Andre Poggenburg's Rede

Verfassungsschutz sieht keinen Anlass für Beobachtung der AfD

Nach einer rassistischen Aschermittwochsrede des AfD-Landesvorsitzenden Andre Poggenburg sieht der Verfassungsschutz weiter keinen Anlass, die Partei zu beobachten.

17
02
2018
Andre Poggenburg (links) und Kollegen am vergangenen politischen Aschermittwoch. Trotz offenen rassistischen Sprüchen soll die AfD auch in Zukunft nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. © Facebook
Andre Poggenburg (links) und Kollegen am politischen Aschermittwoch. Trotz Rassismus soll die AfD auch in Zukunft nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. © Facebook

Der Verfassungsschutz hält auch nach rassistischen Äußerungen eines AfD-Landeschefs gegen Türken in Deutschland eine Beobachtung der Partei aktuell nicht für geboten. „Wir sehen derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsextremistisches Bestreben“, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz am Freitag auf Anfrage. „Eine Einflussnahme oder gar eine Steuerung durch Rechtsextremisten ist derzeit nicht erkennbar.“

Der Verfassungsschutz habe zu bewerten, ob eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bestehe, erläuterte die Sprecherin. Das sei nicht bei jeder „radikalen oder grenzwertigen“ Äußerung von Politikern der Fall. Unter anderem aus der SPD-Fraktion im deutschen Parlament waren nach einer Rede des Landeschefs der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, Rufe nach einer Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz lauter geworden.

Strafanzeige gegen Poggenburg

In seiner Rede zum politischen Aschermittwoch der AfD in Sachsen-Anhalt hatte Poggenburg Türken in Deutschland rassistisch beschimpft. „Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren wo sie hingehören, weit, weit, weit hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern, hier haben sie nichts zu suchen“ sagte Poggenburg unter dem Jubel von AfD-Anhängern in der Sächsischen Schweiz. Dabei bezog er sich auf Kritik der Türkischen Gemeinde in Deutschland an Plänen für ein sogenanntes Heimatministerium.

Die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland könne nichts anderes hervorbringen als „heimat-und vaterlandsloses Gesindel“, sagte Poggenburg, was die AfD-Anhänger im sächsischen Nentmannsdorf mit lauten „Abschieben, Abschieben!“-Rufen quittierten.

Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete nach einer Strafanzeige einer Privatperson ein Prüfverfahren gegen Poggenburg ein. Die Türkische Gemeinde erstattete nach eigener Auskunft am Freitag Anzeige wegen Volksverhetzung. 

„Nazis im Bundestag“

Auch der Islamrat der Bundesrepublik Deutschland äußerte sich zu den türkenfeindlichen Äußerungen von Poggenburg. „Die rassistischen Äußerungen gegen Türkeistämmige und der Türkischen Gemeinde verurteilen wir aufs Schärfste. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt der Türkischen Gemeinde in ihrer Anzeige der schändlichen Äußerungen“, so der Islamrat.

Der AfD-Bundesvorstand mahnte am Freitag Poggenburg ab. Der Beschluss sei einstimmig gefallen, teilte ein Parteisprecher mit.

„Wir haben Nazis im Bundestag“, sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir der „Heilbronner Stimme“. „Die Schattierungen der Brauntöne mögen sich unterscheiden, aber wer heute immer noch in der AfD aktiv ist, ist ein brauner und damit Gegner von allem, was unserer Republik in der ganzen Welt großes Ansehen verschafft hat.“ (dpa, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Der Verfassungsschutz selbst ist von Nazis unterwandert (siehe NSU-Skandal) und damit kein vertrauenswürdiges Organ. Wie ein Analyst im türkischen Fernsehen treffend festgestellt hat: Nicht das Volk, sondern der Verfassungsschutz ist der wahre Souverän in Deutschland. So viel zur freiheitlich-demokratischen (?) Grundordnung. Nett gemeint, in Wahrheit aber nur eine Farce.
17.02.18
16:54
Andreas sagt:
Die Sicht des Verfassungsschutzes wundert mich schon ein wenig.
19.02.18
10:02
Johannes Disch sagt:
@Dilaver Die Aktionen des Verfassungsschutzes in Sachen NSU und Verbotsverfahren der NPD waren mehr als unglücklich. Aber deshalb zu behaupten, der Verfassungsschutz in Deutschland der eigentliche Souverän, ist stark übertrieben. Und zur Analyse des türkischen Fernsehens: Regierungsunabhängige Medien gibt es in der Türkei so gut wie nicht mehr. Und zu behaupten, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wäre eine Farce, ist angesichts der Zustände in der Türkei schon ziemlich vermessen.
20.02.18
0:20
Johannes Disch sagt:
@Andreas Das liegt wohl daran, dass für ein Verbotsverfahren eine antidemokratische Haltung alleine nicht ausreicht. Eine Partei darf sogar antidemokratische Inhalte in ihrem Programm haben. Und Politiker dürfen diese antidemokratischen Inhalte sogar äußern. Sie dürfen nur nicht versuchen, diese umzusetzen. Die Aktivitäten einer Partei müssen aktiv auf eine Beseitigung der FDGO hinauslaufen. Erst dann ist ein Verbotsverfahren möglich. Für eine Beobachtung liegt die Schwelle aber niedriger. Insofern teile ich ihre Einschätzung. Meines Erachtens gab es bisher schon genügend Äußerungen von AfD-Politikern und genügend bedenkliche politische Vorschläge-- beispielsweise die Einschränkung bzw. Abschaffung des Grundrechts auf Religionsfreiheit für Muslime--, die eine Beobachtung der AfD rechtfertigen würden.
20.02.18
0:28
Ute Fabel sagt:
Die zitierte Aussage von Herrn Poggenburg ist unter jeder Kritik. Ich finde, dass man beispielsweise an der Persönlichkeit von Herrn Cem Özdemir sehen kann, welche intellektuelle Bereicherung Menschen mit türkischem Migrationshintergrund für Deutschland darstellen können.
20.02.18
9:11
Dilaver Çelik sagt:
@Johannes Disch Jetzt weiß ich zumindest, dass Sie von türkischen Medien so gut wie keine Ahnung haben. In der Türkei sind die Medien vielfältig. Ganz im Gegensatz zu den fast gleichgeschalteten Medien in Deutschland, die ins selbe Horn blasen.
20.02.18
15:51
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (Ihr 20.02.18, 15:51) Ah so, in Deutschland sind die Medien gleichgeschaltet, in der Türkei hingegen vielfältig...(Dilaver) Danke für die "Aufklärung"... *Ironiemodus* Ich werde ihren Beitrag der "Heute Show" empfehlen oder Christian Ehring in "Extra 3." Schließlich sind Satiriker immer dankbar für neuen Stoff.
22.02.18
10:36
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (Ihr Post vom 20.02.18, 15:51) Ihre Behauptung, von der angeblich ach so vielfältigen Medienlandschaft in der Türkei, ist Realsatire. Die Fakten: - Im Ranking der Pressefreiheit befindet sich die Türkei auf Platz 155 (von 180). Deutschland hingegen befindet sich auf Platz 16. (Quelle: u.a. "Reporter ohne Grenzen") - Im Augenblick befinden sich in der Türkei ca. 150 Journalisten in Haft. Das sind mehr als in jedem anderen Land der Welt. Mehr, als im autoritären Russland und im kommunistischen China. Nicht diese beiden Diktaturen halten diesen traurigen Spitzenplatz, sondern die (nur noch formal)demokratische Türkei. - Das Internet wird überwacht und zensiert, und zwar bereits seit 2014, also lange vor dem Putschversuch. Beispielsweise ist die Internet-Enzyklopädie "Wikipedia" inzwischen komplett gesperrt. - Zahlreichen TV- und Radio-Sendern wurde einfach die Lizenz entzogen und die Rundfunk-und TV-Anstalten willkürlich geschlossen. Das sind nur die eklatantesten Verstöße der Türkei gegen die Pressefreiheit. Es würden sich problemlos noch mehr aufzählen lassen. -
22.02.18
13:06
Johannes Disch sagt:
Es gibt allerdings schon einige AfD-Politiker, die seit geraumer Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Das ist auch angebracht.
27.02.18
12:59