Kritik an ihrem Vorsitzenden André Poggenburg und seinem Stil kam in Sachsen-Anhalts AfD wiederholt auf. Doch er konnte sich an der Spitze von Partei und Landtagsfraktion halten. Bis er sich mit einer Aschermittwochsrede „verkalkuliert“.
Drei Wochen nach seiner Hetzrede hat Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg jetzt doch Fehler eingeräumt – und seinen Rücktritt angekündigt. „Ich habe mich da tatsächlich verkalkuliert“, sagte der 42-Jährige am Donnerstag am Rande einer Landtagssitzung in Magdeburg. Er habe die Folgen und Reaktionen auf die Rede nicht richtig abgeschätzt und den „enormen medialen Druck“ nicht kommen sehen. „Das muss ich auf meine Kappe nehmen.“ Deswegen gebe er zum Monatsende seine Chefposten in Fraktion und Partei freiwillig und verbindlich auf, kündigte er an. Die Bundesspitze der AfD begrüßte die Entscheidung
Poggenburg ist seit fast vier Jahren Parteivorsitzender – und auch das prominenteste Gesicht der Landes-AfD in Sachsen-Anhalt. Sein Rückzug berge auch Unsicherheit, gab Poggenburg zu. Er könne stabilisierend wirken. „Aber es kann auch genau umgekehrt ein Vakuum entstehen, das neue Befindlichkeiten weckt und für neue Unruhe sorgt.“ Wer seine Posten übernehmen könnte, ist noch völlig offen.
Poggenburg selbst brachte seinen 51 Jahre alten Fraktions-Vize Oliver Kirchner als Nachfolger ins Gespräch. Den völlig zerstrittenen Landesverband übernimmt zunächst kommissarisch Vize-Chef Ronny Kumpf, wie Poggenburg ankündigte. Ein regulärer Nachfolger soll erst im Sommer gekürt werden, wenn auch reguläre Vorstandswahlen anstehen.
Poggenburg hatte zuletzt mit seiner Rede beim politischen Aschermittwoch in Sachsen bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Dort verunglimpfte er die in Deutschland lebenden Türken pauschal als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“, die in Deutschland „nichts zu suchen und nichts zu melden“ hätten. Das brachte ihm bundesweite Empörung und auch parteiinterne Kritik ein.
Der AfD-Bundesvorstand mahnte ihn einstimmig ab. Die Landtagsfraktion entzog ihm das Vertrauen. Die Kreisverbände in Sachsen-Anhalt meldeten vermehrt Austritte und den Rückzug von Mitgliedsanträgen.
„Ich persönlich kann diesem Druck problemlos begegnen, möchte diesen aber von den Mitgliedern, Fraktionskollegen und Parteifreunden abwenden“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung Poggenburgs zu seinem Rückzug weiter. Er war Ende 2013 in die AfD eingetreten, wurde ein Jahr später Landesvorsitzender und führt die Fraktion seit dem Einzug der AfD in den Magdeburger Landtag im Frühjahr 2016. Aus dem Stand hatte die Partei fast jede vierte Stimme erhalten und wurde zweitstärkste Kraft im Landtag.
Der Vize-Bundesvorstandsvorsitzende Kay Gottschalk sprach jetzt von einer „guten und weisen Entscheidung“. Diese zeige, „dass die AfD erwachsen geworden ist“. Bundesvorstandsmitglied Andreas Kalbitz sagte: „Ich finde es verantwortungsvoll von Herrn Poggenburg, dass er seine Konsequenzen daraus zieht zum Wohle der Partei.“ Der brandenburgische Landeschef Kalbitz gehört zusammen mit Poggenburg und dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke zum rechtsnationalen Parteiflügel. Höcke war für eine Reaktion am Donnerstag nicht zu erreichen.
Gottschalk sagte: „Es war nicht nur diese eine Rede.“ Poggenburg habe zuvor bereits andere Fehler gemacht. Er sei froh, dass der Landesverband das Problem alleine gelöst habe.
In der Landtagsfraktion war es unter anderem auch als problematisch angesehen worden, dass Poggenburg seine Lebensgefährtin als Auszubildende in die Fraktion holte. „Das sind genau solche Filzgeschichten, die wir als AfD fundamental ablehnen“, sagte ein AfD-Mitglied.
Im Zuge der Streitigkeiten verließen bereits drei Abgeordnete die AfD-Landtagsfraktion. Beim Landesparteitag trat Ende Januar das Landesschiedsgericht der Partei geschlossen zurück, um gegen das Gebaren des Landesvorstands um Poggenburg zu protestieren.
Er sehe den Schritt in die zweite Reihe nicht als Abschied, sondern eher als temporäre Angelegenheit, sagte Poggenburg. Zunächst wolle er sich auf seine Arbeit als Kreischef in seinem Heimatkreis im Süden Sachsen-Anhalts konzentrieren – und auf seine Arbeit als Vorsitzender einer neuen Enquete-Kommission gegen Linksextremismus im Landtag. (dpa, iQ)