Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen der Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Mehmet Genç über die Schöpfungstheologie im Koran.
IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?
Mehmet Genç: Nach meinem Abitur (2003) habe ich mein Zivildienst als Rettungssanitäter absolviert. Begeistert von der Medizin und dem Umgang mit Menschen habe ich ein Jahr später eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen und im Jahr 2008 abgeschlossen. Aufgrund einer Reihe von Erfahrungen aus dem medizinischen „Alltag“ und meinem Interesse am Islam habe ich mich schließlich der islamischen Theologie zugewandt. Im Jahr 2008 habe ich dann mit dem Bachelorstudium der Arabisch-islamischen Kultur und der katholischen Religionslehre an der Westfälische Wilhelms-Universität in Münster begonnen. Diesem folgte ein Master Studium in der islamischen Theologie ebenfalls in Münster. Seit August 2016 bin ich als Lehrer für den islamischen Religionsunterricht tätig. Zudem promoviere ich im Bereich der Koranexegese an der Goethe Universität in Frankfurt am Main.
IslamiQ: Können Sie uns Ihre Arbeit kurz vorstellen?
Genç: Der Arbeitstitel meiner Doktorarbeit lautet „Allah- Schöpfer von Himmel und Erde: Ein koranexegetischer Zugang zur Schöpfungstheologie“. Darin versuche ich u. a. die im Koran vorhandene Schöpfungserzählungen und andere relevante Stellen in einen größeren Kontext einzuordnen. Aus diesem Grund schaue ich mir z. B. auch verschiedene ältere altorientalische Schöpfungserzählungen bzw. Vorstellungen an und untersuche, welche intertextuellen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede festgestellt werden können. Dies dient u. a. auch dazu, dass die koranische Perspektive in seiner „Eigenheit“ wohlmöglich besser verstanden werden kann. So sind z. B. verschiedene Schöpfungsvorstellungen des Korans nicht „spezifisch“ koranisch, sondern kommen in verschiedenen Texten des alten Orients vor. Diese „älteren“ Schöpfungsvorstellungen oder auch Bruchstücke dessen sind folglich in der einen oder anderen Art auch in der Gedanken- bzw. Glaubenswelt der Erstadressaten des Korans vorhanden. Insofern „arbeitet“ der Koran auch mit diesen Vorstellungen die in den Köpfen der Menschen auf der arabischen Halbinsel des 7. Jahrhunderts vorhanden waren.
Eine ganz andere aber zugleich grundlegende Perspektive meiner Doktorarbeit ist der methodische Umgang mit dem Koran. Denn nicht zuletzt entscheidet der Methodische Zugang zum Koran „wie“ bzw. „was“ vermeintlich aus dem Koran verstanden wird oder nicht. Insofern versuche ich mit adäquaten methodischen Mitteln die (schöpfungstheologischen) Inhalte des Korans „verstehbar“ und „erklärbar“ zu machen.
IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?
Genç: Das Interesse an der Thematik begann während meiner Bachelorarbeit. In meiner Bachelorarbeit habe ich mir die ältesten bzw. die ersten Verse der koranischen Offenbarung angeschaut und in thematische Schwerpunkte unterteilt. Einer dieser Schwerpunkte war die Schöpfungsthematik. Das hatte ich nicht erwartet. Das Interesse nach dem „warum“, die Schöpfungsthematik überhaupt und dass diese so früh innerhalb des Offenbarungsprozesses ihren Platz in der „Rede Gottes“ einnahm, war überraschend. Dieses Interesse setzte ich in meiner Masterarbeit fort. Dort untersuchte ich die koranischen Schöpfungserzählungen zur Erschaffung des Menschen. Meine Dissertationsarbeit ist in diesem Sinne eine Fortsetzung dieser „Neugier“.
IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?
Genç: Mit jeder Seite, die ich lese, mit jedem Abschnitt, den ich verfasse, öffnen sich immer wieder neue „Türen“, die mich weiterführen und stets mein Interesse wachhalten. Insofern denke ich, dass mich meine „akademische“ Neugier zur weiteren Forschung antreibt. Darüber hinaus erhoffe ich mit dieser bescheidenen Arbeit auch einen kleinen Beitrag zur deutschsprachigen islamischen Theologie leisten zu können.
IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?
Genç: Der adäquate (methodische) Zugang zum Koran ist die Grundlage für die gesamte islamische Theologie und somit auch des gelebten Glaubens. In diesem Sinne betreibe ich Grundlagenforschung anhand einer bestimmten Thematik. Insofern hat meine Forschungsarbeit das Potenzial, für „alle“ Muslime von Bedeutung zu sein. So erhoffe ich mir mit meiner Doktorarbeit einen kleinen, aber dennoch bedeutenden Beitrag leisten zu können. Dies ist zumindest mein eigener Anspruch. Allah weiß es am Besten!
Das Interview führte Muhammed Suiçmez