Imame

„Kein Beruf, sondern Berufung“

Die Debatte um die Imame hält an. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit Celil Yalınkılıç über die Ausbildung, dem Berufsfeld und die Kriterien eines Imams.

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12
2017
Celil Yalınkılıç © Privat
Celil Yalınkılıç © Privat

IslamiQ: Wonach wählen Sie Ihre Imame aus?

Celil Yalınkılıç: Da gibt es mehrere Kriterien. Zum einen müssen die Imame fachlich geeignet sein, d. h. sie müssen eine theologische Ausbildung haben, aber auch die Koranrezitation beherrschen und rhetorisch begabt sein. Sie sollten auch die Fähigkeit besitzen, ihr Wissen auf pädagogisch sinnvolle Weise zu vermitteln.

IslamiQ: Das sind ganz unterschiedliche Gebiete. Sind die Imame damit nicht überfordert?

Yalınkılıç: Der „Beruf“ des Imams erfordert ein gewisses Maß an Hingabe. Er ist mehr Berufung als Beruf. Neben ihren religiösen Diensten in der Moscheegemeinde übernehmen unsere Imame viele andere Aufgaben, angefangen von der sozialen Beratung, über die „Seelsorge“ bis hin zur Bildung. Das ist nicht immer einfach. Imame haben keine bestimmten Arbeitszeiten, der Imam-Beruf ist manchmal ein 24 Stunden-Job.

Celil Yalınkılıç, 1968 in Gümüşhane geboren ist seit 2011 stellvertretender IGMG-Vorsitzender und Leiter der Irschadabteilung (religiöse Wegweisung). Er studierte im Fachbereich Hadith an der Fakultät für Islamische Wissenschaften der Al-Azhar Universität (Ägypten). Von 1993 bis 2011 war Yalınkılıç als Imam und Vorsitzender der Fatih Moschee in Mannheim tätig.

IslamiQ: Was motiviert sie?

Yalınkılıç: Die größte Motivation eines Imams ist der Gedanke, das Wohlwollen Allahs zu erlangen und der Gesellschaft von Nutzen zu sein. Denn wer im Diesseits etwas Gutes tut oder dazu anleitet, wird im Jenseits belohnt werden.

IslamiQ: Warum ist es wichtig, dass Muslime ihre eigenen Imame ausbilden?

Yalınkılıç: Die ältere Generation von Imamen beherrscht die Landessprache nur unzureichend und kennt die hiesige Gesellschaft nicht gut genug. Das erschwert leider die Kommunikation mit der jüngeren Generation. Aus diesen Gründen konzentrieren sich die Imame meistens auf die religiösen und sozialen Dienste in ihrer Gemeinde und treten kaum an die breite Öffentlichkeit. Sie können nur bedingt dazu beitragen, unser Islamverständnis der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Außerdem tun sich Imame, die während ihrer Ausbildung keinen Bezug zu den Gemeinden haben, schwer, sich in die Gemeinde zu integrieren.

IslamiQ: Politiker fordern, dass Imame künftig in Deutschland ausgebildet werden. Wie sehen Sie das?

Yalınkılıç: Die Diskussion um den Ort bzw. die Orte der Ausbildung ist irrelevant. Imame können ihre Ausbildung im Ausland absolvieren, ganz oder nur teilweise. Dieses Recht darf ihnen niemand nehmen. Überhaupt ist eine internationale Aubildung heutzutage ganz normal. Wichtiger ist, wer sie ausbildet, wie das geschieht und nach welchem Lehrplan. Die Ausbildung ist und muss Sache der Religionsgemeinschaften bleiben.

IslamiQ: Wie sieht bei Ihnen die Imamausbildung aus?

Yalınkılıç: Unsere Angebote sind vielfältig. Zum einen bieten wir unseren aktiven Imamen regelmäßig Fortbildungsseminare an, mit dem Ziel sie im Bereich der religiösen Dienste weiterzubilden.

Zum anderen haben wir in Mainz eine Berufsschule für Imame gegründet. Unsere Schule richtet sich an alle Jugendliche, die sich nach der 10. Klasse für eine Imam-Ausbildung entscheiden.

Ferner können Studierende der islamischen Theologie in ihren Semesterferien ein Praktikum in unseren Gemeinden absolvieren. Diese werden nach ihrem Abschluss als Imame oder im Bildungswesen in unseren Gemeinden eingestellt.

IslamiQ: Was ist Ihr Rat an die Imame von heute?

Yalınkılıç: Das Imamsein ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Es gibt nichts Schöneres, als den Gedanken, dass andere Menschen mit eurer Hilfe den rechten Weg finden werden. Deshalb ist es sehr wichtig, den ständigen Kontakt mit der Gemeinschaft zu suchen, und sei es auch nur eine kurze Unterhaltung. Ein kurzes Gespräch ist oft wirksamer als ein langer Vortrag.

Lasst euch von der politischen Lage nicht entmutigen. Mischt euch in das gesellschaftliche Leben ein und seid Vorbilder in jeder Hinsicht.

Das Interview führte Rahime Söylemez.

Leserkommentare

Manuel sagt:
@Dilaver Çelik: Sie haben kein Recht uns den Mund zu verbieten, wir sind hier in keinem islamischen Gottesstaat und da kann jeder den Islam kritisieren soviel er will, das haben Sie einmal gefälligst zu akzeptieren.
19.01.18
19:57
Harousch sagt:
An alle aufgeschäumten Gemüter und ihre Vernunft sei ein Appell der Besonnenheit gerichtet. Hier geht es in erster Linie nicht um theologische Positionierung zu bestimmten Themen, eher um die freie Meinungsäußerung, die selbstverständlich jedem zusteht. Eventuell könnte man den Focus auf die sachliche Ebene richten und das Vorwurfskarussell verlassen, wenn eine ernstgemeinte argumentativ plausible Klärung der Sachlage erwünscht ist. Wie heißt es nochmal so schön....die Gedanken sind frei.... Es freut mich sehr hier Menschen ohne islamischen Background, die bemüht um eine Art vermeintliche Liberalisierung des Islams sind, vorzufinden. Nur sollte eines klar sein, das der Islam sich aus dem eigenen Selbstverständnis heraus bereits als liberal versteht und von der Mehrheit der Muslime als solches akzeptiert ist. Einen Martin Luther des Protestantismus hat’s in der Geschichte des Islams zwar oft gegeben, der jedoch stets von den Machthabern der betroffenen Region sofort liquidiert wurde. Nebst politischer Interessen kommt die Tatsache der Unantastbarkeit der koranischen Versen hinzu, weil die einzelnen Verse linguistisch und sprachlich gesehen nicht zu verändern sind, ohne den kompletten Vers zu verändern, was wiederum ein Ding der Unmöglichkeit ist. Nach dem Transivitätsprinzip heraus ergibt sich nämlich hier eine konkrete Ableitung. Abgesehen von der Einstellung Luthers, der sowohl dem Judentum als auch dem Islam gegenüber nicht sehr wohlgesinnt war, um es milde auszudrücken. Er war es, der als erster im Westen den Koran ins Deutsche übersetzen ließ, um „die Schwächen“ gegen den Islam selbst anwenden zu können. Auf dieser gleichen fast 500 Jahre alten Ebene versuchen übrigens die Fremdgläubigen bzw. Atheisten immernoch bestimmte aus dem Kontext gerissenen Verse die Sinnhaftigkeit des Korans in Frage zu stellen. Hinzukommen unterschiedliche Lesearten des Qurans, welche angelehnt an die Bibelexegese, unterschiedliche Türen zum Verständnis von Versen, unter starkem Bezug der individuellen Intention des Subjekts, und somit viele Deutungsebenen eröffnen. Dabei ist es doch so einfach: Der Mensch hat den freien Willen, womit uns Gott ausgestattet hat, im Gegensatz zu anderen Wesen.... Da das Individuum, entwicklungspsychologisch gesehen stets eine Weiterentwicklung anstrebt, sollte man seine Einstellung immer wieder neuausloten, um nach Erickson eine höhere Ebene zu erreichen. Leider bleiben einige Menschen auf einer der 8 Ebenen stehen. Das sollte meiner Einsicht nach die Maxime für Gnostiker und Agnostiker sein. Also auch für Imame, egal wo sie ausgebildet wurden, denn die kirchlichen aber auch andere Kleriker können sich selbständig ihren Ausbildungsort aussuchen. Dieses Recht kann man Ihnen unmöglich absprechen. Damit muss man wohl Vorlieb nehmen, solange man über den Islam aus der AfD-Sicht oder Pseudoliberaler Sicht urteilt und nicht bereit ist dem Islam auf Augenhöhe zu begegnen, weil nicht nur politische sondern auch weitreichende wirtschaftliche Absichten dahinterstecken. Darüber hinaus sollte die Gesellschaft auch bereit sein die Weichen für neue und liberal ausgerichtete Ausbildungsinstitute für Imame oder islamische Religionslehrer zu stellen. Jede Nörgelei über die Unzulänglichkeiten anderer ist doch im Grunde genommen nur die Ablenkung von der eigenen längst überholten und im Mittelalter steckengebliebenen Unzulänglichkeit.
27.01.18
12:36
Ute Fabel sagt:
@Harousch: Moslems sollten ein unverkrampfteres Verhältnis zum Koran entwickeln und sich endlich einmal offen eingestehen, dass der Koran viel Barbarisches, Hasserfülltes und Falsches enthält, wie viele alten Bücher auch. Wie meinen Sie, dass die Sure 22 Vers 19 bis 22 richtig gelesen werden, in welchen die sadistischen Qualen genüsslich dargestellt werden, die Ungläubigen blühen werden?
01.02.18
13:14
Harousch sagt:
@Ute Fabel Was Muslime tun sollten oder nicht obliegt nicht meiner Entscheidungsmacht, denn wäre es so, dann würde ich mich persönlich zum Herrscher der Muslime erklären lassen. Bleibt die Anfrage nach dem Sinn der genannten Verse. Diesen Gefallen tue ich Ihnen ohne einen einzigen Blick in den Koran zu werfen, weil ich jetzt schon sagen kann, dass ich eventuell zu dem Teil der muslimischen Community gehöre, die an das Gute in der Schöpfung glauben und vielleicht auch an Wunder, weshalb Ich und übrigens auch ein Großteil meiner Bekannten und Freunde diesen Versen vieles Positive abgewinnen werden können. Bei jeder Begegnung ist der entscheidende Moment derjenige an dem die Frage der Intention aufzuwerfen ist... Ich sehe den Koran nicht mehr als Buch an, viel mehr als eine Person, die mir Fragen aufwirft und mich zum Nachdenken auffordert. Das einfache Konsumieren und der blinde Gehorsam ist dem Koran zu bieder. Und wenn von Höllenqualen und sadistischen Handlungen usw im Koran die Rede ist, wie sie beschreiben, dann möchte ich Sie vergewissern, dass die unterschiedlichsten Sendeformate bei RTL 2 bzw.diverse PC-Spiele diese Abhandlungen bereits um mehrfaches toppen.
08.02.18
20:58
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