Belgien

„Kopftuchverbot verstößt gegen die Religionsfreiheit“

Eltern klagten gegen das Kopftuchverbot in Belgien. Das Zivilgericht gab ihnen Recht und entschied, dass das Kopftuchverbot in flämischen Schulen gegen die Religionsfreiheit verstoße.

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02
2018
Symbolbild: Kopftuch, Kopftuchverbot © shutterstock
Symbolbild: Kopftuch, Kopftuchverbot © shutterstock

Die Eltern von elf Schülerinnen aus zwei Sekundarstufen in Maasmecheln zogen Anfang dieses Jahres vor Gericht, um gegen das allgemeine Kopftuchverbot zu klagen. Sie wollten, dass ihre Kinder ein Kopftuch in der Schule tragen dürfen. Nun entschied das Zivilgericht in Tongeren, dass das Kopftuchverbot gegen die Religionsfreiheit verstoße und die elf Schülerinnen ein Kopftuch in ihrer Schule tragen dürfen, so flanderninfo.be.

„Das Gericht hat Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihr Urteil einfließen lassen. Die verpflichtet alle Europäischen Mitgliedstaaten, also auch Belgien, ihren Bürgern die Ausübung der Religionsfreiheit in vollem Umfang zu erlauben“, wird Richterin Ariane Braccio zitiert. Es gebe Ausnahmen, doch die seien in diesem Fall nicht zutreffend.

Die Schuldirektionen verwiesen in ihrer Argumentationen auf die allgemeinen Regeln des Unterrichtswesens. Diese beinhalten auch ein allgemeines Verbot gegen das Tragen von weltanschaulichen Symbolen, wie das Kopftuch im Unterricht.

Medienberichte zufolge haben fünf der Mädchen inzwischen die Schule gewechselt. Die anderen sechs dürfen, falls die Schulen keine Berufung gegen das Urteil einlegen, von nun ab ein Kopftuch in ihrer Schule tragen. Jedoch werde mit dem Urteil nicht das allgemein gültige Kopftuchverbot an flämischen Schulen gekippt.

Leserkommentare

Manuel sagt:
@Andreas: Sicher, es wird verlangt, dass ich mich diesen islamischen Dogma unterwerfen muss!
04.03.18
10:22
Johannes Disch sagt:
@Manuel Sie werden zu gar nix gezwungen. Sie haben einfach nur zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die andere Wertvorstellungen haben und diese auch zeigen. Religionsfreiheit ist ein Grundrecht. Und solange dadurch kein Grundrecht eines anderen eingeschränkt wird, ist das Tragen eines religiösen Symbols unproblematisch. Eine Muslimin mit Kopftuch schränkt keines ihrer Rechte ein. Nur weil sie gewisse religiöse Symbole nicht mögen ist das noch lange kein Grund, dass andere es nicht tragen und zeigen dürfen. -- "Es gibt keinen gesetzlich verbrieften Anspruch, vom Anblick religiöser Symbole verschont zu werden", so das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil 2016. Ich mag zum Beispiel keine Ganzkörpertätowierungen. Bin aber trotzdem dem "Zwang" ausgesetzt, dass mir am Strand oder im Schwimmbad gelegentlich Menschen mit Ganzkörpertätowierung begegnen.
09.03.18
10:48
GBN sagt:
@ Manuel (als Prototyp) Es ist schon verblüffend, mit welcher Mischung aus Ahnungslosigkeit und Selbstgefälligkeit manche Menschen ihr Weltbild für das einzig wahre halten, es für alle zur Richtschnur erklären ("ich will nicht, dass mein Auge etwas anderes sehen muss") und damit zeigen, dass sie sich um Recht und Gesetz nicht scheren oder keine Ahnung davon haben. Das wäre nicht so ärgerlich, wenn sie nicht gleichzeitig auf die Werte der Aufklärung pochen würden oder sich für aufgeklärt halten. Aber sei`s drum. Wir können uns sicherlich darauf einigen, dass wir uns den Menschenrechten und in Deutschland dem Grundgesetz verpflichtet fühlen und dass das der Rahmen ist, in dem wir uns alle bewegen sollen, oder? Falls ja, dann jetzt die Augen aufmachen und die Ohren spitzen und sich das Ganze ein für alle Mal hinter selbige schreiben. "Frauen vorzuschreiben, ein Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen, widerspricht Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem die Freiheit verankert ist, seine Religion oder seinen Glauben in der Öffentlichkeit oder privat zu äußern." (Das ist nicht nur die Auslegung von Idriss Jazairy, algerischer Botschafter und Geschäftsführer des Genfer Zentrums für die Förderung der Menschenrechte und den globalen Dialog, aber gerade ein brandaktuelles Zitat von ihm). Das Bundesverfassungsgericht sagt in ständiger Rechtsprechung (bspw. 2 BvR 1436/02) zu Artikel 4 GG (Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit): „Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze, sondern auch solche religiösen Überzeugungen, die ein Verhalten als das zur Bewältigung einer Lebenslage richtige bestimmen.“ Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit garantiert die Entscheidungsfreiheit darüber, welche religiösen Symbole man anerkennt und verehrt oder ablehnt. SIE IMPLIZIERT NICHT DAS RECHT, VON FREMDEN GLAUBENSBEKUNDUNGEN, KULTISCHEN HANDLUNGEN UND RELIGÖSEN SYMBOLEN VERSCHONT ZU BLEIBEN. Es gibt genügend Länder, die diese Rechte mit Füßen treten und keiner von uns möchte dort leben. Deshalb liegt es in unserem ureigenen Interesse, dafür zu sorgen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland weder kleingeredet noch aus politischen oder sonstigen kurzsichtigen Interessen eingeschränkt wird. Schließlich gibt es keine Garantie dafür, dass man nie zu einer Gruppe gehören wird, die plötzlich "nicht mehr dazugehört" und entsprechend zum Drangsalieren freigegeben wird. Andererseits könnte es natürlich sein, dass einige Menschen mit so viel Freiheit (für andere) einfach nicht zurechtkommen und sich lieber eine uniforme Gesellschaft zurechtträumen. Deutschland durch permanentes Schlechtreden und Einschränken der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu einem repressiven Staat zu machen, ist sicherlich der dümmste Weg, um solche Träume wahr werden zu lassen. Auswandern wäre dann eine win-win-Situation: Man ist sofort da, wo alle nach den eigenen Vorstellungen leben und die, die die Vielfalt in Deutschland positiv sehen, müssen sich nicht länger mit der heiligen Einfalt herumschlagen.
09.03.18
11:36
Manuel sagt:
@GBN: Das Ziel sollte sein, Deutschland zu einem laizistischen Staat nach dem Vorbild Frankreich zu machen und unsere Kinder vor religiöser Indoktrination zu schützen, statt wie Sie es offenbar gerne haben diese auch noch zu fördern. Was passier, wenn eine Religion in einem Staate die Macht übernimmt, können Sie sich in den islamischen Ländern ansehen, denn dann ist es aus mit der von Ihnen beschrieben Freiheit. Religionen und Freiheit sind schon mal zwei gegensätzliche Punkte, denn jede Religion will mit Ihrem Absolutheitsanspruch jede andere sofort unterdrücken.
11.03.18
20:28
Johannes Disch sagt:
@GBN (Ihr Post vom 09.03.18, 11:36) Großartige Ausführungen! Danke dafür!
12.03.18
10:28
Johannes Disch sagt:
@Manuel (Ihr Post vom 12.03.18, 10:28) Man kann immer mit den Extremen argumentieren ("Religionsstaat" in islamischen Ländern). Wie ich schon öfters ausführte, sind Religionsfreiheit und Laizismus keine Gegensatze. Im Gegenteil: Der Laizismus soll Grundrechte des Individuums-- und dazu gehört die Religionsfreiheit-- vor den Eingriffen des Staates schützen. Unser Säkularismus hat sich in Deutschland bewährt. Die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche sind in vielen (demokratischen) Ländern unterschiedlich. Die Ganze hat historische Gründe. Man kann historisch gewachsenes nicht einfach auf den Kopf stellen und umtauschen wie ein Paar Schuhe. Unser Grundgesetz ist nur ganz schwer zu ändern. Und viele Paragrafen unserer Verfassung stehen unter "Ewigkeítsvorbehalt" ("Ewigkeitsklausel" Art. 79 GG) und dürfen gar nicht geändert werden, auch nicht mit Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die noch immer größte deutsche Volkspartei trägt ein "C" im Namen. Das gilt auch für ihre bayerische Schwesterpartei. Es ist nicht zu erwarten, dass diese beiden Parteien das Religionsverfassungsgesetz ändern werden-- was sie übrigens auch gar nicht dürften. Die Diskussion "Laizismus statt Säkularismus für Deutschland" ist also eine überflüssige Gespensterdiskussion. -- "Religion und Freiheit sind 2 gegensätzliche Punkte..." (Manuel) Nein. Es kommt darauf an, wie man dieses Verhältnis balanciert. Religionsfreiheit ist ein Grundrecht. Es ist nicht nur in unserer Verfassung verankert, sondern auch in der EMRK und in der UN-Charta. "GBN" hat in ihren (oder seinen?) Ausführungen (09.03.18, 11:36) doch prima erläutert, dass es ein Grundrecht ist, seinen Glauben auch sichtbar praktizieren zu dürfen. Hier ist unsere Verfassung eindeutig! Und ebenso eindeutig sind die Ausführungen und die Urteile des obersten deutschen Gerichts. Es hat etwas von Paranoia, dass manche hier wegen einem Stück Stoff in Panik geraten und deshalb ohne mit der Wimper zu zucken für eine ganze Gruppe (Muslime) die Grundrechte einschränken oder gar abschaffen würden! DAS ist beängstigend. Und nicht einige Muslim-Ladies mit Kopftuch.
12.03.18
10:44
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Ich halte es beängstigend, wenn ich mir die islamische Länder ansehe, denn da sieht man was passiert, wenn diese Religion einmal die Mehrheit hat. Und man kann sich doch für einen konsequenten Laizismus einsetzen, die SPD hat dies früher einmal gemacht, bevor Sie vergessen hat, was das und linke Religionskritik ist. Wenn Religionen zuviel Einfluss auf einen Staat haben, dann ist es bald vorbei mit der Freiheit, auch mit der von Ihnen beschrieben Religionsfreiheit. Und nochmal Verfassungen sind nicht ein Stein gemeiselt, die kann man sehr wohl ändern und es gibt auch in laizistische Staaten christlich-konservative Parteien, dass ändert ja nichts am Staatsverständnis. Zu Ihrem Argument "historisch gewachsen", dass sind viele Gesetze und Vorschriften, auch verfassungsmäßige, früher war es üblich Homosexuelle einzusperren, auch dies war historisch gewachsen, dies hat man nun geändert, ähnlich kann es auch mit dem Laizismus sein. Weiters tun Sie immer so, als wenn ein konsequenter Laizismus gegen die Menschenrechte verstießen würde, sind denn etwa laizistische Staaten wie Frankreich oder Indien menschenverachtende Diktaturen für Sie? Der deutsche Säkularismus steht nun vor der Herausforderung Islam, mit dem hatten die damaligen Gründerväter noch nichts zu tun, also kann man hier gar nicht historisch argumentieren, man muss auch Gesetze an die Gegenwart anpassen. Wenn der Islam mehr wird in Deutschland, wird dieser auch bald politisch aktiv werden und da haben wir dann ein großes Problem.
12.03.18
20:01
Johannes Disch sagt:
@Manuel (Ihr Post vom 12.03.18, 20:01) Man kann nicht automatisch von den "islamischen Ländern"-- ein problematischer Begriff, da die Dinge in Marokko anders liegen als beispielsweise im Iran-- auf die Muslime schließen, die bei uns in Europa und in Deutschland leben. Und auch in Europa ist die muslimische Community nicht einheitlich. So ist der Hintergrund der Muslime, die in Frankreich leben-- hauptsächlich Menschen aus dem Maghreb, aus den ehemaligen französischen Kolonien--, ein völlig anderer als der Muslime, die bei uns in Deutschland leben. Das sind überwiegend Türken. Und dementsprechend unterschiedlich ist ihre Auffassung vom Islam. Man muss also immer eine Binnendifferenzierung vornehmen, sowohl beim Blick auf die einzelnen Länder (n der islamischen Welt und in Europa) als auch auf die Menschen, die dort leben. Und was die Historie unserer Verfassung betrifft: Natürlich waren viele der Probleme, die wir heute haben, bei der Erarbeitung unserer Verfassung noch nicht vorherzusehen. Das ist aber kein Grund, sie zu ändern. Verfassungen sind elementare Grundlagen eines Gemeinwesens, mit denen man nicht leichtfertig spielen sollte, nur weil es mal ein tagespolitisches Problem gibt, das nicht gleich lösbar ist. Die US-Verfassung ist über 200 Jahre alt, also viel älter als unser Grundgesetz. Und kein vernünftiger Amerikaner würde auf die Idee kommen, sie zu ändern wegen des islamistischen Terrorismus. Die Probleme mit dem politischen Islam erfordern andere Instrumente als die Änderung unserer Verfassung. Zudem sollte man das ganze nicht so dramatisch sehen. Der politische Islam ist längst gescheitert. Und die meisten Muslime, die bei uns leben, haben mit dem islamistischen Extremismus nix am Hut und verhalten sich anständig.
14.03.18
12:20
Manuel sagt:
@Johannes Disch: In der USA gibt es Verfassungszusätze, die die Verfassung ändern können, also gibt es immer Möglichkeiten, Gesetze sind doch nicht starr, ich weiß nicht wieso Sie ständig meinen, alles soll immer so bleiben wie es ist, dass ist eigenlich stockkonservativ. Und wo ist denn der politische Islam gescheitert? Ich sehe eher das Gegenteil, Erdogan wird in der Türkei immer stärker, zerstört den Säkularismus und wandelt die Türkei in eine islamistische Diktatur um. Bei uns nehmen die Kopftücher ständig zu statt ab und es entstehen auch schon islamistische Parteien nach dem Vorbild der AKP. Selbst mit Niqabs und Burkas müssen wir uns plötzlich beschäftigen, es passiert also genau das Gegenteil, nicht der liberale Islam wird mehr, sondern der erzkonservative bzw. politische Islam. Genau die selbe Entwicklung wie in der Islamischen Welt, der islamische Erzkonservativismus bzw. Islamismus ist auf den Vormarsch, selbst in den Ländern wie Indonesien, wo jetzt sogar ein Gesetz diskutiert wird, das außerehelichen Geschlechtsverkehr unter Strafe stellt oder nehmen Sie Ägypten her, noch in den 1990er waren dort auf den Straßen, Kopftücher eine Seltenheit, jetzt sieht man fast nur mehr welche, wir sehen also wohin der Zug fährt und das spüren wir jetzt auch in Europa, deshalb müssen wir jetzt endlich gegensteuern und da kann ein konsequenter Laizismus eine Lösung sein.
15.03.18
19:27
Johannes Disch sagt:
@Manuel Sie werden aber nicht erleben, dass ein "Amendment" (= US-Verfassungszusatz) die Religionsfreiheit einschränkt. Im Gegenteil: Religionsfreiheit ist in den USA viel weiter gefasst als bei uns. Die Amis lachen sich schlapp über den Veitstanz, den wir wegen des Kopftuchs veranstalten. In den USA würde kein Mensch auf die Idee kommen, das Kopftuch verbieten zu wollen.
21.03.18
14:44
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