Wer keine weiße Haut hat, Kopftuch oder Sari trägt, wird oft gefragt, wie lange er oder sie denn schon in Deutschland sei. Das ist vor allem dann diskriminierend, wenn man sein ganzes Leben in Neuss oder Berlin-Wedding verbracht hat.
Wer sich durch seine Hautfarbe, ein Kopftuch oder andere äußerliche Merkmale von der Mehrheitsbevölkerung abhebt, erlebt weitaus häufiger Diskriminierung als andere Menschen mit Migrationsgeschichte. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten repräsentativen Untersuchung des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hervor.
Die von den Betroffenen empfundene Diskriminierung reicht von Gewalt, beleidigenden Äußerungen, Benachteiligungen bei der Job- und Wohnungssuche bis hin zu Handlungen, die vom Gegenüber vielleicht gar nicht unbedingt negativ gemeint sind. Dazu zählt aus Sicht vieler Zuwanderer die oft ohne böse Absicht gestellte Frage, „Wo kommst Du denn eigentlich her?“. Ein Tourist würde sich darüber wohl nur in den seltensten Fällen empören. Ein 50-jähriger Deutscher, der akzentfrei spricht und einen Afroamerikaner zum Vater hat, reagiert aber vielleicht mit Recht genervt, wenn ihm diese Frage einmal pro Woche von Menschen, die er zum ersten Mal trifft, gestellt wird. Seit dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 sei dieses „immer wieder neu ankommen“ noch häufiger geworden, erzählen Betroffene.
Von den Zugewanderten, die ihr eigenes Aussehen in der SVR-Befragung als „typisch deutsch“ beschrieben, gaben rund 17 Prozent an, sie fühlten sich aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt. Von den Studienteilnehmern „mit sichtbarem Migrationshintergrund“ berichteten dagegen 48 Prozent von Diskriminierungserfahrungen. Wenn Menschen aus dieser Gruppe der „phänotypisch Differenten“ außerdem mit Akzent Deutsch sprachen, stieg dieser Wert sogar auf 59 Prozent an.
Einen großen Effekt hat aber auch die Religionszugehörigkeit von Menschen mit ausländischen Wurzeln. Den Angaben zufolge fühlen sich 55 Prozent der zugewanderten Muslime diskriminiert. Unter den Christen mit Migrationshintergrund sind es 29 Prozent, unter den Zuwanderern ohne Glaubenszugehörigkeit 32 Prozent.
Die von der Stiftung Mercator geförderte Studie trägt den Titel: „Wo kommen Sie eigentlich ursprünglich her? Diskriminierungserfahrungen und phänotypische Differenz in Deutschland„. Ihr Autor, Alex Wittlif, weist darauf hin, dass das subjektive Erleben der Befragten nicht mit objektiver Diskriminierung gleichzusetzen sei. Denn einerseits sei nicht jede Benachteiligung für die Betroffenen erkennbar. Andererseits könnten Zuwanderer auch bestimmte Situationen fälschlicherweise als diskriminierend einstufen.
Wer gebildeter ist und sich selbst als besonders gut integriert empfindet, hat zudem oft einen höheren Anspruch in Sachen Akzeptanz und Chancengleichheit als Menschen mit niedrigem Bildungsniveau. Das könnte auch erklären, weshalb die in Deutschland ansässigen Türkeistämmigen mit hoher Bildung besonders häufig über Benachteiligungserfahrungen klagen. Der Studie zufolge hat jeder zweite Türkeistämmige mit niedriger Bildung nach eigener Aussage schon Diskriminierung erlebt. Unter den Befragten mit hoher Bildung lag der Anteil sogar bei fast 62 Prozent.
Bei den Spätaussiedlern ergibt sich ein umgekehrtes Bild. In dieser Gruppe fühlen sich die Menschen mit niedriger Bildung (40,4 Prozent) stärker diskriminiert als die Spätaussiedler mit hoher Bildung (28,7 Prozent). (dpa, iQ)