Die Debatte um die Islam-Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geht weiter. Während Politiker Seehofers Aussagen kritisieren, hält seine Partei zu ihm.
In der ersten Regierungserklärung ihrer vierten Amtszeit hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag eine Stunde lang erklärt, was sie mit der großen Koalition vorhat – und Stellung zu heftig umstrittenen Themen bezogen. In Erinnerung bleiben dürfte der Satz: „Deutschland, das sind wir alle“. Merkel bekräftigte in ihrer Regierungserklärung die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland.
„Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist“, aber mit rund 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland sei der Islam „inzwischen ein Teil von Deutschland geworden“.
Deutliche Kritik übte Justizministerin Katarina Barley (SPD) an der von der CSU geführten Debatte. „Dieses Auseinanderdividieren von hier lebenden Muslimen und ‚dem Islam‘ hilft wirklich nicht weiter“, so Barley in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag). „Entscheidend ist unser Wertekanon, und der ist ganz klar das Grundgesetz. Wer sich in diesem Wertekanon bewegt, hat jedes Recht, in Deutschland zugehörig zu sein und auch akzeptiert und respektiert zu werden.“ Es sei völlig egal, welcher Religion diese Person angehöre.
Die Justizministerin sagte, sie vermisse zudem eine Differenzierung in der Diskussion über eine abnehmende Bedeutung der Religion in Deutschland. „In Berlin-Mitte mag es so sein, dass ihre Bedeutung schwindet. Da, wo ich lebe, an der Mosel, ist das nicht so. Da wird jedes Feuerwehrfahrzeug eingesegnet, jedes Schuljahr beginnt mit einem Gottesdienst. Das gehört immer noch selbstverständlich zum Leben“, so die Trierer Politikerin.
Heftige Kritik an Seehofer äußerte der TV-Moderator Michel Friedman. Der Innenminister verletze seine Pflichten als Religions- und Verfassungsminister, wenn er darüber urteile, ob eine Religion zu seinem Land gehöre, schrieb Friedman in einem Gastkommentar für die Deutsche Welle. „Den Islam an sich zu stigmatisieren, ist nicht Aufgabe eines Bundesinnenministers, der als Religionsminister gleichzeitig verantwortlich dafür ist, dass der Respekt gegenüber allen Religionen von ihm repräsentiert wird.“ Sich als Politiker anzumaßen, einer Weltreligion ihre Existenz als Bestandteil der religiös-gesellschaftlichen Realität in Deutschland abzusprechen, zeuge von einem sehr zweifelhaften Verständnis von Religionsfreiheit.
Unterdessen schrieb das Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband einen offenen Brief an Seehofer. Sein Islam-Satz sei gerade vor dem Hintergrund von Anschlägen auf 26 Moscheen in den vergangenen zwei Monaten „taktlos und außerordentlich schwierig“, so der Zusammenschluss von 200 Organisationen.
Der Innenminister stehe dem für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration zuständigen Ressort vor, daraus erwachse eine besondere Verantwortung, einigende Worte zu finden. In den letzten Jahrhunderten hätten viele Kulturen zur Vielfältigkeit Deutschlands beigetragen. „Wir würden uns freuen, wenn auch Sie diese Vielfalt unserer Gesellschaft als Stärke begreifen und für sie werben würden“, heißt es in dem Aufruf.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat der Einschätzung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) widersprochen, dass der Islam Teil Deutschlands ist. Dobrindt sagte am Mittwoch im Bundestag in der Aussprache zu Merkels Regierungserklärung: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Er bekräftigte damit die Position seines Parteivorsitzenden, Innenminister Horst Seehofer, der vor einigen Tagen die Debatte darüber wieder losgetreten hatte.
Dobrindt sagte nun, die überwiegende Mehrheit wolle, dass Deutschland ein christlich geprägtes Land mit seinem Wertesystem bleibe. „Und wir sind die Stimme dieser Menschen.“ (KNA, dpa, iQ)