Themen rund um den Islam haben Hochkonjunktur. Mit Islam lässt sich Politik und Geld machen. Wie der einfache Muslim Medien nutzen kann, um gegen Islamhass vorzugehen, erklärt Journalist Daniel Bax im IslamiQ-Interview.
IslamiQ: Mit dem Thema Islam lässt sich Politik und Geld machen. Das haben sog. Islamkritiker, aber auch politische Parteien verstanden. Ist das nur ein vergänglicher Trend oder steckt mehr dahinter?
Bax: Diesen Trend gibt es schon eine ganze Weile. Wer ein islamkritisches oder islamfeindliches Buch schreibt, kann mit guten Verkaufszahlen rechnen. Dass sich das Buch von Thilo Sarrazin über 1,5 Millionen mal verkauft hat, das ist allerdings schon ein Armutszeugnis für ein Land, das sich als ein Land der Dichter und Denker versteht. Das widerspricht ja dem Selbstbild vieler Menschen in Deutschland, die glauben, dass wir in einer rundum aufgeklärten Gesellschaft leben.
Sarrazin ist mit einer vermeintlich autoritativen Haltung aufgetreten, als Politiker und Fachmann, der sich angeblich mit Zahlen auskennt. Das hat viele Menschen beeindruckt, die ihre Vorurteile von einer vermeintlichen Autorität bestätigt sehen wollten. Aber das hilft uns nicht weiter, und das wissen und merken auch viele Menschen. Sarrazin hat großen Erfolg gehabt. Aber er ist nicht repräsentativ für die deutsche Politik oder die deutsche Gesellschaft. Es steht nur für einen Teil der Gesellschaft, die sehr verunsichert ist und der mit Aggressionen reagiert. Ich vertraue aber immer noch darauf, dass, dass sich am Ende die Aufklärung und das vernünftige Argument durchsetzen werden.
IslamiQ: In Ihrem Buch „Angst ums Abendland“ behaupten Sie, dass man sich nicht vor den Muslimen fürchten muss, sondern vor den Islamfeinden. Wie würden Sie diese Position einem „Wutbürger“ erklären?
Bax: Das ist sicher nicht so einfach. Aber ich würde versuchen, ihm eine andere Perspektive näher zu bringen. So, wie über Muslime gesprochen wird, wird zum Beispiel auch über manche Teile Ostdeutschlands gesprochen. Auch da sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten. In der Tat ist nicht jeder besorgte Bürger gleich ein überzeugter Rechtsradikaler. Und Pegida ist auch nicht Dresden. Pegida ist nur eine sehr kleine Gruppe, die es geschickt geschafft hat, sich medial größer zu machen, als sie in Wirklichkeit ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass bundesweit sehr viel mehr Leute gegen Pegida auf die Straße gegangen sind als für Pegida.
Auch die AfD ist nicht repräsentativ für Deutschland. Auch wenn sie behauptet, sie wäre „das Volk“, ist sie nur eine kleine Partei. Aber auch sie macht sich größer, als sie tatsächlich ist, und versteht es sehr gut, sich medial in Szene zu setzen. Genauso wenig sind die Extremisten, die sich auf den Islam berufen und vielen Menschen große Angst machen, repräsentativ für „die Muslime“. Das muss man klar machen.
Das Problem ist die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“, also die Menschen, die sich selbst nicht als rechts einstufen, aber trotzdem Vorbehalte gegen Muslime oder Flüchtlinge haben und deswegen schnell in Panik verfallen angesichts der ständigen Angstpropaganda von rechts. Diesen Leuten müssen wir ihre Ängste nehmen
IslamiQ: Die Szene der Islamfeinde und Rassisten ist sehr gut vernetzt, vor allem auch im Internet und auf den sozialen Medien. Was kann hier der einfache Mediennutzer tun?
Bax: Rechte Blogs habe es tatsächlich geschafft, in den letzten Jahren die öffentlichen Debatten zu beeinflussen. Ihr Erfolg basiert darauf, dass sie einfach lauter sind und mehr Emotionen schüren als andere. Dagegen kommt man nur bedingt an. Was man aber dagegen setzen muss sind Sachlichkeit und Nüchternheit. Und wir müssen mehr Gegenangebote schaffen, gerade im Netz, damit die rechten Scharfmacher dort nicht unwidersprochen bleiben.
IslamiQ: Es gibt sicherlich auch hausgemachte Ursachen für das schlechte Image der Muslime in den Medien. Was haben Muslime selbst zu verschulden an der Feindschaft gegenüber ihrer Religion?
Bax: Man sollte die Möglichkeit wahrnehmen, die man hat, um selbst ein anderes Bild von sich zu zeichnen. Sie haben das bei IslamiQ ja mit der Hashtagaktion #meinmoscheereport gemacht. Damit haben Sie auf das Buch eines Journalisten reagiert, der ein paar Moscheen besucht hat und daraufhin ein ziemlich schräges Bild der hiesigen Moscheelandschaft gezeichnet hat.
Grundsätzlich würde ich aber empfehlen, nicht nur auf solche Anlässe von außen zu reagieren sondern zu versuchen, eigene Themen zu setzen. Konflikte sollten dabei auch nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es schadet nicht, wenn es Diskussionen gibt, und man dabei die Vielfalt der muslimischen Stimmen auch vernimmt. Denn es gibt ja nicht „die“ Muslime in Deutschland, sondern sehr verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Meinungen. Manchmal fehlt es an der Bereitschaft zur Debatte und zur respektvollen Auseinandersetzung.
Auf Kritik sollte man souverän und seriös reagieren. Das ist letztlich die einzige überzeugend Art und Weise, auf die zuweilen schrille Berichterstattung in manchen Medien zu reagieren.
Und schließlich braucht es auch mehr Kooperation – unter Muslimen, aber auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. Denn alleine ist es immer schwierig, sich zu behaupten. Aber so, wie es Islamfeindlichkeit in allen sozialen Milieus gibt – ob links, rechts, konservativ, progressiv –, gibt es auch überall potentielle Verbündete. Darum ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit mit ganz verschiedenen Akteuren zu suchen.
IslamiQ: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Medienlandschaft in Deutschland ein? Werden Magazine mit muslimischem Profil, wie z. B. IslamiQ, mehr werden und an Bedeutung gewinnen?
Bax: Ich hoffe, dass Menschen muslimischer Herkunft in den etablierten Medien in Zukunft stärker als bisher zu Wort kommen werden, ob in der Berichtserstattung oder als Journalisten und Akteure. Ich warte auf die erste Moderatorin mit Kopftuch trägt. Das wird früher oder später passieren. Schon jetzt machen manche Firmen mit Kopftuch tragenden Frauen Werbung, weil sie bewusst Muslime als Zielgruppe ansprechen wollen.
Unabhängig davon bietet das Netz heute viele Möglichkeiten, als Medienschaffender selbst aktiv zu werden und sein eigenes Medium zu gründen. Das erlaubt es, selbst die Stimme zu erheben, eigene Angebote zu schaffen und eigene Geschichten zu erzählen. Ein Medium wie IslamiQ und viele andere tun das ja schon. Ich denke, dass die Nachfrage nach solchen Angeboten weiter zunehmen wird.
Das Interview basiert auf dem Gespräch zwischen dem Journalisten Daniel Bax und IslamiQ-Chefredakteur Ali Mete bei #IslamiQdiskutiert.