MUSLIMISCHE VORBILDER

Necip Fazıl – ein Mann voller Hoffnung

Vorbilder, die uns positiv stimmen, sind heute wichtiger denn je. In dieser IslamiQ-Reihe möchten wir unsere Leser zu Autoren machen. Maide Kurtoğlu-Keskin schreibt über ihr Vorbild: Necip Fazıl Kısakürek.

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2017
Necip Fazıl: ein Mann voller Hoffnung
Necip Fazıl: ein Mann voller Hoffnung

Necip Fazıl Kısakürek wurde am 26.05.1905 als schwächliches und dünnes Kind in eine wohlhabende Familie aus Istanbul geboren. Nicht einmal die Ärzte waren sich sicher, ob er überleben würde. Bewegt durch die Sorgen ihr Kind zu verlieren, zog ihn seine Mutter stets wohlbehütet auf. Bereits mit fünf Jahren konnte Necip Fazıl lesen und schreiben und fiel mit seiner Intelligenz jedem in seinem Umfeld auf. So schenkte ihm seine Oma viele Bücher, insbesondere Romane. Necip Fazıl wuchs in reichen Verhältnissen auf und dennoch wurde er durch immer wiederkehrende Krankheiten heimgesucht, die ihn bis zu mehrere Monate von dem Besuch der Schule abhielten. Gleichzeitig verlor er früh seine kleine Schwester. Seine Mutter Mediha erkrankte an Tuberkulose und verbrachte deshalb viele Monate abseits des Stadtlebens mit ihrem Sohn.

Die Anfänge

Necip Fazıl schreibt in seinem Gedichte-Buch folgendes: „Mein Dichter-Dasein begann mit 12 Jahren. Der Grund ist etwas komisch. Meine Mutter war im Krankenhausbett und hat mich mit ihren Blicken durchbohrt und sagte: ‚Ah wie gern würde ich wollen, dass aus dir ein Dichter wird.’“ So entfachte sie in jenem Augenblick eine innere Flamme in ihm. An der Literarischen Fakultät der Universität Istanbul brachte er gerade mal mit 17 Jahren und als Philosophie-Student eine eigene Zeitschrift heraus. Menschen waren so fasziniert von seinen Gedichten und nannten den Jungen Necip den „kleinen Jungen mit großem Kopf“. Er war ein erfolgreicher Student und wurde als Stipendiat im Jahr 1925 von der neu gegründeten Türkischen Republik an die Universität Sorbonne geschickt. Seine geistigen Unruhen, die er seit jenen Tagen in seiner Kindheit nicht stillen konnte, wurden in Frankreich unerträglich und so wurde er süchtig nach Glücksspielen. Seine Jahre in Frankreich beschreibt er als: „Elend, Elend, Elend“. Ohne Geld in der Tasche, das Stipendium gestrichen und ohne Wohnung blieb er nächtelang auf der Straße, bis er sich das Rückticket in seine Heimat kaufen konnte. In diesen einsamen Stunden schrieb er sein Gedicht „Kaldırımlar“ – „Gehwege“.

Nach seiner Rückkehr nahm er verschiedene Tätigkeiten als Beamter und später in Banken auf. In diesen Jahren wechselte er einige Male berufsbedingt den Wohnort, doch bereiteten ihm seine Tätigkeiten bei verschiedenen Banken ein wohlhabendes Leben und einen exklusiven Lebensstil. Aber konnte er nie von seiner Liebe zu Istanbul ablassen, sodass er von Wohlhaben und Reichtum abließ und wieder nach Istanbul zurückkehrte, um an der Akademie der schönen Künste zu lehren. Bis er 30 Jahre alt war schrieb er drei Gedichtbücher und etliche Aufsätze in Zeitschriften.

Die Annäherung an den Islam

Bis dahin war er weit entfernt von Gott, einem festen Glauben oder der islamischen Lebensweise. Eines Tages im Jahr 1934, wieder in der Hoffnungslosigkeit verloren, lernte er auf der Suche nach Hoffnung bei einer Moscheepredigt einen Mann kennen, der sein gesamtes Leben verändern sollte.

Der sufistische Gelehrte Abdulhakim Arvasi verwandelte die Hoffnungslosigkeit und Leere in Hoffnung und Energie. Geprägt von Arvasi, begann er die türkische Politik wegen der Nachahmung der westlichen Lebensweise, Entfremdung zur eigenen Geschichte und Ungerechtigkeiten im Justizwesen zu kritisieren. Er wurde zum künstlerischen Sprachrohr der Türkei, die sowohl von rechts, als auch von links durch politische Unruhen bewegt wurde. So wurde er 1943 aufgrund verschiedener politisch positionierter Artikel in seiner selbst herausgebrachten Zeitschrift zum ersten Mal verurteilt und kam ins Gefängnis. Ab diesem Zeitpunkt wurde Necip Fazıl immer wieder für seine Kritik an der türkischen Rgierung zu Gefängnisstrafen verurteilt. Seine Verlage wurden geschlossen und seine Zeitschriften verboten, doch eröffnete er sie immer wieder aufs Neue.

Ein Leben in Sorge

Fortan führte er ein Leben zwischen seiner Wohnung und dem Gefängnis, doch mit der Zeit war er nicht mehr in der Lage seine Familie finanziell zu unterhalten und so mussten er, seine Ehefrau und ihre zwei Kinder aus der Wohnung in ein Hotelzimmer ziehen. Nach jeder Haft wurden seine Falten und Striche im Gesicht ein Stückchen tiefer. Er schrieb in einer Zeit, in der viel Zäsur in der Türkei betrieben wurde. Er schrieb in einer Zeit, wo keiner die eigene Meinung sagen durfte. Er schrieb in einer Zeit, wo Angst und Chaos über das Land herrschte. Er nutzte seine Worte, um der Gerechtigkeit willen.

In seinen letzten Lebensjahren, trotz eines ärztlichen und gerichtlichen Attests kam er 1981/1982 bei hohem Alter nochmal ins Gefängnis. Aus dem Gefängnis entlassen, müde, doch hoffnungsvoll für die nächste Generation, verbrachte er seine letzten Tage in seinem Arbeitszimmer. Am 25.05.1983 ließ er sein Bett von seinem Sohn in Gebetsrichtung ausrichten und kehrte an seinem Geburtstag zu seinem Schöpfer zurück.

Necip Fazıl Kısakürek stellt für Einige von uns ein Vorbild dar. Seine unermüdliche Hoffnung, auch an den hoffnungslosesten Tagen, sein Talent mit seinen Worten Menschen zu bewegen, haben viele von uns geprägt. Er hat uns wertvolle Werke hinterlassen. Er hat Recht und Gerechtigkeit über Reichtum, Wohlhaben oder Ansehen gestellt. Er hat das Richtige, dem Einfachen vorgezogen und allen, die es verstehen wollen, eine Lektion hinterlassen. Die in so wilden politischen Zeiten wie heute, nützlich für alle sein könnten.

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Der hier vorgestellte türkische Dichter und Denker entwickelte auch die Idee des "Großen Islamischen Ostens", nach der mehrere Staaten zu einer großen islamischen Einheit zusammengefasst werden sollen. Seine Ideen beeinflußten auch stark den Gründer der militant-islamistischen IBDA-C-Organisation, welche u.a. für die Auflösung der laizistischen Grundordnung in der Türkei mit Einführung eines Scharia-Rechtssystems kämpft. Die EU führt diese Organisation auf ihrer Liste der Terrororganisationen. Die IBDA-C folgt der Idee des Großen Islamischen Ostens nach dem Bild von Necip Fazil Kisakürek. Meine Frage: Soll das voller Hoffnung sein? Welchem Recht und welcher Gerechtigkeit in Verbindung mit welchem religiösen Extremismus soll hier das Wort geredet werden?
31.12.17
14:00
Dilaver Çelik sagt:
Necip Fazıl war nicht nur König der Dichter, er sprach als religiöser Intellektueller in einer Zeit, in der Religiosität vom Staat als "Rückständigkeit" propagiert wurde, aus der Seele der vom Staat unterdrückten religiösen Muslime. Seine Schriften gaben religiösen Muslimen Hoffnung und Mut, sich niemals aufzugeben und hielten zugleich viele religiöse Muslime weitgehend davon ab, sich zu den sinnlosen politischen Unruhen jener Zeit hinreißen zu lassen. Aus dem Gefängnis schrieb er seinem Sohn Mehmet folgende Verse, die mich bis heute faszinieren und inspirieren: "Das Morgen ist unser - gewiss unser. Sei die Sonne auf- oder untergegangen - ewig unser." (Im Original: "Yarın elbet bizim, elbet bizimdir. Gün doğmuş, gün batmış, ebed bizimdir.") Necip Fazıl lehrte uns: Man darf die Hoffnung niemals aufgeben. Vielen herzlichen Dank für diesen Beitrag.
31.12.17
19:19
Kritika sagt:
L.S. Kritika würde es sehr begrüssen, wenn Islamiq ebenso den unzähligen, lebenden, Interlektuelle ZeitungsRedakteure Schriftsteller tematisiert, die heute in mehreren Ländern wegen genau der oben beschriebenen Tätigkeiten in's Gefängnis sitzen. Nicht nur aber auch in einem Land, dass Islamiq recht nahe steht. Weil diese heute u.A. das wagen, weswegen auch bereits Maide Kurtoğlu-Keskin's Vorbild Necip Fazıl in's Gefäng nis war: « Ungerechtigkeiten im Justizwesen zu kritisieren.» Beschreiben Sie diese ebenso in der Serie « Vorbilder, die uns positiv stimmen, sind heute wichtiger denn je? » Darüber würde sich mit Kritika sicher auch Amnesty International gewaltig freuen. Gruss, Klitika.
31.12.17
20:17
Dilaver Çelik sagt:
Necip Fazıl hat niemals zu Gewalt oder Terror aufgerufen. Im Gegenteil: Er hat Gewalt abgelehnt. Seinen Kampf gegen die Unterdrückung der religiösen Muslime und gegen die Feinde des Islam hat er mit dem Stift und mit seinem Intellekt geführt. Nicht mit Waffen.
03.01.18
17:37
Tom sagt:
Mag sein, dass der Mann tatsächlich "die Feinde des Islam" mit Stift und mit seinem Intellekt bekämpft hat. Umgekehrt dulden Moslems solch einen Kampf, wenn er sich mit Kritik gegen sie richtet, jedoch keineswegs. In keinem Land sitzen mehr Journalisten in Gefängnissen, wie in islamischen Staaten. Die Türkei zählt dabei zu den Spitzenreotern mit ihrer islamistischen Regierung. Es ist eh bedenkklich, dass Moslems jeden, der sie kritisiert, als "Feind des Islam" bezeichnen und damit zu Freiwild erklären.
04.01.18
16:50
Melik Gündoğdu sagt:
Diese Lobhudelei ist einfach nur widerlich. Es mag ja sein, dass Necip Fazıl für manche ein Vorbild ist. Allein der Vollständigkeit halber hätte die Autorin aber auch seinen offenen Antisemitismus thematisieren müssen. Differenziertheit und Ausgewogenheit sieht anders aus.
05.01.18
18:06
Melik Gündogdu sagt:
Selbst ein so harmloser Kommentar wird von Ihnen gelöscht? Wirklich sehr souverän! Ich bin beeindruckt.
05.01.18
20:37