Hilfsorganisationen kritisieren die wiederholten Sammelabschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan. Betroffene seien oft erneut gezwungen vor der Gewalt im Land zu fliehen.
Angesichts der Situation in Afghanistan haben Hilfsorganisationen die für Dienstag geplante zehnte Sammelabschiebung von Afghanen heftig kritisiert. „Es ist pures Wunschdenken, wenn deutsche Behörden behaupten, es gebe Sicherheit in Afghanistan. Denn jeden Tag hat sich im Jahr 2017 die Zahl der Afghanen auf der Flucht um durchschnittlich 1.200 Menschen erhöht“, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag in Göttingen. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach von einem unverantwortlichen Schritt und forderte einen Abschiebestopp.
GfbV-Direktor Ulrich Delius sagte am Montag in Göttingen, rund 70 Prozent des Landes würden von Warlords und Extremisten kontrolliert. „Neueste Statistiken belegen, dass fast drei Viertel aller nach Afghanistan zurückkehrenden Flüchtlinge innerhalb von wenigen Monaten erneut vor Gewalt fliehen müssen.“ Delius verwies auf eine im Januar veröffentlichte Studie des Norwegian Refugee Council, nach der durchschnittlich in jeder Stunde 50 Afghanen vor Gewalt fliehen müssten. Allein im Jahr 2017 hätten nach UN-Angaben 471.677 Menschen aus 31 der 34 Provinzen des Landes aufgrund von politisch motivierter Gewalt fliehen müssen. „Die Zahl der Binnenflüchtlinge ist damit rund viermal so hoch wie vor fünf Jahren.“
Wie dramatisch die Sicherheitslage sich verschlechtert habe, werde auch an der zunehmenden Zahl von Angriffen auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen deutlich, sagte Delius. Die Zahl der Übergriffe auf Helfer habe sich 2017 mit 388 registrierten Zwischenfällen gegenüber dem Vorjahr (200 Angriffe) fast verdoppelt. Bei der Gewalt seien 21 Helfer getötet und 33 Personen verletzt worden, 149 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien im vergangenen Jahr entführt worden.
Pro Asyl warf Bund und Ländern vor, die Augen zu verschließen und sich hinter Schutzbehauptungen zu verstecken. „Über 10.000 zivile Opfer in einem Jahr sowie Anschläge selbst in der hochgesicherten Hauptstadt Kabul zeigen die Eskalation“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Der Bundesnachrichtendienst gehe davon aus, dass bereits 40 Prozent des Landes nicht mehr von der Regierung, sondern von Widerstandsgruppen kontrolliert werden. (KNA/iQ)