Die Tafel in Essen bleibt bei ihrem Aufnahmestopp für Ausländer. Am Mittwoch stellte der Verein neue Bezugskarten für Lebensmittel aus – an Deutsche. Doch die Debatte geht weiter. Politiker und muslimische Vertreter appellieren: Die Herkunft darf kein Kriterium sein.
Die Essener Tafel hat am Mittwoch wie geplant neue Bezugskarten für Lebensmittelpakete an bedürftige Deutsche ausgegeben. Dabei wurden mehrere Bewerber mit ausländischem Pass weggeschickt, wie ein dpa-Reporter berichtete. Mehrere Dutzend Menschen standen demnach am Morgen für neue Berechtigungen an. Wer keine Kundenkarte bekam, wurde gebeten, in sechs Wochen wiederzukommen. Alles lief dabei friedlich ab, es gab keine lautstarken Proteste.
Die Entscheidung des Vereins, bedürftigen Ausländern neue Bezugskarten für Lebensmittel vorerst zu verwehren, sorgt bundesweit für heftige Debatten. „Ich kann nur appellieren an unsere Gesellschaft, dass wir uns nicht definieren über deutsch oder nicht deutsch, sondern dass wir uns definieren über anständig und unanständig“, sagte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag. „Wer an einer Tafel sich nicht anständig benimmt, der gehört da dauerhaft ausgeschlossen – und da ist es auch völlig egal, ob er einen Fluchthintergrund hat oder nicht. Wer sich nicht benimmt, hat an einer Tafel nichts verloren.“
Stamp kündigte an, sich am Samstag selbst ein Bild vor Ort zu verschaffen und mit den Beteiligten zu reden. Generell müsse bei dem Angebot nicht die Herkunft, sondern die Bedürftigkeit entscheidend sein, sagte der Minister.
Die Essener Tafel begründet ihr Vorgehen mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hatte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor gesagt.
CSU-Chef Horst Seehofer zeigte Verständnis für die Entscheidung. „Das ist ja ein Hilferuf von Menschen, die sich um Mitmenschen kümmern“, sagte er im Münchner Presse Club. „Und ich würde uns Politikern empfehlen, solche Dinge nicht zu kritisieren, sondern miteinander zu überlegen, wie man denen, die diesen Hilferuf absetzen, helfen kann.“
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping forderte einen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Sie wolle nicht über irgendwelche Quoten nach Nationalitäten für die Nutzer der Tafeln diskutieren, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich möchte darüber diskutieren, wie wir möglichst die Tafeln überflüssig machen, weil niemand mehr hungern muss in diesem Land.“
Trotz der massiven Kritik hält die Tafel vorerst an dem Aufnahmestopp für Ausländer fest, strebt aber eine Neuregelung bei der Lebensmittelverteilung an. Die Stadt Essen und der Vorstand hatten am Dienstag in einer Krisensitzung die Gründung eines Runden Tisches beschlossen. Dieser soll innerhalb der nächsten zwei Wochen zusammenkommen, um Lösungsansätze zu beraten. Im Fokus der Tafel stünden Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern, hieß es.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Einrichtung des Runden Tisches. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, die Kanzlerin sehe den Einsatz von Ehrenamtlichen zur Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige mit „größtem Respekt“. Das habe sie auch in einem Telefongespräch mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) deutlich gemacht. „Ein bedürftiger Mensch ist ein bedürftiger Mensch“, sagte Seibert. Die Staatsangehörigkeit sei dafür keine Richtschnur.
„Die gerechte Verteilung von Lebensmitteln obliegt nicht nur der Essener Tafel, sondern ist auch Pflicht von Hilfeempfängern. Die Kritik an der Essener Tafel ist in der Sache berechtigt, im Ton und in dieser Härte jedoch überzogen“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich der anhaltenden Diskussionen um die Essener Tafel, die entschieden hat, vorerst keine ‚Ausländer‘ mehr als neue Kunden aufzunehmen.
Grundsätzlich sei der Anspruch der Essener Tafel, für eine gerechte Verteilung von Lebensmitteln für alle Menschen vor Ort zu sorgen, zu begrüßen. Zwischen Menschen, die neu in unser Land gekommen seien und einheimischen Bedürftigen gebe es selbstverständlich keine Rangordnung. Unzulässig sei auch die Unterscheidung nach der Staatsbürgerschaft. „Es gilt der Grundsatz, dass die Bedürftigkeit entscheidend ist, und nicht die Herkunft, die Ethnie, die Religion oder andere sachfremde Kriterien“, so Altaş. (dpa, iQ)