Berlin

Justizsenator will Lehrerinnen Kopftuch erlauben

Der Berliner Justizsenator will das Unterrichten von kopftuchtragenden Lehrerinnen erlauben. Auch wenn er kein Freund des Kopftuchs sei, so müsse die multireligiöse Stadt Berlin das Kopftuch aushalten können.

30
12
2017
Muslimische Lehrerinnen
Symbolbild: Das Kopftuch ist nicht nur in Berlin immer wieder ein Thema.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs im Unterricht erlauben. „Ich bin der Meinung, dass wir es in der multireligiösen Stadt Berlin aushalten sollten, wenn an den Schulen junge Frauen mit Kopftuch unterrichten“, sagte Behrendt der „Berliner Zeitung“ am Freitag. Er verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach „pauschale Kopftuchverbote verfassungswidrig“ seien, weil sie das Recht auf freie Berufswahl und eine pluralistisch verstandene Religionsfreiheit unzulässig einschränkten. „Eingreifen darf man nur im konkreten Fall einer Störung des Schulfriedens“, so Behrendt.

Auf die Frage der „Berliner Zeitung“ , ob dies den Druck auf Schülerinnen erhöhen könne, sagte Behrendt: „Niemand darf an Schulen missionieren.“ Es gehe aber auch um ein Gleichstellungsthema, so der Senator: „Männer muslimischen Glaubens stellen wir ein, denn sie tragen kein Kopftuch – und Frauen weisen wir ab, obwohl wir händeringend Lehrkräfte suchen? Das passt nicht zusammen.“

Auf die Frage, ob es künftig Polizistinnen und Richterinnen mit Kopftuch geben werde, antwortete der Grünen-Politiker: „Das ist sicher ein deutlich längerer Weg, weil es in diesen Bereichen um die Ausübung unmittelbarer staatlicher Gewalt geht“. Das sei nicht sein Projekt für die nächsten Jahre. „Ich bin kein Freund des Kopftuchs und ich werbe auch nicht dafür, dass man es trägt“, so Behrendt.

Aktueller Fall in Berlin

Mitte des Jahres hat eine 27-jährige Muslimin am Arbeitsgericht auf Entschädigung geklagt, da sie als ausgebildete Grundschullehrerin nicht an einer Grundschule, sondern lediglich an einem Berufskolleg unterrichten dürfe. Diese Entscheidung traf die Bildungsverwaltung weil die junge Frau nicht ihr Kopftuch ablegen wollte. Die Berliner Senatsbildungsverwaltung verpflichtet daraufhin Autorin und Juristin Seyran Ateş als Rechtsanwältin. Im Auftrag des Landes Berlin soll Ateş, 54, nun die Klage der kopftuchtragenden Lehrerin abwehren, wie die „Berliner Zeitung“ berichtet. Die Urteilsverkündung soll im Januar folgen. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Leider mittlerweile fast schon typische grüne Anbiederungs- und Unterwerfungspolitik! Genau aus diesem Grund wurden die Grünen in Österreich kürzlich aus dem Parlament gewählt. Europa braucht keine degenerierten, konflktscheuen Einknicker. Mich würde interessieren, ob ein pauschales Verbot von Salafistenbärten bei Lehrern seiner Meinung nach dann auch gegen Pluralismus und Religionsfreiheit verstößt. Oder verstößt ein Verbot, dass sich Lehrer Parteiabzeichen anstecken, dann auch gegen politische Freiheitsrechte? Wird dadurch Vielfalt unterbunden. Es ist der religiöse und weltanschauliche Dogmatismus, der Karrieren verbaut und den es zu bekämpfen gilt. Das Neutralitätsgesetz benachteiligt niemanden und verlangt von allen gleich viel ab.
30.12.17
16:06
Johannes Disch sagt:
Endlich mal eine vernünftige Haltung zum Endlos-Thema "Kopftuch." Die Haltung des Justizsenators entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach muss eine konkrete Störung des Schulfriedens vorliegen, um das Kopftuch verbieten zu können. Ein pauschales Verbot ist rechtswidrig und mit unserer Verfassung nicht vereinbar.
30.12.17
21:03
Frederic Voss sagt:
Da der Islam eine Gleichberechtigung von Muslimen und Nichtmuslimen grundsätzlich ausschließt und stattdessen eine hierarchische Rangabstufung zwischen ihnen festlegt, ist das Tragen einer islamischen Kopftuch-Tracht bzw, Uniform gerade von Autoritätspersonen im Schulunterricht alles andere als vorbildlich oder akzeptabel, sondern provozierend und Unruhe stiftend.
31.12.17
0:07
Paul v. H. sagt:
Der Beschluss des Justizsenators ist auch in seiner eigenen Partei, den Grünen, inzwischen sehr umstritten. Bundesweit wurde aus den Reihen der Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare GRÜNE eine Kampagne für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes gestartet, der sich auch viele grüne Politiker und prominente Zeitgenossinnen angeschlossen haben. Dies hätte zur Vollständigkeit des Bildes eigentlich in dem Artikel Erwähnung finden müssen.
31.12.17
9:43
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr Post vom 30.12.17, 16:06) Das Berliner Neutralitätsgesetz verstößt mit größter Wahrscheinlichkeit gegen unsere Verfassung. Deshalb zahlt das Land Berlin abgelehnten Bewerberinnen mit Kopftuch auch lieber eine Entschädigung und verzichtet auf Revision, weil dem Land Berlin klar ist, dass bei einem Gang nach Karlsruhe das Berliner Neutralitätsgesetz mit ziemlicher Sicherheit einkassiert würde. Das Risiko ist Berlin bisher nicht bereit einzugehen. Früher oder später wird das aber passieren, und das Gesetz wird in Karlsruhe landen.
01.01.18
13:13
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr Post vom 30.12.17, 16:06) -- "Das Neutralitätsgesetz benachteiligt niemanden..." (Ute Fabel) Das Berliner Neutralitätsgesetz ist mit ziemlicher Sicherheit nicht verfassungskonform, weshalb das Land Berlin bisher abgelehnten Bewerberinnen auch lieber eine Entschädigung zahlt, statt in Revision zu gehen und es auf den Gang nach Karlsruhe ankommen zu lassen. Dort würde man das Berliner Neutralitätsgesetz mit ziemlicher Sicherheit einkassieren. Das weiß das Land Berlin ganz genau und vermeidet bisher dieses Risiko. Es wird sich aber irgendwann nicht mehr vermeiden lassen und das Gesetz wird in Karlsruhe landen. Karlsruhe hat 2015 unmissverständlich festgestellt, dass ein pauschales Kopftuchverbot verfassungswidrig ist. Für ein Verbot muss eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorliegen. Die Haltung des Berliner Justizsenators orientiert sich an unserer Verfassung und am Urteil des obersten deutschen Gerichts.
02.01.18
0:04
Ute Fabel sagt:
Der Sohn eines FPÖ-Mandatars trug vor wenigen Wochen eine Burschenschafter-Schleife auf der Uniform des österreichischen Heers. Wie ich meine, wurde gegen ihn völlig zu Recht unter Verweis auf das geltende religiöse und weltanschauliche Neutralitätsprinzip bei der Polizei und dem Militär ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Genauso wäre es ein Verstoß gegen Dienstpflichten, wenn eine Soldatin oder Polizistin plötzlich ein Kopftuch im Dienst tragen würde. Die AfD in Deutschland ist - leider - im Aufwind. In dieser Partei gibt es wie in der FPÖ viele Anhänger deutschnationaler Verbindungen. Es kann durchaus sein, dass es ein Lehrer aus diesem Lager es irgendwann als identitätsstiftend ansieht seine Gesinnung auffällig sichtbar zu machen. Mich würde interessieren, ob für das deutsche Bundesverfassungsgericht dann auch ein pauschales Verbot für das Tragen von Burschenschafterschleifen für verfassungswidrig hält und eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorliegen muss. Weltanschauungen dürfen nach dem Gleichbehandlungsrecht gegenüber Religionen nicht benachteiligt werden.
02.01.18
10:59
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Ihr Burschenschafterbeispiel bezieht sich auf Österreich. Zudem ziehen sie immer wieder fiktive Beispiele heran, die in der Realität keine oder kaum eine Rolle spielen (Burschenschafter-Kappe, Mao-Mütze, etc.). In der Realität betrifft es in erster Linie Musliminnen und benachteiligt diese. Was das Bundesverfassungsgericht zur Burschenschafter-Kappe sagt, das weiß ich nicht. So ein Fall kam bisher noch nicht vor. Eindeutig ist aber, was das Bundesverfassungsgericht zum Kopftuch sagt. Und da deckt sich das Urteil des Gerichts mit der Haltung des Berliner Justizsenators. Es muss für ein Kopftuchverbot eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorliegen. Ein pauschales Kopftuchverbot ist verfassungswidrig. Das Berliner Neutralitätsgesetz würde in Karlsruhe mit ziemlicher Sicherheit wegen Verfassungswidrigkeit gekippt werden. Deshalb vermeidet das Land Berlin auch bisher den Gang nach Karlsruhe, verzichtet auf Revision und zahlt lieber hohe Entschädigungen. Das ist sowohl ökonomisch als auch schulpolitisch Nonsens. Dem Land fehlen Lehrer/innen. Und geeignete Bewerberinnen lehnt man ab wegen eines Kopftuchs und einer Chimäre namens "weltanschauliche Neutralität." Diese ist nur vorgeschoben. Es geht gegen Musliminnen. "Weltanschauliche Neutralität" ist eine Chimäre und eine Fiktion. Die Tatsache, dass eine Lehrerin ein Kopftuch trägt sagt nicht automatisch, dass sie befangen ist. Das Kopftuch ist ein Ausdruck ihrer Individualität. Es deckungsgleich zu setzen mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin ist ein Fehlschluss, wenn auch ein beliebter. Zudem ist auch das, was deutsche Beamten vertreten-- ob Polizisten, Lehrer, etc.-- eine "Weltanschauung." Sie vertreten den demokratischen Rechtsstaat. Wie gesagt, auch das ist eine "Weltanschauung", die sich an gewissen Normen und Werten orientiert. Was ebenfalls nicht ausreicht für ein Kopftuchverbot ist die sogenannte "negative Religionsfreiheit." Darauf berief sich 2016 ein Heim, das einer muslimischen Erzieherin mit Kopftuch kündigen wollte. Auch hier entschied das Bundesverfassungsgericht für die muslimische Klägerin. "Es gibt keinen gesetzlich verbrieften Anspruch, vom Anblick religiöser Symbole nicht behelligt zu werden", so das Urteil im Wortlaut. Das Heim musste die Klägerin weiter beschäftigen--- und zwar mit Kopftuch! Eine pluralistische Gesellschaft hat Vielfalt auszuhalten. Zu dieser Vielfalt gehören auch religiöse Symbole. Zudem muss es um die Stärke und das Selbstbewusstsein einer angeblich freien und liberalen Gesellschaft sehr schwach bestellt sein, wenn sie so ein Affentheater um ein Stück Stoff macht. Mit Kopftuchverboten werden wir keinen einzigen Menschen integrieren, wir werden damit keine Radikalisierung verhindern und keinen einzigen Terroranschlag verhindern. Wir sollten uns ein Beispiel an den USA nehmen. Dort käme kein Mensch auf die Idee, ein Kopftuch oder sonst ein religiöses Symbol verbieten zu wollen. Das verhindert schon der erste Zusatzartikel zur Verfassung. Es liegt aber auch daran, dass die Amis Religionsfreiheit quasi als Naturrecht betrachten und sich der Staat aus religiösen Dingen rauszuhalten hat.
02.01.18
17:48
Johannes Disch sagt:
Um den Kern der Sache noch einmal in aller Kürze deutlich zu machen: Das Berliner Neutralitätsgesetz würde in Karlsruhe den Test in Sachen Verfassungskonformität wohl nicht bestehen, weshalb das Land Berlin es bisher darauf auch nicht ankommen lassen will, sondern lieber Entschädigungen zahlt. Das oberste deutsche Gericht-- das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe-- hat 2015 in einem Grundsatzurteil unmissverständlich festgestellt, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen verfassungswidrig ist. Für ein Verbot muss eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorliegen. Der Berliner Justizsenator bewegt sich also im Rahmen unserer Verfassung und unserer Rechtsprechung.
02.01.18
23:00
Ute Fabel sagt:
Mein Beispiel ist nicht fiktiv. Der Fall trug sich Ende November 2017 zu. Bei dem Träger der Burschenschafterschleife handelte sich um den Soldaten Rüdiger Haider, Sohn des FPÖ-Abgeordneten Roman Haider. Wenn Sie das Kopftuchtragen am Arbeitsplatz gutheißen, dann müssten Sie auch Burschenschafterschleifen bei Soldaten, Polizisten und Lehrern als Beitrag zur Vielfalt betrachten. Schließlich sind 20 der 51 neu gewählten Parlamentarier der FPÖ aktive Mitglieder solcher nationalen Verbindungen. Meine Meinung ist klar: Kopftücher, Kreuzketten, Kippas, "Gottlos-Glücklich"-Buttons, Mao-Anzüge, Che-Guevara-Shirts und Burschenschaftercouleur gehört ins Privatleben und nicht an den Arbeitsplatz.
03.01.18
7:51
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