„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Muslimische KünstlerInnen nutzen die Freiheit und zeigen deutlich: Wir gehören zu Europa. Heute mit dem Calligraffiti-Künstler Calimaat.
IslamiQ: Kannst Du Dich vorstellen?
Calimaat: Mein Künstlername ist Calimaat. Ich bin 25 Jahre alt und habe Graphikdesign in Wien studiert. Seit drei Jahren beschäftige ich mich mit der Calligraffiti und bin – meines Wissens nach -auch der erste Calligraffiti-Künstler in Österreich.
IslamiQ: Was möchtest Du mit deiner Arbeit bewirken?
Calimaat: Viele werden jetzt eine klassische Antwort erwarten, im Sinne eines Brückenbaukonzepts zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Ich denke aber, dass diese Brücken schon vorhanden sind, es geht nur noch darum diese Brücken weiter zu stärken. Ich sehe es nicht als meine Aufgabe den Islam zu rechtfertigen, in dem ich die Kunst mit dem Islam verbinde, um einen Raum für Dialog zu schaffen. In meiner Arbeit geht es mir viel mehr darum vorhandene Stereotype zu reduzieren. Insbesondere beschäftige ich mich mit historischen Figuren und versuche ihre Sichtweise in die heutige politische und soziokulturelle Lage zu assoziieren. Dies verdeutliche ich mit der Kunst der Calligraffiti.
IslamiQ: Ist Dir Dein kultureller und/oder religiöser Background wichtig?
Calimaat: An sich hat die Kultur und die Religion einen starken Einfluss auf die Kunst. Mein primäres Ziel ist es aber nicht meinen Background darzustellen, sondern Menschen zu etwas bewegen, indem ich ihnen meinen Blick auf die Gesellschaft offenlege. Ich habe beispielsweise das Gefühl, dass der Westen alles verwestlicht, deshalb habe ich mich in meiner letzten Serie „Klassik“ dazu entschieden die westliche Kunst zu orientalisieren. Hierzu habe ich die Monumentalstatue „David“ von Michelangelo angezogen und Zeus als Beduinen dargestellt und sie mit meiner Kalligraphie verziert.
Die Resonanz auf meine Arbeit fällt immer unterschiedlich aus. Einmal hagelte es Kritik, da ich vermeintliche Koranverse auf dem Boden gesprüht haben soll, doch handelte es sich dabei nur um ein Zitat von Khalil Gibran in arabischer Schrift.
IslamiQ: Wie stark beeinflusst Dein Background Dein künstlerisches Schaffen?
Calimaat: Je mysteriöser die Kunst und damit einhergehend der Künstler gehalten wird, desto interessanter wird sie. Deshalb versuche ich meine Arbeit in den Vordergrund zu stellen und nicht meine Person. Auch wenn ich praktizierender Muslim bin und die Kalligraphie im Islam eine wichtige Rolle spielt, verfolge ich mit meiner Arbeit weder eine politische noch eine religiöse Agenda. Doch sehe ich die Calligraffiti als Mittel soziopolitische Themen wie die Bildung, die Armut und auch Teile der Politik zu kritisieren und auf sie aufmerksam zu machen.
IslamiQ: Studien attestieren eine steigende anti-islamische Stimmung in Europa. Bist Du persönlich Diskriminierungen dieser Art ausgesetzt?
Calimaat: Mit 13 Jahren wurde ich vor der ganzen Klasse bloßgestellt, weil ich Graphikdesign studieren wollte und meine Lehrerin in mir nicht dieses Potenzial gesehen hat, da ich qua meiner Herkunft dazu nicht im Stande sei. In der Schulzeit wurde ich also des Öfteren Diskriminierungen ausgesetzt, doch habe ich diese als solche erst wahrgenommen, als ich auch angefangen habe den Islam zu praktizieren.
Mittlerweile kommen immer wieder neue Fragen und Debatten auf, wie beispielsweise über den Begriff Heimat. Wir sollten aufhören über solche und ähnliche Fragen zu debattieren. Ich bin multikulturell aufgewachsen, was ich bei der Verarbeitung von Klischees als Vorteil sehe.
IslamiQ: Denkst Du, dass der Islam zu Europa gehört? Wieso?
Calimaat: Um ehrlich zu sein, ist es die schwachsinnigste Debatte, die überhaupt geführt wird. Ein Blick in die Geschichte Andalusiens zeigt wie erfolgreich und wertvoll der Islam in Europa war. Alle drei Religionen haben miteinander gelebt und voneinander profitiert, das gab es bis dato nicht. Dies wird auch in Sarajevo deutlich, wo eine Moschee und eine Kirche nebeneinander gebaut wurden. Und ganz ehrlich: wären die Migranten nicht nach Europa gekommen, gebe es hier keinen Kebab. Das wäre doch traurig, oder? Fakt ist wir sollten nicht über die Herkunft von Menschen und über Unterschiede sprechen, sondern über die erfolgreichen Schnittstellen. Vielfalt kann schön sein – nicht nur in der Kunst.