Hessen

Beirat fordert Gleichstellung muslimischer Gefängnisseelsorger

Die Zahl der muslimischen Seelsorger in hessischen Gefängnissen steigt. Im Gegensatz zu ihren christlichen Kollegen arbeiten sie auf Honorarbasis. Das will der Landesausländerbeirat ändern.

05
03
2018
gefaengnis
Ein Aufenthalt im Gefängnis soll resozialisieren - Seelsorger können dabei helfen © by michimaya auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Muslimische Seelsorger in Gefängnissen sollen nach einer Forderung des Landesausländerbeirates in Hessen mit ihren christlichen Kollegen arbeitsrechtlich gleichgestellt werden. Der Vorsitzende Enis Gülegen pochte bei einer Tagung am Samstag auf eine finanzielle Absicherung der Imame, die Häftlinge betreuten. „Die muslimischen Seelsorger müssen genauso anerkannt werden wie die christlichen“, sagte Gülegen in Rödermark nahe Frankfurt bei einer gemeinsam Sitzung des Landesausländerbeirates mit Vertretern aus Politik und verschiedenen Religionsgemeinschaften.

Der Bedarf an muslimischen Seelsorgern ist in den vergangenen Jahren in Hessen gestiegen. Betreuten 2014 noch sechs Imame hessische Gefangene, sind es aktuell 14. Eine weitere Stelle soll in den kommenden Monaten besetzt werden. Rund 1200 Inhaftierte in hessischen Gefängnissen sind Muslime. In Jugendvollzugsanstalten liegt der Anteil muslimischer Gefangener bei fast 50 Prozent.

Da es aber keine muslimische Anstalt öffentlichen Rechts gebe, gestalte sich die finanzielle Absicherung der Imame schwierig, sagte der stellvertretende Leiter des Justizvollzugs des Landes Hessen, Daniel Kämmerer.

Status ausschlaggebend für Arbeitsverhältnis

Um als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, müssen Religionsgemeinschaften ein aktuelles Mitgliederverzeichnis sowie eine gefestigte Organisationsstruktur vorweisen. Das bedeutet auch, dass es legitimierte Autoritäten innerhalb der Religionsgemeinschaft geben muss, wie zum Beispiel Bischöfe im Christentum. Dieser Körperschaftsstatus ist ausschlaggebend für das unterschiedliche Arbeitsverhältnis.

Das Land Hessen hat als Arbeitgeber somit in den beiden christlichen Kirchen weisungsgebundene Ansprechpartner, die bei der Vielzahl an muslimischen Gemeinden fehlen.

„Es hängt stark vom Bedarf der jeweiligen Justizvollzugsanstalten ab. Die Zahlen steigen, aber in naher Zukunft wird es da keine Änderung geben“, sagte Kämmerer weiter mit Blick auf das Beschäftigungsverhältnis.

„Gefängnisse sind keine Brutstätten für Radikalisierung“

Bislang werden muslimische Seelsorger auf Honorarbasis frei beschäftigt, während ihre christlichen Kollegen fest angestellt sind. „Für uns gibt es keine nachhaltige Sicherheit“, beklagte Imam Mustafa Cimşit. „Wir tragen eine hohe psychische Belastung und werden in der Schwebe gelassen.“ Cimşit ist Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt I und IV in Frankfurt. „Integration und Seelsorge gehen Hand in Hand. Lassen wir eines außer Acht, scheitern wir“, betonte er. „Gefängnisse sind keine Brutstätten für Radikalisierung, aber sie können es werden.“

„Uns ist es wichtig, dass die Imame möglichst nah an der Lebenswirklichkeit der Muslime sind und dass sie resozialisieren, ohne zu missionieren“, sagte El Hadi Khelladi. Der Sozial- und Islamwissenschaftler engagiert sich im Netzwerk zur Deradikalisierung im Strafvollzug (NeDiS). NeDiS ist ein Programm des Landes Hessen und kümmert sich um die Auswahl und die Schulung der Imame. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Die Forderung ist völlig berechtigt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
05.03.18
22:39
Ute Fabel sagt:
Die Trennung von Staat und Religionen ist ein hohes Rechtsgut. Es darf keinesfalls untergraben, sondern muss weiter ausgebaut werden. Gefängnisse sind staatliche Einrichtungen. Der Staat sollte weder christliche noch islamische Gefängnisseelsorger in welcher Form auch bezahlen. Für die Kosten von Religionsvertretern, die Gefängnisse aufsuchen wollen, sollten die Religionsgemeinschaften selbst aufkommen. Der Staat sollte stattdessen für die Inhaftierten die professionelle psychologische Beratung ausbauen.
06.03.18
10:38
Johannes Disch sagt:
Religionsfreiheit ist ein Grundrecht. Und ein Mensch, der im Gefängnis sitzt, verliert seine Grundrechte nicht. Er hat also einen Anspruch auf religiöse Seelsorge. Die Trennung von Staat und Kirche geht fehl, da es diese konsequente Trennung in Deutschland nicht gibt. Deutschland ist kein laizistischer Staat, sondern ein säkularer. Dasselbe gilt übrigens auch für Österreich. Österreich hat übrigens sehr erfolgreiche islamische Gefängnisseelsorger. Einer von Ihnen--Ramazan Demir--ist kürzlich im deutschen TV bei "Markus Lanz" aufgetreten. Das waren sehr interessante Ausführungen. Die Sendung ist noch abrufbar in der ZDF-Mediathek. Im übrigen kennt auch das laizistische Frankreich religiöse Gefängnisseelsorge. Und viele von Ihnen werden vom laizistischen Staat bezahlt und sind bei ihm angestellt. Es ist also keineswegs so, dass sich Laizismus und staatliche Gefängnisseelsorge ausschließen. Die Gefängnisse in Frankreich sind übrigens in einem bedenklichen Zustand (Siehe: "Frankreich. Die Gefängnisse sind tickende Zeitbomben." -Deutschlandfunk, 24.07.17). Die Franzosen erliegen offenbar dem Irrtum, Probleme ließen sich einfach wegsperren. Aber Jahrzehnte verfehlter Integrationspolitik sind mit Gefängnissen alleine nicht zu lösen. Psychologische Betreuung ist in Gefängnissen längst obligatorisch. Beides schließt sich nicht aus und beides gibt es: Psychologische Betreuung und religiöse Seelsorge. Wie gesagt; auch ein Gefangener ist Träger von Grundrechten, wozu Religionsfreiheit gehört, weshalb religiöse Gefängnisseelsorge ein Gut ist, das der Staat bereitstellen muss. Das gilt auch für einen laizistischen Staat. Auch im laizistischen Frankreich ist Religionsfreiheit ein Grundrecht, weshalb Frankreich staatliche Gefängnisseelsorger hat. Man kann den Franzosen ja so einiges vorwerfen an politischen Versäumnissen. Aber die Grundrechte halten sie ein und gewähren sie-- anders, als so mancher hier bei "islamiq."
07.03.18
14:51
Johannes Disch sagt:
Neben der Tatsache, dass Religionsfreiheit ein Grundrecht ist, das auch ein Gefangener hat, weshalb der Anspruch auf religiösen Beistand berechtigt ist, gibt es noch ein handfestes praktisches Argument, das für vom Staat organisierte Seelsorge spricht: Die Rückfallquote unter psychologisch und seelsorgerisch betreuten Gefangenen ist signifikant niedriger als bei Nichtbetreuten. Es macht also auch unter finanziellen und sicherheitspolitischen Aspekten Sinn, wenn der Staat die Gefangenenseelsorge ausbauen würde.
07.03.18
15:07
Andreas sagt:
@Ute Fabel Wenn Seelsorger in Gefängnissen beschäftigt werden, stellt das noch keinen Eingriff in die Trennung von Staat und Religion dar. Die Trennung von Staat und Religion kann nur bedeuten, dass der Staat den Religionen nicht reinredet und umgekehrt die Religionen dem Staat nicht reinreden. Ein Angebot für religiöse Häftlinge, einen Seelsorger aufsuchen zu können ist weder ein Eingriff des Staates in die Religion noch umgekehrt ein Eingriff der Religion in den Staat. Leider werden Religionsgegner das nie verstehen (wollen!).
07.03.18
15:25
Ute Fabel sagt:
@ Andreas: Wenn der Staat religiöse Seelsorger ausgewählter Religionsgemeinschaften in Gefängnissen bezahlt, stellt das sehr wohl eine unzulässige Verquickung zwischen staatlichem Strafvollzug und Religionen und damit einen massiven Eingriff in die Trennung von Staat und Religion dar. Es ist auch diskriminierend gegenüber den unzähligen anderen religiösen und nichtreligiösen Gesinnungsgemeinschaften, denen diese Möglichkeit nicht geboten wird.Ich wette, dass bald die Zeugen Jehovas und die Scientologen kommen werden, und auch einen staatlich finanzierten Gefängnisbesuchsdienst für ihre Religionsfunktionäre einfordern werden. Ich bin dafür, dass zur Wahrung der verfassungsrechtlich garantierten politischen Freiheitsrechte Vertreter von politischen Organisationen Gefängnisse aufsuchen können, um Inhaftierte auf deren Wunsch zu besuchen und mit ihnen zu kommunizieren. Allerdings hat sich der Staat religiös neutral zu verhalten. Die Kosten von Gefängnisbesuchen sollten religiöse und weltanschauliche Organisationen selbst tragen und nicht dem Staat umhängen. Vertreter nicht religiöser Weltanschauungen dürfen gegenüber Religionen aufgrund des geltenden Gleichbehandlungsrechts nicht benachteiligt werden.
08.03.18
11:45