Sachsen-Anhalts AfD-Chef spricht auch den mit deutschem Pass hier lebenden Türken indirekt das Bleiberecht ab und beleidigt. Seine hetzerische Rede beim politischen Aschermittwoch könnte juristische Folgen haben.
Eine türkenfeindliche Hetzrede beim Politischen Aschermittwoch AfD in der Sächsischen Schweiz hat bundesweit für Entsetzen gesorgt. André Poggenburg, Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt, hatte die in Deutschland lebenden Türken am Mittwochabend im sächsischen Nentmannsdorf pauschal als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ verunglimpft, die in Deutschland „nichts zu suchen und nichts zu melden“ hätten. Hintergrund war die Kritik der Türkischen Gemeinde an einem in einer möglichen neuen großen Koalition geplanten Heimatministerium.
Politiker der anderen Parteien warfen Poggenburg den Versuch der Spaltung der Gesellschaft vor. Auch aus der eigenen Partei kam Kritik. Zudem wird die Rede wohl ein juristisches Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete ein Prüfverfahren ein, die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) kündigte eine Anzeige wegen Volksverhetzung an.
Die Türkische Gemeinde habe sich „herabgelassen“ und gegen das geplante Heimatministerium mit Hinweis auf die deutsche Geschichte „gezetert“, sagte Poggenburg. „Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch, für den sie bis heute keine Verantwortung übernehmen“, rief er vor rund 1200 johlenden Zuhörern.
„Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören: weit, weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern.“ Im Hinblick auf die doppelte Staatsbürgerschaft meinte Poggenburg, dass diese nicht anderes hervorbringen könne „als heimat- und vaterlandsloses Gesindel, das wir hier nicht länger haben wollen“. „Abschieben, abschieben“, skandierte daraufhin die Menge.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte die Menschen davor, sich vor diesen Karren spannen zu lassen. „Was ich sehe, ist, dass es Politiker gibt, die Maßlosigkeit in der Sprache, Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie machen“, sagte er bei einem Besuch in Halle.
Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen verwies darauf, dass es beim Politischen Aschermittwoch „bekanntermaßen gerne mal verbal auch etwas derber“ zugehe. In der Sache stellte er sich hinter seinen Parteifreund, bemerkte jedoch: „Die Wortwahl André Poggenburgs geht dessen ungeachtet deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen.“
Poggenburg selber betonte am Donnerstag, dass ihm „eine direkte Beleidigung oder Herabsetzung anderer Nationalitäten“ völlig fern liege. Zugleich warf er der Presse „zumindest teilweise, übertriebene Berichterstattung“ vor, die „nur als durchschaubarer Versuch einseitiger Stimmungsmache gewertet werden“ könne.
Die Türkische Gemeinde will es nicht dabei bewenden lassen. Der TGD-Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Solche Beleidigungen kann man nicht ignorieren und stillschweigend hinnehmen, immerhin kommen sie von einer Partei, die mittlerweile in zahlreichen Parlamenten sitzt“. Der Verband werde deshalb Anzeige wegen Volksverhetzung stellen. Auch der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) kündigte eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Beleidigung an.
Auch der Islamrat der Bundesrepublik Deutschland äußerte sich zu den türkenfeindlichen Äußerungen von Poggenburg. „Die rassistischen Äußerungen gegen Türkeistämmige und der Türkischen Gemeinde verurteilen wir aufs Schärfste. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt der Türkischen Gemeinde in ihrer Anzeige der schändlichen Äußerungen“, so der Islamrat.
Die Anzeige einer Privatperson lag der Staatsanwaltschaft Dresden am Donnerstag bereits vor. Deshalb sei ein Prüfverfahren eingeleitet worden, sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase. Dabei handelt es sich um Vorermittlungen gegen Beschuldigte, die wie Poggenburg parlamentarische Immunität genießen. Geprüft wird die strafrechtliche Relevanz der vorgeworfenen Tat. Erst wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden soll, muss der Landtag informiert werden.
Der Berliner Blogger Nathan Mattes betreibt seit November 2015 die Homepage www.wir-sind-afd.de. Auf dieser Seite führt er Originalzitate der AfD auf. Mattes hofft, durch die oft entlarvenden Zitate einer interessierten Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass die AfD keine konservative Partei
wie „die CDU früher“ ist, sondern rechtsradikale Positionen vertritt.
Die AfD versucht seit April 2017, dies zu unterbinden. Sie klagt seit Mai 2017 vor dem Landgericht (LG) Köln und verlangt von Mattes, dass er die Domain www.wir-sind-afd.de aufgibt. Dabei beruft sie sich auf das Namensrecht an der Bezeichnung „AfD“. Laut deren Anwälten würde durch die Domain eine „Namensverwirrung“ eintreten. Mattes würde sich den Namen AfD „anmaßen“, dabei legt Mattes direkt auf der Homepage offen, wofür er die AfD hält: Für eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei.
„Die AfD muss damit leben, dass die Äußerungen ihrer Funktionäre im Internet unter einer leicht auffindbaren Adresse gefunden werden.“, begründet Mattes, warum er sich gegen die Klage verteidigt und – zumindest vorerst – nicht einfach die Domain wechselt. Das LG Köln sieht dagegen erstinstanzlich die AfD im Recht. Nun muss Mattes die Rechtskosten von rund 9.500 Euro begleichen. Freunde von Herrn Mattes sammeln derweilen unter https://www.leetchi.com/c/hilfe-fuer-zeitschlag Geld für die verlorene erste Instanz. (dpa, iQ)