Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen der Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Taner Aksoy über die Islamdebatten in Deutschland.
IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?
Taner Aksoy: Nach dem Abitur habe ich Geschichte, Politikwissenschaften und Wirtschaftsgeschichte studiert. Im Studium habe ich mehrere Seminare zum Thema „Menschenrechte“ und „Rassismus“ besucht und gemerkt, dass mich das Thema sehr interessiert. In dieser Zeit verfestigte sich der Wunsch, auch nach dem Studium in diesem Themenbereich zu Arbeiten. Nachdem ich bei FAIR international anfing, zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten, entschloss ich mich dann, im Themenbereich „Rassismus und Diskriminierung“ zu promovieren.
IslamiQ: Können Sie uns Ihre Arbeit kurz vorstellen?
Aksoy: Meine Arbeit trägt den Titel „Islamdebatten in Deutschland – Auswirkungen und Implikationen im Feld von Schule und Berufsausbildung“. Sie besteht aus zwei Hauptthemen. Zum einen gehe ich der Frage nach, wie die Islamdebatte in Deutschland geführt wird? Welche Sprache und Bilder werden für die Darstellung eines bestimmten Islambildes benutzt. Zum anderen, und das ist der eigentliche Kern meiner Arbeit, möchte ich untersuchen, wie die Islamdebatte auf Jugendliche, die sich im Schul- bzw. Berufsschulalltag verorten, auswirkt.
IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?
Aksoy: Wissen Sie, ich begreife das Phänomen „Rassismus“ als Gift für unsere Gesellschaft. Das bedeutet, dass Rassismus und als Folge des Rassismus diskriminierende Mechanismen in allen Lebenssituationen bekämpft werden müssen.
Es gibt bei mir nicht das „traumatische Paradebeispiel“ rassistisch-diskriminierender Behandlung, an die ich mich erinnere. Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandersetze, desto klarer wird mir, dass auch ich immer wieder rassistisch und diskriminierend behandelt wurde. Ich will Ihnen das anhand einer Anekdote visualisieren: Es war in der 3. Klasse als wir eine Geschichte aus dem Schulbuch lesen mussten. Ich las den für mich vorgesehenen Abschnitt und meine Lehrerin fragte NUR mich anschließend nach den Inhalt des Abschnitts. Als ich zugab, diesen nicht verstanden zu haben, sagte sie nur kopfschüttelnd: „Gerade bei Dir war mir das schon klar“.
Im Kindesalter nehmen Sie Rassismus und/oder Diskriminierung einfach nicht wahr, weil diese Phänomene in Ihrer (Kinder-)Welt de facto nicht existieren. Solche Bemerkungen prallen an Kindern oftmals ab. Erst jetzt, Jahrzehnte später wird mir das bewusst.
Der Grund warum ich gerade dieses Thema untersuche ist nicht der offene Rassismus, mit dem ich persönlich konfrontiert wurde. Es ist vielmehr die Enttäuschung darüber, dass der Rassismus in einer für uns zunächst unvorstellbaren Weise innerhalb unserer Gesellschaft immanent ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass inzwischen Religionszugehörigkeiten als Maßstab für Rassismus-und im weiteren Verlauf für diskriminierendes Handeln genommen werden. Durch einseitige Berichterstattung wird bspw. der Islam als eine rückständige und mit demokratischen Werten inkompatible „Ideologie“ lanciert. Studien belegen seit Jahren einen Anstieg von islamophoben Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft. Genau hier setze ich an und schaue, wie sich der Diskurs um das so facettenreiche Thema „Islam in Deutschland“ auf Jugendliche im (Berufs-)Schulalltag auswirkt.
IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?
Aksoy: Im Rahmen meines Dissertationsprojektes werde ich zum einen die Islamdebatten in Deutschland untersuchen als auch Interviews mit (Berufs-)SchülerInnen führen und diese analysieren. Je mehr ich insbesondere über den Islamdiskurs in Deutschland im historischen Kontext lese, desto einleuchtender und nachvollziehbarer erscheinen mir die gegenwärtigen Debatten.
IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimische Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?
Aksoy: Ich hoffe mit meiner Arbeit aufzeigen zu können, dass der Islam bereits seit mehreren Jahrhunderten fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist und dass insbesondere Jugendliche, die ihre Zukunftsperspektive in Deutschland sehen, sensibel und kritisch mit der medialen Darstellung des Islams umgehen sollten. Denn der mediale Islamdiskurs wirkt sich in alle Lebensbereiche aus. Daher findet Diskriminierung von MuslimInnen in fast allen Lebensbereichen statt, ob in der Bewerbungsphase auf eine Einstellung, der Wohnungssuche, in der Schule oder im Alltag.
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.