Neue Regierung in Österreich

Einschränkung der Grundrechte in Österreich

Die österreichische Regierung wurde angelobt. Demonstrationen mit Tausenden zeigen, dass die Unzufriedenheit in der Zivilgesellschaft groß ist. Kein Wunder, schränkt die Regierung die Grundrechte von Flüchtlingen ein und fördert Armut und Rassismus im Land. Ein kritischer Beitrag von der Österreicherin Sevde Özdemir.

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12
2017
Gegen Spaltung für Zusammenhalt
Gegen Spaltung für Zusammenhalt

„Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“. Die nächsten fünf Jahre werden sich die Österreicher/innen an Norbert Hofers Aussage wohl des Öfteren erinnern, die er vor der Bundespräsidentschaftswahl tätigte. Noch bevor die Regierung steht, machen sich mittlerweile auch unter den ÖVP und FPÖ Wähler/innen enttäuschte Stimmen laut, da ihnen das versprochene Blaue vom Himmel verwehrt bleibt. Denn was für eine Überraschung: Nicht nur auf die „bösen“ Ausländer wird im neuen Regierungsprogramm getreten, sondern die „Partei des kleinen Mannes“ wird auch dafür sorgen, dass eben diese die Gürtel in Zukunft enger schnallen müssen.

Großer Widerstand in der Zivilgesellschaft

Am Montag war es in Österreich auch soweit und die neue Regierung wurde angelobt. Entgegen der kargen Hoffnung, der Bundespräsident Alexander Van der Bellen würde einzelne Minister ablehnen, aufgrund seiner 2015 getätigte Aussage, er würde eine „FPÖ-geführte Regierung nicht angeloben“, verlief die Zeremonie feierlich und unaufgeregt.

Am Montagmorgen ab acht Uhr in der Früh bis spät in die Nacht demonstrierten jedoch rund 6.000 Österreicher/innen gegen die neue Schwarz-Blaue Regierung. Ein Blick in die Besetzung der neuen Regierung und ihr Parteiprogramm verrät uns den Grund für die Formierung eines so großen Widerstands.

Die neue Regierung und ihre kuriosen MinisterInnen

An der Spitze steht Sebastian Kurz als Bundeskanzler und der FPÖ-Chef Heinz Christian Strache als Vizekanzler. Wer sich an die berühmt berüchtigten „Daham statt Islam“ Plakate der Freiheitlichen erinnert: Der Dichter und Mastermind der FPÖ, der hinter diesen Plakaten steht, ist kein anderer als der neue Innenminister Herbert Kickl. Somit wird der Generalsekretär der FPÖ Herr über eines der sensibelsten Ministerien der Republik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist nämlich auch im Innenministerium angesiedelt. Der Posten wird jetzt von einer Person besetzt, die dafür bekannt ist, seit Jahren ein enges Verhältnis zu rechtsextremen und sogar verfassungsfeindlichen Kreisen zu pflegen und zugleich in Korruptionsskandale verwickelt ist.

Das Außenamt übernimmt die „Nahostexpertin“ Karin Kneissl, die mit Pauschalurteilen und Ressentiments gegen Minderheiten hetzt und für die FPÖ das Amt kleiden wird. In der Vergangenheit griff sie mehrfach Partei für das syrische Regime und behauptete unlängst, dass es im Arabischen kein Futur gäbe und zog dies als Begründung heran, weshalb arabischstämmige Menschen so wenig zukunftsorientiert seien und eine gott- und schicksalsergebene Mentalität besäßen.

Mit Mario Kunasek als Verteidigungsminister und Anneliese Kitzmüller als Dritte Nationalratspräsidentin steigen weitere FPÖ-Politiker mit Kontakten zu den rechtsextremen Identitären und antisemitischem Gedankengut auf. Laut dem ÖVP-Mandatar Martin Engelberg jedoch kein Problem. So verteidigt er „als erster aktiver jüdischer österreichischer Abgeordneter der Nachkriegszeit“ in der israelischen Zeitung „Ha’aretz“ die Koalition seiner Partei mit der FPÖ mit den Worten „In Österreich kommt die wahre antisemitische Bedrohung von den Muslimen, nicht den Nazis.“ Der Antisemitismusbericht 2016 der israelischen Kultusgemeinde widerlegt diese Aussage, hier werden 68% der ideologisch bestimmbaren Antisemitismusvorfälle dem rechten Spektrum zugeordnet.

Das neue Regierungsprogramm

Werfen wir nun einen Blick in das Regierungsprogramm, in welchem ÖVP und FPÖ ihre Vorhaben unter dem Titel „Zusammen. Für unser Österreich“ präsentieren. Demnach solle „Österreich als historische Drehscheibe zwischen Ost und West ein aktiver Ort des Dialogs sein.“ Das ÖVP-FPÖ’sche Verständnis von Dialog fasst ein Unterpunkt direkt unter diesem Satz präzise zusammen: „Beitrag für einen effizienten EU-Außengrenzschutz und Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Österreich durch Grenzraumkontrollen.“ Mauern, Drahtzäune und Frontex für einen effizienteren Dialog also.

Das Regierungsprogramm spricht sich auch für eine legale Migration nach den Bedürfnissen Österreichs, Bekämpfung von Fluchtursachen und Forcierung einer effektiveren Rückkehrpolitik aus. Der Noch-Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus tritt zudem für Asylquartiere am Stadtrand Wiens ein, „um den Migranten zu zeigen, dass es in Österreich doch nicht so gemütlich ist, wie alle glauben.“

Integration nach österreichischem Modell

Unter dem Punkt Integration wird festgehalten, dass „islamischen Kindergärten“ und „islamischen Privatschulen“ eine stärkere Kontrolle und in letzter Konsequenz die Schließung bei Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen drohe.

Weiter planen ÖVP und FPÖ eine standardisierte Koran-Ausgabe sowie eine „umfassende Kontrolle der Darstellung der Lehre.“ Das Verbot der Auslandsfinanzierung soll nicht nur auf Moscheevereine beschränkt bleiben, sondern auch im Bildungsbereich verankert sein.

Doppelstaatsbürgerschaft

Auch für die Doppelstaatsbürgerschaft setzt sich die neue Regierung ein: Aber nur für die Südtiroler deutscher und ladinischer Muttersprache. Die österreichische Staatsbürgerschaft kann man ab jetzt später erhalten als bisher: Hier ist von Aufenthaltsdauern von 10, 20 und 30 Jahren die Rede, als wie bisher von sechs Jahren.

Grundrechte der Flüchtlinge

Die Grundrechte von Flüchtlingen werden massiv beschnitten werden. So sollen alle zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung ihr gesamtes Bargeld abgeben, dieses soll die Verfahrenskosten decken und zudem ihre Handys den Asylbehörden zur Verfügung stellen, damit diese anhand von persönlichen Daten und Social-Media-Accounts auf Reiseroute und Identität schließen können. Die Mindestsicherung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sollen weiter gekürzt und Asylsuchende „nur Sachleistungen“ erhalten. Kinder von Flüchtlingsfamilien sollen vor dem regulären Schulbesuch in „Brückenklassen“ in Flüchtlingsunterkünften unterrichtet werden. Diese Unterkünfte sind jedoch meist dezentral angesiedelt und zu klein, weshalb ein gesonderter Unterricht kaum umsetzbar ist. Es wird vermutet, dass man somit lokalen Protesten von Schulkollegen und Eltern aus dem Weg gehen will, da aufgrund ihres Einsatzes viele Schulkinder in letzter Instanz doch nicht abgeschoben wurden.

Arbeitsstunden

Während in Schweden der sechs-Stunden-Arbeitstag eingeführt wird, gibt es in der Alpenrepublik künftig den 12-Stunden-Arbeitstag „um mehr Flexibilität zu garantieren.“ HC Strache selbst kritisierte 2013 noch in einem Interview ein solches Vorhaben und bezeichnete dies als eine „asoziale leistungsfeindliche Idee, da dies für alle Arbeitnehmer Nettolohnverluste bedeuten würde.“

Auch sollen Studienbeiträge folgen, Ziffernnoten an Volksschulen wiedereingeführt werden und auch das ab Mai 2016 geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie wurde von Schwarz-Blau gekippt.

Der ehemalige Bundeskanzler und SPÖ-Parteichef Christian Kern fasste die Vorhaben der neuen Regierung gekonnt zusammen: „Die Politik von Schwarz-Blau richtet sich gegen Arme und nicht gegen Armut“. In Österreich endete übrigens jede FPÖ-Regierungsbeteiligung vor Ablauf der Regierungsperiode und keine schaffte mehr als drei Jahre. Wir drücken uns die Daumen.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Kurz bedient schon seit längerem antimuslimische Ressentiments. Als Integrationsminister war er noch sehr differenziert. Aber seit er merkt, dass Islamfeindlichkeit zieht, hat er keine Hemmungen, diese zu bedienen. Genauso wenig wie er Hemmungen hat, mit einem Ex-Neo-Nazi; mit Christian Strache; eine Koalition zu bilden. Sebastian Kurz ist ein prinzipienloser smarter Karrierist. Die Österreicher haben mit Sebastian Kurz doch ein tatsächlich ein Kind zum Kanzler gewählt. Nicht zu glauben....
23.12.17
17:40
Ute Fabel sagt:
Mit der Liste Pilz gibt es im österreichischen Parlament endlich eine Partei links der Mitte, die sich erklärtermaßen die entschlossene Konfrontation mit der deutschnationalen und der islamischen Rechten zum Ziel setzt. Die klerikal-autoritäre türkischen Regierung erklärt der Wissenschaft den Kampf und will die Vermittlung der Evolutionslehre in den Schulen zugunsten der abergläubischen Schöpfungsmythen im Islam zurückdrängen. Nach anfänglichem Herumeiern hat sich der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Herr Ibrahim Olgun, schließlich als willfährige Erdogan-Marionette entpuppt und verkündet, dass er auch nicht an die Evolution glaube. Die SPÖ und die Grünen haben sich gegenüber einer immer aggressiver werdenden islamischen Verstandes- und Vernunftfeindlichkeit zuletzt völlig naiv, kritiklos und geradezu unterwürfig verhalten. Das war ein wesentlicher Grund, warum ÖVP und FPÖ in der Bevölkerung Rückhalt gewonnen haben und nun -leider - eine gemeinsame Regierung gebildet haben.
24.12.17
8:28
Johannes Disch sagt:
Die Punkte im Regierungsprogramm über Integration und die Behandlung von Flüchtlingen sind pure Diskriminierung. Und wenn man sich ansieht, wie viele Politiker dieser Regierung wichtige Posten haben, die dem rechtsextremen Spektrum nahestehen, dann kann einem um Austria wirklich angst und bange werden.
24.12.17
14:55
Dilaver Çelik sagt:
Die muslimischen Österreicher müssen nun mehr für ihre Rechte kämpfen und gegen die Regierung Widerstand leisten und sich nicht einschüchtern lassen.
25.12.17
16:38
Ali Asgar sagt:
Die Angstmache hat schon sehr lange begonnen auch unter Muslimen. Man möchte einen Mündigen Bürger erziehen der jedoch von jedem Schritt welch er tätigt angst haben muss. Und jetzt mit der neuen Regierung hört man von allen wieviel Angst wir haben müssen. Und leider nichts Anderes mehr. Schade
27.12.17
8:11
Frederic Voss sagt:
Diese neue Regierung ist auch das Ergebnis einer langsam schleichenden Islamisierungs-Entwicklung mit Umgestaltung der Gesellschaft, welche die meisten Österreicher so nicht haben wollen. Andere Parteien ließen zu wenig erkennen, daß sie traditionell-islamisches Gedankengut und Rechtsverständnis in der Politik für unpassend und nicht mehr zeitgemäß halten. Jetzt haben sie die Quittung.
27.12.17
10:44
grege sagt:
Bei aller Kritik an der jetztigen Regierung in Österreich sollten die in der Öffentlichkeit präsenten Islamverbände auch mal Ihre Haltung überdenken und nicht nur die Schuld bei den anderen suchen. Insbesondere das kritiklose Verhaltenund die geringe Distanz der türkischdominierten Islamverbände zu dem Despoten Erdogan spielt natürlich rechtspopulistischen Parteien in die Hände. Da kann man Herrn Kurz nur Recht geben, dass Erdwohnanhänger doch bitte das Land verlassen mögen.
30.12.17
12:43
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss (Ihr P vom 27.12.17, 10:44) Die neue Regierung ist nicht das Ergebnis einer "schleichenden Islamisierung" Austrias, sondern einer Jahre-bzw. jahrzehntelangen Großen Koalition. "(Schleichende)Islamisierung" ist ein typischer Angstbegriff von Panik-Aposteln.
31.12.17
13:03
Dilaver Çelik sagt:
Erdoğan-Anhänger werden aber das Land nicht verlassen. Im Gegenteil: Es ist doch eher so, dass die Erdoğan-Anhänger Kurz und Konsorten in ihre Schranken weisen werden. Wer sich todesmutig vor die Panzer Fethullah Gülens stellt, der lässt sich sowieso nicht von seinen europäischen Erfüllungsgehilfen Kurz und Konsorten einschüchtern.
31.12.17
18:39
grege sagt:
wer hier wohlgenährt durch Ausnutzung von persönlichen, politischen und religiösen Freiheiten Despoten a la Erdogan den Hof macht, zeigt keinen Heldenmut, sondern predigt mit der Pulle Wein in der Hand Wasser. So ein Verhalten ist einfach nur erbärmlich
03.01.18
20:55
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