Altbundespräsident Joachim Gauck kritisiert den Anstieg von Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland und fordert mehr Toleranz der Gesellschaft.
Altbundespräsident Joachim Gauck hält Toleranz für eine wesentliche Voraussetzung im Zusammenleben – auch wenn sie „immer wieder innere Überwindung kostet“. In einem Beitrag für die Freiburger „Herder Korrespondenz“ äußert Gauck den Eindruck, dass Toleranz nicht zu-, sondern abnimmt. Fundamentalisten und Terroristen sowie Diktatoren und Autokraten reagierten etwa mit Verleumdungen, Zensur, Berufsverboten, Verhaftungen, Anschlägen und Gewalt. Mit Blick auf die Bundesrepublik registriert Gauck mehr rassistische, nationalistische, islamfeindliche und antisemitische Positionen. Es gelte, „die Toleranz zu verteidigen gegen die Intoleranz“.
Umfragen belegten, dass sich die große Mehrheit der Deutschen für tolerant halte. Dieser Selbstwahrnehmung widersprächen Studien, die intolerante Einstellungen belegten. Schon im Kindergarten gehe es darum, den Nächsten zu achten und den zu respektieren, „der anders aussieht, der anders denkt, handelt, fühlt und der anders betet als du“, so Gauck.
Mit Blick auf die Flüchtlingsdebatte will Gauck mehr Offenheit. Als vor zwei Jahren Hunderttausende ins Land gekommen seien, hätten die Medien kaum über damit verbundene Probleme und Gefahren berichtet. Die Bandbreite des Denkens sei „in einer fortschrittlichen Leitkultur eingeengt“ worden. Wer aber Themen oder Argumente ausklammere, weil sie von der „falschen Seite“ kämen oder den moralischen Ansprüchen der Eliten nicht entsprächen, verenge den Disput. Damit würden Menschen auf die Seite von Nationalisten oder Populisten getrieben, weil sie sich von der politischen Mitte nicht aufgehoben fühlten.