Islamische Religionsgemeinschaften kritisieren das Kopftuchurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und warnen davor, dass muslimische Frauen weiter ausgegrenzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Bayerische Rechtsreferendarinnen dürfen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Vorschrift am Mittwoch in München und hob damit eine gegenteilige Entscheidung des Augsburger Verwaltungsgerichts vom 30. Juni 2016 auf. Dieses hatte einer angehenden muslimischen Juristin aus Augsburg zunächst recht gegeben, die in der entsprechenden Dienstanweisung eine Diskriminierung ohne Rechtsgrundlage sah. Daraufhin ging der Freistaat in Berufung.
„Die Klage einer kopftuchtragenden Rechtsreferendarin wurde gestern vom bayerischen VGH als unzulässig abgewiesen.
Bedauerlicherweise hat das Gericht nicht klargestellt, dass der Vorwurf, sichtlich wahrnehmbare religiöse Bekenntnisse ließen Schlussfolgerungen hinsichtlich einer defizitären Neutralität im Gerichtssaal zu, rechtlich nicht tragbar ist“, erklärte Murat Gümüş, Generalsekretär des Islamrates, gegenüber IslamiQ.
Eine Gelegenheit klar zustellen, wie die Neutralität im Gerichtssaal auszulegen sei, wenn sie den Vorgaben und den gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragen möchten, wurde leider verpasst, so Gümüş weiter.
„Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist ein weiterer Rückschlag für junge Musliminnen in Deutschland. Sie werden weiter ausgegrenzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Das muss aufhören“, erklärt Meryem Saral, Vorsitzende der Frauen-Jugendorganisation der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).
Wie so oft in Kopftuchfragen haben sich die Richter im Ergebnis für den Zwang und gegen die Freiheit entschieden, auch wenn die Richter in dem vorliegenden Fall nicht über die Rechtswidrigkeit des Kopftuchverbotes entschieden haben. „Im Ergebnis haben die Richter die Chance verpasst, die diskriminierende Praxis in Bayern zu beenden, so wie es die Richter in der Vorinstanz festgestellt haben“, so Saral.
Viel weitreichender als die praktischen Folgen für die unmittelbar Betroffenen sei in diesen Fällen das fatale Signal, das in die Öffentlichkeit gesendet wird: „Musliminnen mit Kopftuch gehören nicht zu Deutschland. Diese Botschaft hat enorme Wirkkraft auf die Gesamtgesellschaft – weit über das Justizwesen hinaus“, betont Saral.
Das Kopftuch werde „unter Vorwand der Neutralitätsachtung erst zum Politikum und zur Voreingenommenheit gemacht, das Selbstbestimmungsrecht der muslimischen Frau mit Füssen getreten, die Einschränkung ihrer Berufswahl einfach so hingenommen und zudem unsere im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit eingeschränkt“, erklärt die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) Nurhan Soykan in Köln.
Es sei zu befürchten, dass nun in zähen langjährigen Prozessen eines Tages dieses Urteil aufgehoben werde, aber wieder zu Lasten der vielen muslimischen Frauen. Deshalb appelliere der ZMD insbesondere auch in Richtung NRW, wo das Kabinett ein Gesetzesvorhaben ähnlicher Art plane, dort nicht erneut auf den Rücken der muslimischen Frau unsägliche Kopftuchverbote zu fabrizieren. „Wir brauchen in Deutschland der Vielfalt im Jahre 2018 weder Kopftuchverbotszwänge noch einen Zwang das Kopftuch zu tragen. Wir sind ein freies Land und das sollte auch so bleiben“ sagte Soykan abschließend.