Vorbilder, die uns positiv stimmen, sind heute wichtiger denn je. In dieser IslamiQ-Reihe möchten wir unsere Leser zu Autoren machen. Maide Kurtoğlu-Keskin schreibt über ihr Vorbild: Necip Fazıl Kısakürek.
Necip Fazıl Kısakürek wurde am 26.05.1905 als schwächliches und dünnes Kind in eine wohlhabende Familie aus Istanbul geboren. Nicht einmal die Ärzte waren sich sicher, ob er überleben würde. Bewegt durch die Sorgen ihr Kind zu verlieren, zog ihn seine Mutter stets wohlbehütet auf. Bereits mit fünf Jahren konnte Necip Fazıl lesen und schreiben und fiel mit seiner Intelligenz jedem in seinem Umfeld auf. So schenkte ihm seine Oma viele Bücher, insbesondere Romane. Necip Fazıl wuchs in reichen Verhältnissen auf und dennoch wurde er durch immer wiederkehrende Krankheiten heimgesucht, die ihn bis zu mehrere Monate von dem Besuch der Schule abhielten. Gleichzeitig verlor er früh seine kleine Schwester. Seine Mutter Mediha erkrankte an Tuberkulose und verbrachte deshalb viele Monate abseits des Stadtlebens mit ihrem Sohn.
Necip Fazıl schreibt in seinem Gedichte-Buch folgendes: „Mein Dichter-Dasein begann mit 12 Jahren. Der Grund ist etwas komisch. Meine Mutter war im Krankenhausbett und hat mich mit ihren Blicken durchbohrt und sagte: ‚Ah wie gern würde ich wollen, dass aus dir ein Dichter wird.’“ So entfachte sie in jenem Augenblick eine innere Flamme in ihm. An der Literarischen Fakultät der Universität Istanbul brachte er gerade mal mit 17 Jahren und als Philosophie-Student eine eigene Zeitschrift heraus. Menschen waren so fasziniert von seinen Gedichten und nannten den Jungen Necip den „kleinen Jungen mit großem Kopf“. Er war ein erfolgreicher Student und wurde als Stipendiat im Jahr 1925 von der neu gegründeten Türkischen Republik an die Universität Sorbonne geschickt. Seine geistigen Unruhen, die er seit jenen Tagen in seiner Kindheit nicht stillen konnte, wurden in Frankreich unerträglich und so wurde er süchtig nach Glücksspielen. Seine Jahre in Frankreich beschreibt er als: „Elend, Elend, Elend“. Ohne Geld in der Tasche, das Stipendium gestrichen und ohne Wohnung blieb er nächtelang auf der Straße, bis er sich das Rückticket in seine Heimat kaufen konnte. In diesen einsamen Stunden schrieb er sein Gedicht „Kaldırımlar“ – „Gehwege“.
Nach seiner Rückkehr nahm er verschiedene Tätigkeiten als Beamter und später in Banken auf. In diesen Jahren wechselte er einige Male berufsbedingt den Wohnort, doch bereiteten ihm seine Tätigkeiten bei verschiedenen Banken ein wohlhabendes Leben und einen exklusiven Lebensstil. Aber konnte er nie von seiner Liebe zu Istanbul ablassen, sodass er von Wohlhaben und Reichtum abließ und wieder nach Istanbul zurückkehrte, um an der Akademie der schönen Künste zu lehren. Bis er 30 Jahre alt war schrieb er drei Gedichtbücher und etliche Aufsätze in Zeitschriften.
Bis dahin war er weit entfernt von Gott, einem festen Glauben oder der islamischen Lebensweise. Eines Tages im Jahr 1934, wieder in der Hoffnungslosigkeit verloren, lernte er auf der Suche nach Hoffnung bei einer Moscheepredigt einen Mann kennen, der sein gesamtes Leben verändern sollte.
Der sufistische Gelehrte Abdulhakim Arvasi verwandelte die Hoffnungslosigkeit und Leere in Hoffnung und Energie. Geprägt von Arvasi, begann er die türkische Politik wegen der Nachahmung der westlichen Lebensweise, Entfremdung zur eigenen Geschichte und Ungerechtigkeiten im Justizwesen zu kritisieren. Er wurde zum künstlerischen Sprachrohr der Türkei, die sowohl von rechts, als auch von links durch politische Unruhen bewegt wurde. So wurde er 1943 aufgrund verschiedener politisch positionierter Artikel in seiner selbst herausgebrachten Zeitschrift zum ersten Mal verurteilt und kam ins Gefängnis. Ab diesem Zeitpunkt wurde Necip Fazıl immer wieder für seine Kritik an der türkischen Rgierung zu Gefängnisstrafen verurteilt. Seine Verlage wurden geschlossen und seine Zeitschriften verboten, doch eröffnete er sie immer wieder aufs Neue.
Fortan führte er ein Leben zwischen seiner Wohnung und dem Gefängnis, doch mit der Zeit war er nicht mehr in der Lage seine Familie finanziell zu unterhalten und so mussten er, seine Ehefrau und ihre zwei Kinder aus der Wohnung in ein Hotelzimmer ziehen. Nach jeder Haft wurden seine Falten und Striche im Gesicht ein Stückchen tiefer. Er schrieb in einer Zeit, in der viel Zäsur in der Türkei betrieben wurde. Er schrieb in einer Zeit, wo keiner die eigene Meinung sagen durfte. Er schrieb in einer Zeit, wo Angst und Chaos über das Land herrschte. Er nutzte seine Worte, um der Gerechtigkeit willen.
In seinen letzten Lebensjahren, trotz eines ärztlichen und gerichtlichen Attests kam er 1981/1982 bei hohem Alter nochmal ins Gefängnis. Aus dem Gefängnis entlassen, müde, doch hoffnungsvoll für die nächste Generation, verbrachte er seine letzten Tage in seinem Arbeitszimmer. Am 25.05.1983 ließ er sein Bett von seinem Sohn in Gebetsrichtung ausrichten und kehrte an seinem Geburtstag zu seinem Schöpfer zurück.
Necip Fazıl Kısakürek stellt für Einige von uns ein Vorbild dar. Seine unermüdliche Hoffnung, auch an den hoffnungslosesten Tagen, sein Talent mit seinen Worten Menschen zu bewegen, haben viele von uns geprägt. Er hat uns wertvolle Werke hinterlassen. Er hat Recht und Gerechtigkeit über Reichtum, Wohlhaben oder Ansehen gestellt. Er hat das Richtige, dem Einfachen vorgezogen und allen, die es verstehen wollen, eine Lektion hinterlassen. Die in so wilden politischen Zeiten wie heute, nützlich für alle sein könnten.