„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Muslimische KünstlerInnen nutzen die Freiheit und zeigen deutlich: Wir gehören zu Europa. Heute mit der Künstlerin Saime Öztürk („D’artagnan“)
IslamiQ: Kannst Du Dich vorstellen?
Saime Öztürk: Mein Name ist Saime und ich bin österreichische Türkin mit muslimischen Schnittstellen. Oder muslimische Türkin mit österreichischen Schnittstellen. Was auch immer, ich bin Saime, die in Österreich geboren wurde, türkische Eltern hat und in Österreich sozialisiert wurde. Wer oder was ich bin, definiere ich gerne je nach Situation anders. Was aber momentan bleibt: Ich bin als Deutschlehrerin an einem Gymnasium tätig, wo ich viele tolle und schöne Erfahrungen, neben meinem Hobby der Kunst, sammeln kann.
Vielleicht ganz kurz noch etwas zu meinem zweiten Ich „d’artagnan“. Als ich damals meinen Account eröffnet habe, war dieser mehr meinem „persönlichen“ Leben gewidmet. Von Fußfotos bis zu schönen Landschaftsbildern – ein typischer Einsteigeraccount – war alles dabei. Nachdem meine Anne (Mutter) mich dazu motiviert hat, „Kunst“ – wenn ich das überhaupt so nennen darf- zu machen, musste natürlich ein „Künstlerinnenname“ her und da wollte ich nicht einfach etwas Belangloses. So bin ich auf der Suche in meiner Kindheit fündig geworden: Meine liebste Filmfigur sollte meine Inspirationsquelle sein. D’Artagnan, der Musketier, der sich erst beweisen musste und nicht sofort in den Kreis der Auserwählten aufgenommen wurde, sollte als „Sinnbild“ für meinen Kampf mit der Kunst stehen. Ich wollte mir beweisen, dass ich mit Ehrgeiz und Geduld, etwas schaffen kann, dass man salop „Kunst“ nennen darf.
IslamiQ: Was möchtest Du mit deiner Arbeit bewirken?
Öztürk: Diese Frage habe ich mir eigentlich noch nie so wirklich gestellt. Wenn du mich so fragst, würde ich einfach sagen: Die Schönheit der Dinge im Chaos erkennen. Meine Muster, seien es die Mandala oder die geometrischen Figuren, beinhalten so viel Chaos und zugleich bergen sie so viel Schönheit und Klarheit. Es braucht Geduld und Ruhe, um sie zu machen. Vielleicht scrollen Leute durch meine Arbeiten und denken sich „Ja, schaut ganz schön aus.“, aber sie werden nicht sofort verstehen, was für ein Chaos dahinter steckt. Wie viel Arbeit es kostet. Wie viel Stunden meines Lebens darin stecken. In jedem einzelnen Bild. In jedem einzelnen „Schaut ganz schön aus!“. Deshalb ist es mir auch immer ein großes Anliegen gewesen, die Dinge zu dokumentieren und auf meinem Account eine Art „Entstehungsgeschichte“ zu präsentieren.
IslamiQ: Ist Dir Dein kultureller und/oder religiöser Background wichtig?
Öztürk: Mein religiöser Background gar nicht, mein kultureller eher, denn er inspiriert meine Arbeiten und führt mich manchmal an Orte, die ich davor nicht kannte. Ich schaue mir viele Bilder an, versuche Muster zu analysieren und überlege mir danach, wie ich sie zusammensetzen kann, damit sie am Ende typisch „d’artagnan“ sind.
IslamiQ: Wie stark beeinflusst Dein Background Dein künstlerisches Schaffen?
Öztürk: Ich glaube, dass die Antwort bereits in Frage 3 steckt. Die Studien der islamischen Geometrie oder der Cini Kunst bringen mich voran, lassen mich immer wieder staunen, wie viel Schönheit in kleinen Details liegt. Sie machen das Ganze zu dem, was es am Ende ist. Pure Magie, pure Faszination.
IslamiQ: Studien attestieren eine steigende anti-islamische Stimmung in Europa. Bist Du persönlich Diskriminierungen dieser Art ausgesetzt?
Öztürk: Ja, bestimmt. Aber, wie soll ich sagen, ich spreche ungern über „negative“ Dinge, da ich versuche, auch wenn es manchmal schwer ist, das Positive zu sehen. Ich muss auch dazu sagen, dass ich eine „Goschate“ (österreichisch für: eine Person, die nicht auf den Mund gefallen ist) bin und mir auch wenig sagen lasse. Das hat bestimmt auch was mit dem Auftreten zu tun. Da traut sich nicht jeder, etwas zu sagen.
IslamiQ: Denkst Du, dass der Islam zu Europa gehört? Wieso?
Öztürk: Ja aber klaro! Andalusien ist eines der schönsten Beispiele dafür. Die Kunst Andalusiens hat sogar österreichische Architekten beeinflusst. Es ist unmöglich eine Kultur/Religion etc. gesondert zu leben, sie hinterlässt Spuren. Und diese Spuren sind für mich ein Zeichen dafür, dass etwas „lebt“ oder „gelebt“ hat. An diesem Ort. Hier. Es bedeutet für mich Verwurzelung.