In Österreich sind die Rechtspopulisten in die Regierung eingezogen. Das ist kein Einzelfall. Ein europaweiter Überblick über die Situation der rechten Kräfte.
Der 31-jährige Sebastian Kurz ist der neue Regierungschef in Österreich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigte den bisherigen Außenminister am Montag in Wien als Bundeskanzler. Kurz ist damit jüngster Regierungschef in Europa. Er steht einem Kabinett vor, das acht Minister und Ministerinnen aus den Reihen der konservativen ÖVP und sechs Ressortverantwortliche aus den Reihen der rechten FPÖ hat. Vizekanzler ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Van der Bellen mahnte in einer mehrminütigen Rede die Koalition zu einer verantwortungsvollen Politik gerade auch gegenüber Minderheiten. „Am Umgang mit den Schwächsten zeigt sich, was unsere Werte wirklich wert sind.“
Die Vereidigung war begleitet von Demonstrationen. Rund 6000 Menschen hatten sich nach Polizeiangaben auf dem Heldenplatz vor der Hofburg – dem Amtssitz des Bundespräsidenten – versammelt. Die Demonstranten aus der linken Szene skandierten Parolen wie „Nazis raus“ und „Wir wollen keine Nazi-Schweine“. Es ist das zweite Mal in der Geschichte Österreichs, dass rechtspopulistische Parteien ein Regierungsbündnis eingehen, doch kein Einzelfall in Europa.
Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl ihrer Vorsitzenden Marine Le Pen wird die rechtsextreme Front National (FN) von Machtkämpfen erschüttert. Die französische Justiz eröffnete Ende November gegen die Partei ein Ermittlungsverfahren in der EU-Parlamentsjob-Affäre. Assistenten von FN-Abgeordneten sollen unerlaubt für die Partei in Frankreich gearbeitet haben. Die große Frage für die Zukunft lautet: Kann sich die streitbare Tochter von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen an der Partei-Spitze halten?
In den Niederlanden ist Die Partei für die Freiheit des Rechtspopulisten Geert Wilders seit mehr als zehn Jahren im Parlament. Ihr Hauptthema ist eine scharfe Islamkritik. Im März war die PVV mit 20 Sitzen bei den Wahlen zweitstärkste Kraft geworden. Allerdings schlossen fast alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der PVV aus. Der Rechtsliberale Mark Rutte brauchte gut sieben Monate, um eine Regierung zu bilden.
Bei der Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) aus Griechenland dürfte es sich um die schweigsamsten Rechtspopulisten Europas handeln. Mit ihren 3,7 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen dienen sie der linken Partei Syriza von Premierminister Alexis Tsipras lediglich als Mehrheitsbeschaffer zur Regierungsbildung. ANEL-Chef Panos Kammenos erhielt dafür das Amt des Verteidigungsministers, das in Griechenland traditionell über politischem Gezänk steht und quasi unantastbar ist. Gerne setzt er sich in Tarnanzug bei Manövern zu See und in der Luft in Szene; ansonsten halten sich die Rechten aus dem politischen Tagesgeschäft heraus.
Die Lega Nord ist in Italien eine etablierte politische Kraft, die einst die Abspaltung des reichen Nordens vom armen Süden verfolgte. Sie war auch schon mal an Regierungen beteiligt. Chef Matteo Salvini hatte vor allem in der Migrationskrise eine immer fremdenfeindlichere Richtung eingeschlagen und sich damit im ganzen Land etabliert. In Umfragen liegt die Partei, die mit der FPÖ in Österreich und der AfD in Deutschland verpartnert ist, derzeit bei mehr als 14 Prozent. Im Gespräch ist eine Allianz mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und mit den rechtsgerichteten Fratelli d’Italia. Dieses Bündnis liegt wenige Monate vor den Wahlen bei etwa 35 Prozent.
Der Rechtspopulist Viktor Orban regiert seit 2010. Die Medienfreiheit und der Datenschutz wurden eingeschränkt, die Beamtenschaft politisiert. Das Land schottet sich mit Zäunen an den Südgrenzen gegen Flüchtlinge ab. Die Parlamentswahl im Frühjahr 2018 wird Orbans Macht voraussichtlich nicht gefährden.
Im Unterhaus hat die UK Independence Party (Ukip) bei der Wahl im Juni 2017 ihr einziges Mandat verloren. Mit dem Ja der Briten zum EU-Ausstieg (Brexit) hat die Ein-Themen-Partei zwar ihr Ziel erreicht, sie ist aber auch eine tiefe Krise gerutscht.
In Nordeuropa sind rechtspopulistische Parteien seit Jahren etabliert. Je mehr Verantwortung sie jedoch übernehmen, desto weniger extrem wird ihre Position. Zuletzt lief es bei Wahlen nicht mehr so glatt: In Norwegen wird die Fortschrittspartei nach der Parlamentswahl im Herbst zwar wohl weiter mitregieren, verlor aber an Zustimmung. Die dänische Volkspartei holte bei der Kommunalwahl im November zwar den ersten Bürgermeister-Posten, wurde insgesamt aber abgewatscht. In Schweden dagegen, wo 2018 gewählt wird, sind die Schwedendemokraten in Umfragen stabil drittstärkste Kraft. Hier nutzten die Rechtspopulisten zuletzt genau wie in Dänemark geschickt ihre Position als Mehrheitsbeschaffer für die Minderheitsregierung.
Die AfD befindet sich nach ihrem Einzug in den Bundestag in einer Phase der Konsolidierung. In bundesweiten Umfragen liegt sie trotz des Austritts von Parteichefin Frauke Petry und einiger ihrer Mitstreiter immer noch ungefähr auf der Höhe ihres Ergebnisses bei der Bundestagswahl vom September. Damals hatte die AfD 12,6 Prozent der Stimmen geholt. Der jüngste Bundesparteitag hat gezeigt, dass es in der AfD inzwischen schwer ist, ohne das Plazet des rechtsnationalen Flügels in die Parteispitze gewählt zu werden. (dpa, iQ)