MUSLIMISCHE AKADEMIKER

„Rassismus ist Gift für unsere Gesellschaft“

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen der Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Taner Aksoy über die Islamdebatten in Deutschland.

06
01
2018
Taner Aksoy © Privat
Taner Aksoy © Privat

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Taner Aksoy: Nach dem Abitur habe ich Geschichte, Politikwissenschaften und Wirtschaftsgeschichte studiert. Im Studium habe ich mehrere Seminare zum Thema „Menschenrechte“ und „Rassismus“ besucht und gemerkt, dass mich das Thema sehr interessiert. In dieser Zeit verfestigte sich der Wunsch, auch nach dem Studium in diesem Themenbereich zu Arbeiten. Nachdem ich bei FAIR international anfing, zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten, entschloss ich mich dann, im Themenbereich „Rassismus und Diskriminierung“ zu promovieren.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Arbeit kurz vorstellen?

Aksoy: Meine Arbeit trägt den Titel „Islamdebatten in Deutschland – Auswirkungen und Implikationen im Feld von Schule und Berufsausbildung“. Sie besteht aus zwei Hauptthemen. Zum einen gehe ich der Frage nach, wie die Islamdebatte in Deutschland geführt wird? Welche Sprache und Bilder werden für die Darstellung eines bestimmten Islambildes benutzt. Zum anderen, und das ist der eigentliche Kern meiner Arbeit, möchte ich untersuchen, wie die Islamdebatte auf Jugendliche, die sich im Schul- bzw. Berufsschulalltag verorten, auswirkt.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Aksoy: Wissen Sie, ich begreife das Phänomen „Rassismus“ als Gift für unsere Gesellschaft. Das bedeutet, dass Rassismus und als Folge des Rassismus diskriminierende Mechanismen in allen Lebenssituationen bekämpft werden müssen.

Es gibt bei mir nicht das „traumatische Paradebeispiel“ rassistisch-diskriminierender Behandlung, an die ich mich erinnere. Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandersetze, desto klarer wird mir, dass auch ich immer wieder rassistisch und diskriminierend behandelt wurde. Ich will Ihnen das anhand einer Anekdote visualisieren: Es war in der 3. Klasse als wir eine Geschichte aus dem Schulbuch lesen mussten. Ich las den für mich vorgesehenen Abschnitt und meine Lehrerin fragte NUR mich anschließend nach den Inhalt des Abschnitts. Als ich zugab, diesen nicht verstanden zu haben, sagte sie nur kopfschüttelnd: „Gerade bei Dir war mir das schon klar“.

Im Kindesalter nehmen Sie Rassismus und/oder Diskriminierung einfach nicht wahr, weil diese Phänomene in Ihrer (Kinder-)Welt de facto nicht existieren. Solche Bemerkungen prallen an Kindern oftmals ab. Erst jetzt, Jahrzehnte später wird mir das bewusst.

Der Grund warum ich gerade dieses Thema untersuche ist nicht der offene Rassismus, mit dem ich persönlich konfrontiert wurde. Es ist vielmehr die Enttäuschung darüber, dass der Rassismus in einer für uns zunächst unvorstellbaren Weise innerhalb unserer Gesellschaft immanent ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass inzwischen Religionszugehörigkeiten als Maßstab für Rassismus-und im weiteren Verlauf für diskriminierendes Handeln genommen werden. Durch einseitige Berichterstattung  wird bspw. der Islam als eine rückständige und mit demokratischen Werten inkompatible „Ideologie“ lanciert. Studien belegen seit Jahren einen Anstieg von islamophoben Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft. Genau hier setze ich an und schaue, wie sich der Diskurs um das so facettenreiche Thema „Islam in Deutschland“ auf Jugendliche im (Berufs-)Schulalltag auswirkt.

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?

Aksoy: Im Rahmen meines Dissertationsprojektes werde ich zum einen die Islamdebatten in Deutschland untersuchen als auch Interviews mit (Berufs-)SchülerInnen führen und diese analysieren. Je mehr ich insbesondere über den Islamdiskurs in Deutschland im historischen Kontext lese, desto einleuchtender und nachvollziehbarer erscheinen mir die gegenwärtigen Debatten.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimische Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Aksoy: Ich hoffe mit meiner Arbeit aufzeigen zu können, dass der Islam bereits seit mehreren Jahrhunderten fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist und dass insbesondere Jugendliche, die ihre Zukunftsperspektive in Deutschland sehen, sensibel und kritisch mit der medialen Darstellung des Islams umgehen sollten. Denn der mediale Islamdiskurs wirkt sich in alle Lebensbereiche aus. Daher findet Diskriminierung von MuslimInnen in fast allen Lebensbereichen statt, ob in der Bewerbungsphase auf eine Einstellung, der Wohnungssuche, in der Schule oder im Alltag.

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
@Ute Fabel Wer den Islam aktiv bekämpft, der darf auch nicht erwarten, dass er keine Gegenwehr bekommt. Islamfeindlichkeit zahlt sich niemals aus.
10.01.18
21:29
Ute Fabel sagt:
@Dilavet Celik: Entschlossene Gegnerschaft zum Islam zahlt sich aus. Das hat Mustafa Kemal Atatürk eindrucksvoll bewiesen. Es ist möglich den Islam an die Kandare zu nehmen und zu zähmen. Auch wenn das autoritäre Erdogan-Regime seine Errungenschaften untergraben wil, wirkt seine Konfrontationsbereitschaft mit diesem abergläubischen, verstandesfeindlichen Kult noch immer positiv nach.
11.01.18
15:22
Manuel sagt:
@Dilaver Çelik: Wir bekämpfen nicht den Islam ansich, sondern Islamisten wie Sie!
12.01.18
20:06
Ute sagt:
@Dilaver Çelik: Die Moslems dringen quasi als Invasoren bei uns ein und versuchen uns ihre mittelalterlichen Vorstellungen aufzuzwingen und wenn wir das nicht gut finden, werfen sie uns Islamfeindlichkeit vor, die sie dann wiederum zur Legitimation ihrer Gewalt gegen uns verwenden. Diejenigen unter den Moslems, die unsere Werte nicht teilen, können doch einfach in ihren Ländern bleiben, statt uns zu terrorisieren.
15.01.18
13:12
Harousch sagt:
Dieses pseudoliberale Rumgetue der vermeintlichen Demokratieverteidiger im Forum ist genauso verlogen wie die Angst vor der Islamisierung des Westens lächerlich durch eine Minorität innerhalb einer Gesellschaft , die sich selbst zum Erfinder des demokratischen Grundgedankens kürt und hierbei stets scheitert, weil nichts davon ernstgemeint ist. Sehr auffällig ist doch die immanente Pauschalisierung von Muslimen und des Islams. Eins vorweg, jede Debatte über den Inhalt des Korans ist zwischen Laien und Eingeweihten insofern schwierig, da einerseits die theologische Basis einer Diskussion nur einseitig sowie die Bereitschaft der Erkenntnis andererseits nicht gegeben ist. Aus diesem Grund führt jedes Weiterkommen auf der Ebene in eine Sackgasse. Ein Kommentar hat mich persönlich schon sehr verwundert, wobei man den Fortschritt des Islams bzw. der islamischen Welt von den Suchergebnissen einer Suchmaschine abhängig macht, welche seine Parameter dem Konsumfaschismus verschrieben hat. Historisch gesehen liegt die Wiege der Zivilisation immernoch im heutigen Syrien, Persien und Indien. Die Philosophen der Antike waren aktiver im damaligen persischen Reich als sie hätten jemals zuhause sein können. Die Kreuzzüge und die anschließende Kolonialisierung der islamischen sowie der südamerikanische Staaten, im Sinne einer Demokratisierung natürlich nur, haben diese Länder wirtschaftlich und soziologisch als auch politisch und kulturell um einige Jahrhunderte zurückgeworfen. Dass diese Länder immernoch mit den Folgen der Kolonialiserung zu kämpfen haben, ist allseits bekannt. Wer das verleumdet, sollte seine intellektuelle Umnachtung hier nicht länger zur Schau stellen und sich als Vollblutfaschist entarnt wissen. Nicht der Islam oder die Muslime haben ein Problem mit den Christen, sondern die Christen haben ein Problem mit dem Islam. Das ist ja auch als die mittlere von drei abrahamitischen Religionen mehr als verständlich, zumal die Bibel ja genau genommen die Thora zur Grundlage hat, zumindest im alttestamentarischen Sinne. Aus der christlichen Tradition heraus haben die Jünger Jesu bereits im 1. Jahrhundert alles erdenkliche für die Missionierung der Weltbevölkerung beitragen. Und ihre Nachkommen haben alles was sich Ihnen in den Weg stellte dem Erdboden gleich gemacht, ja sogar andere christlichorientierte Völker wurden regelrecht abgeschlachtet, wie zum Beispiel die Katharer in Frankreich. Ich spreche hier bewusst nicht vom Christentum, sondern von den „Christen“. Diese „Christen“ haben es noch lange nich verkraftet, dass es immernoch Menschen, Völker, Nationen und Religionsgemeinschaften gibt, die sich nicht mehr versklaven bzw. unterdrücken lassen werden. Aus diesem Grund ist es unsere Aufgabe, egal welcher Gemeinschaft man auch angehört, für die Menschlichkeit und die demokratischen Grundsätze innerhalb aller Gesellschaften weiterhin zu kämpfen, weil diese eine Errungenschaft der gesamten Menschheit ist, worauf niemand Besitzansprüche stellen kann. Es waren schon immer die Intellektuellen und Humanisten, die unabhängig ihrer Abstammung oder religiöser Zugehörigkeit, die Menschheit weiter gebracht haben. Die Menschheit gibt es zum Glück schon seit einigen Millionen von Jahren und wenn ich mich nicht täusche, können die westlichen Staaten sich erst seit knapp 120 Jahren an der Weiterentwicklung der Menschheit mitbeteiligen. Sehr geehrter Herr Aksoy, die Diskriminierung, egal ob offenkundig und niederschwellig gibt es leider in jeder Gesellschaft. Diese Tatsache macht ebenfalls keinen Halt in einer modernen europäischen Gesellschaft, wie in unserem schönen und pluralistischen Deutschland. Lassen sie sich bei Ihrer Arbeit von den Dammbruchargumenten einiger Mitmenschen keinesfalls entmutigen, weil sie auf der Seite des Frotschritts und Wissenschaft sowie der Wahrheit stehen. Diskriminierung macht das menschliche Selbstbewusstsein mürbe, was seitens der Wahrheitsverschleierer gewollt ist. Dies hat sicherlich mehrere Gründe wie zum Beispiel Minderwertigkeitskomplexe, sinnentleertes Leben, diffuses bis nicht vorhandenes Zugehörigkeitsgefühl und vieles mehr. Ich wünsche viel Erfolg bei Ihrem Vorhaben.
04.02.18
22:46
Johannes Disch sagt:
@Harousch (04.02.18, 22:46) Interessante Ausführungen, denen ich im großen und ganzen zustimme. Mit einigen Einwänden. Die islamische Welt hat auch schon selbst dafür gesorgt, dass sie die Vorreiterrolle verlor, die sie früher hatte. Und das lag -- in aller Kürze-- an einem reaktionär-orthodoxen Islam, der den "Islamischen Rationalismus" (9. bis 12. Jahrhundert) bekämpft und besiegt hat. Das Tor des "Idschtihad" (= "Selbständige Urteilsbemühung") wurde geschlossen. Spätestens in der Renaissance trennten sich die Wege. Während Europa auch durch die Aufklärung das autonome Individuum in den Mittelpunkt stellte und eine Trennung von Religion und Politik erreicht hat, nahm in der islamischen Welt das religiöse Element immer mehr zu. Der Sozialwissenschaftler Dan Diner bringt das Problem mit der Formel "Die Allgegenwart des Sakralen" auf den Punkt, wenn er den "Stillstand in der arabischen Welt" analysiert. Der "Arab Human Development Index" zeigt seit Jahren, auf welchen Gebieten die islamische Welt gegenüber dem Westen im Rückstand ist. (Dan Diner: "Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der arabischen Welt." , 2007)
07.02.18
11:45
grege sagt:
Nicht der Islam oder die Muslime haben ein Problem mit den Christen, sondern die Christen haben ein Problem mit dem Islam. Das gegenseitge Abschlachten zwischen Suniten und Schiiten belegt eindrucksvoll, dass derzeit der Islam nicht nur ein Problem mit Angehörigen anderer Religionen und Kulturen hat, sondern einfach mit sich selber. Hier ist mittlerweile durch die Stellvertreterkriege zwischen Iran und Saudi Arabien ein Ausmaß erreicht, was an den dreißigjährigen Krieg erinnert. Auch in diesem Artikel wird wieder überdeutlich, dass Muslime immer und immerwieder externe Einflüsse wie die Koloniallisierung für ihren Abstieg verantwortlich machen. Andere Völker wie z.B. Deutschtland mussten auch jahrzehnte Fremdherrschaft (auch aus eigenem Verschulden heraus) ertragen und haben sich dennoch zu einem attraktiven Staat entwickelt, der Millionen von Muslimen anzieht. Ebenso neigen Muslime in Sachen Fremdherrschaft zu einer doppelbödigen Moral. Die Kolonialisierung der eigenen Länder wird als Schreckensherrschaft dargestellt, die eigene Fremdbesetzung von Territorien mit andersgläubigen Menschen hingegen als kulturelle Bereicherung gepriesen. So kann man sich natürlich auch seine heile Welt schaffen....
10.02.18
19:32
Johannes Disch sagt:
@grege (Ihr Post vom 10.02.18, 19:32) Nun ja, auch in den aktuellen Konflikten im Nahen Osten mischen wir wieder kräftig mit. Die Türkei bekämpft in Syrien die kurdische YPG mit deutschen Panzern. Und die YPG wehrt sich mit deutschen Panzerabwehrraketen. Was Oliver Welke in der "Heute Show" zu der treffenden Bemerkung inspirierte: "Egal, wie es da unten ausgeht: Wir Deutsche gehören auf jeden Fall zu den Gewinnern." Noch treffender wäre: Die deutsche Rüstungsindustrie gehört auf jeden Fall zu den Gewinnern. Und auch im aktuellen Krieg im Jemen agieren die Saudis mit deutschen Panzern. Was werden wir wieder jammern, wenn Flüchtlinge aus dem Jemen vor unserer Tür stehen und uns völlig erstaunt fragen, wieso die eigentlich ausgerechnet zu uns kommen?
11.02.18
21:38
Johannes Disch sagt:
@grege (Ihr Post vom 10.02.18, 19:32) -- "Auch in diesem Artikel wird wieder deutlich, dass Muslime immer und immer wieder externe Einflüsse .... für ihren Abstieg verantwortlich machen." (grege) -- "Das gegenseitige Abschlachten zwischen Sunniten und Schiiten belegt eindrucksvoll...." (grege) -- "Stellvertreterkriege zwischen dem Iran und Saudi-Arabien..." (grege) Da müssen sie einen anderen Artikel gelesen haben, als ich. Von externen Einflüssen wie Kolonialismus ist in dem Artikel nicht die Rede. Und auch nicht von konfessionellen Konflikten innerhalb des Islam. Und auch nicht vom Krieg im Jemen. Das Thema von Herrn Aksoy lautet "Islamdebatten in Deutschland." Und dass diese zunehmend wenn nicht rassistisch, so doch populistisch geführt werden, dass kann niemand ernsthaft bestreiten, der die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat. Auch gewisse immer wiederkehrende Argumentationsmuster hier bei "Islamiq" belegen den Befund von Herrn Aksoy.
12.02.18
13:26
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