Die Tafel in Essen schließt ausländische Kunden vorläufig aus und erntet bundesweit starke Kritik für diesen Beschluss.
Der von der Essener Tafel verhängte vorläufige Aufnahmestopp für ausländische Kunden sorgt weiter für Diskussionen. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Tafeln, Jochen Brühl, distanzierte sich am Freitag im ARD-Morgenmagazin von dem Schritt, warb aber zugleich um Verständnis. Die Initiative aus Essen zeige die „Überforderung von Tafeln in Deutschland“. Dahinter steckten keine rassistischen Motive.
Kritik kam aus der nordrhein-westfälischen Landesregierung. „Nächstenliebe und Barmherzigkeit kennen grundsätzlich keine Staatsangehörigkeiten“, sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Er habe deswegen „persönlich Zweifel“, ob die Staatsangehörigkeit das richtige Kriterium sei, um die große Nachfrage bei den Tafeln konfliktfreier organisieren zu können.
Caritas-Präsident Peter Neher rief in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) zu Besonnenheit bei dem Thema auf und warnte vor „einer populistischen Debatte, die hilfebedürftige Menschen verletzt“. Die Vorgänge in Essen machten ihm wegen der großen öffentlichen Aufmerksamkeit Sorgen.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, sprach von einem völlig inakzeptablen Vorgehen. „Wir erwarten deshalb ganz klar von der Organisation, dass sie diese Diskriminierung sofort beendet.“
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht hinter dem Aufnahmestopp ein größeres Problem. Die Tafeln seien „Lückenbüßer“ dafür, dass staatliche Leistungen nicht ausreichten. Der Paritätische forderte von der Essener Tafel, mit der Kommune und Wohlfahrtsverbänden nach anderen Lösungen zu suchen.
Bei der Tafel in Essen stieg nach Angaben des dortigen Vorsitzenden Jörg Sartor der Anteil der nicht-deutschen Kunden seit 2015 von 35 auf 75 Prozent an. Durch Flüchtlinge und Zuwanderer seien ältere Tafel-Nutzerinnen und Alleinerziehende einem Verdrängungsprozess zum Opfer gefallen. Der Aufnahmestopp für Ausländer werde seit Mitte Januar umgesetzt und solle so lange bestehen, „bis die Waage wieder ausgeglichen ist“.
Im Morgenmagazin beklagte der Vorsitzende der Essener Tafel eine immer aggressivere Atmosphäre bei der Lebensmittelverteilung, zu der den Angaben zufolge unter anderen Syrer und Russlanddeutsche beitrügen. „Wenn wir hier um neun Uhr die Tür aufmachen, dann wird die Oma, die seit sieben Uhr da steht, weggeschubst.“
Der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer, dessen Gemeinde ebenfalls eine Tafel betreibt, wandte sich gegen den Ausschluss bestimmter Bedürftiger. „Wie wollen Sie das denn alles sortieren? Das geht doch gar nicht“, sagte er im Kölner domradio. „Die tun mir leid in Essen. Denn offensichtlich ist die Not da so groß, dass die es nicht mehr bewältigt bekommen. Das ist schlimm.“
In Bochum-Wattenscheid werden laut ARD-Morgenmagazin arabische Personen mit Deutschkenntnissen als Bedienung eingesetzt. Wenn Mitarbeiter die Sprache verstünden, sei direkt „eine andere Meinung im Gelände“, so Manfred Baasner von der Wattenscheider Tafel. (KNA/iQ)
Die Essener Tafel nimmt zur Zeit nur noch Deutsche © Marco Verch auf © flickr, CC 2.0, bearbeitet iQ