und Koran vor. Es ist zwar sehr nett, dass aufgeklärte Christen und Moslems nur an Liebe, Erlösung und Barmherzigkeit glauben. Damit picken sie aber nur einen Teil der Botschaft ihrer Religion heraus und lassen einen anderen Teil unter den Tisch fallen. @Dilaver Celik: Ich nehme einmal an, dass sie deshalb an Mohammed den Islam glauben, weil sie zufällig in eine islamische Familie geboren wurden. Wären Sie im amerikanischen Bundesstaat Utah in einer mormonischen Familie aufgewachsen wären, würden Sie wahrscheinlich an den Propheten Joseph Smith und das Buch des Mormon glauben
28.11.17
15:54
Kritikus sagt:
L.S. Der Verfasser schreibt: « Diese „liberale“ Muslime erkennen zwar rational die Wahrheit des Islams an, aber sie sind nicht bereit, sich mit ihrem ganzen Menschsein, ihrer Personenmitte, auf den Glauben einzulassen.» Genau damit macht der liberale Islam ein sympatischer Schritt in der richtigen Richtung. Wenn nun wir noch der unwahre Begriff "Wahrheit" durch "nicht wörtlichen zu nehmende Koraninhalt" ersetzen, entspricht es in etwa die Protestant-Christliche HerangehensWeise. Was der wahre Islam anrichtet, demonstriert auf tragischer Weise das heute in chaotischer Gotteswahn versunkene Vaterland des verfassenden Filosofen. In Pakistan wütet nur noch die nakte religiöse IslamGewalt. Jeder Schritt hin zu diese Sekte ist gleichzeitig ein gefährlicher Schritt hin zum Abgrund. Viele in Deutschland sehen diese Gefahr und warnen vor den Einfluss des Islam. Der ausführliche, hervorragend begründete Kommentar von Charley ist sehr treffend formuliert, Glückwunsch wegen soviel sachgerechte Hinweise. Übrigens, Herr Muhammad Sameer Murtaza, "Der ursprünglich hellenisierte Jude Paulus" hiess da noch Saulus. Kritika meint: Wo es Demokratie gibt, da ist der Islam unbedeutend, Wo der Islam herrscht, da gibt es keine Demokratie mehr. Gruss, Kritika
29.11.17
11:00
Johannes Disch sagt:
@Charley Danke für ihre Statements. Prima auf den Punkt gebracht.
29.11.17
12:53
Johannes Disch sagt:
@Dilaver Celiks (Ihr Post vom 28.11.17, 0:12) -- "Politische Begriffe wie "liberal" und "konservativ" sind auf Religion nicht anwendbar." (Dilaver Celiks) Warum das falsch ist, das habe ich in vielen Postings zu inhaltlich ähnlichen Artikeln ausgeführt, weshalb ich es hier nicht zu wiederholen gedenke. Zudem hat "Charley" in seinen Posts hier einige meiner Positionen referiert. Danke. Religion hat in einem modernen aufgeklärten säkularen/laizistischen Gemeinwesen nur noch eine marginale Stellung. Und das ist auch gut so. An erster Stelle stehen die weltlichen Belange und die weltlichen von Menschen gemachten Gesetze. Zwar gibt es das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Aber der Staat gibt den Rahmen UND DIE GRENZEN VOR, innerhalb dessen dieses Grundrecht gelebt werden darf. Und man jede Religion a) "orthodox-schriftgläubig" oder b) "modern" auslegen. Und für a) kann man die Vokabel "konservativ" verwenden und für b) die Vokabel "liberal." Religion ist im modernen Verfassungsstaat Privatsache und hat im öffentlichen Raum und in der Politik wenig bzw. so wenig wie möglich verloren! Leider hat unsere ansonsten gelungene Verfassung einige wenige Geburtsfehler. Einer davon ist die "halbe Säkularisierung." Religion hat noch viel zu Einfluss auf den öffentlichen Raum und die Politik (siehe die Sonderrechte der christlichen Kirchen. "Kirchliches Sonderarbeitsrecht", etc.). Wir können deshalb in Deutschland leider nicht so konsequent agieren wie Frankreich. Ich gebe Ihnen ein praktisches Beispiel anhand ihres heiligen Buches, des Koran, der deutlich macht, dass es sehr wohl nicht nur Sinn macht, die Begriffe "liberal" und "konservativ" auf (ihre) Religion anzuwenden, sondern dass dies eine unabdingbare Notwendigkeit ist. Es geht um die berühmt-berüchtigte Sure 4,34, die es Männern (angeblich) gestatte, (widerspenstige) Frauen zu schlagen. Der Kern der Problematik bei dieser Sure ist das Verb "dharb", das man unterschiedlich übersetzen kann. Eine mögliche Bedeutung ist "schlagen." Andere übersetzen es mit "aus dem Zimmer weisen." Ein konservativer/reaktionärer Muslim könnte behaupten, "schlagen" ist die einzig richtige "authentische" Übersetzung für einen (angeblich) "authentischen Islam", den man nicht "liberalisieren" darf/ nicht "liberalisieren" kann. Hier wäre entgegenzuhalten, dass eine Übersetzung mit "schlagen" bzw. die Handlung aus einer solchen Übersetzung im liberalen Rechtsstaat nicht geduldet werden kann, auch nicht im Namen der Religionsfreiheit. Dem steht nämlich gegenüber das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Person (Art. 2, Satz 2 GG). Es kommt zu einer sogenannten "Rechtsgüterabwägung." Und da hat Art. 2 GG Vorrang vor der Religionsfreiheit. Das hat nicht nur theoretische Bedeutung, sondern auch ganz praktische. Es kam in Deutschland nämlich schon vor, dass muslimische Männer das Schlagen ihrer Frau vor Gericht mit dieser Sure begründeten und dabei auf die Religionsfreiheit verwiesen. In der Regel hatten sie damit keinen Erfolg. Vor einigen Jahren jedoch schlug der Fall einer Frankfurter Richterin hohe Wellen. Die ließ zwar das religiöse Argument des Mannes beim Schlagen seiner (deutschen) Frau nicht gelten, erklärte der Frau aber, man müsse bei Männern aus dem islamischen Kulturkreis eben damit rechnen, dass man sich gelegentlich mal eine fängt. Sie wies die Klage der Frau gegen ihren Mann ab. Glücklicherweise wurde diese Richterin umgehend ihres Postens enthoben. Im Grunde genommen ist diese ganze Diskussion über einen liberalen oder konservativen Islam nur innerislamisch von Interesse. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit gilt für den Islam in Deutschland nur für die sogenannten "5 Säulen" des Islam. (Auch das habe ich schon wiederholt ausgeführt, weshalb ich es hier nicht wiederhole). Über alles andere-- Kopftuch, gewisse Riten, etc.-- entscheidet der deutsche Rechtsstaat, ob Religionsfreiheit im konkreten Fall vorliegt oder nicht. Der deutsche Rechtsstaat entscheidet und legt den Rahmen und die Grenzen der Religionsfreiheit (für den Islam und jede andere Religion) fest-- und kein islamischer Rabulistiker. Auch wenn er es sehr geschickt anstellt, was man Herrn Sameer Murtaza neidlos konstatieren muss.
29.11.17
13:27
Mads sagt:
Ja, der böse liberale Islam, den es eigentlich gar nicht geben kann, Da stimme ich dem Autor zu, liberal und Islam sind zwei Dinge, die sich ausschließen. Denn Freiheitsrechte kennt die Ideologie des Islam nicht. Sie schreibt den Menschen bis ins kleinste Detail ihr Leben vor. Der Islam ist nichts anderes als eine menschenfeindliche Ideologie, die zu viel Macht errungen hat.
30.11.17
14:45
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