Inside Islamfeindlichkeit

Eine rassismuskritische Rezension zu Constantin Schreibers „Inside Islam“

Constantin Schreiber veröffentlichte letztes Jahr sein Buch „Inside Islam“ und seinen „Moscheereport“ auf ARD. Weitere Folgen sind demnächst geplant. Ozan Z. Keskinkılıç hat das Buch für IslamiQ rassismuskritisch rezensiert und ist auf typische Muster des antimuslimischen Rassismus gestoßen.

28
03
2018
Inside Islam - Constantin Schreiber © iQ
Inside Islam - Constantin Schreiber © iQ

„Es ist eine Schwelle, die die wenigsten Deutschen überschreiten: die in eine der zahlreichen Moscheen in unserem Land.“ Der erste Satz in Constantin Schreibers Buch mit dem bescheidenen Titel „Inside Islam“ steht geradezu exemplarisch für die Eigenart hiesiger Islamdebatten und fasst die Rhetorik der gesamten Reportage in wenigen Worten zusammen. Das Motto: „Wir“ werden von „den Muslimen“ in „unserem“ Land bedroht, überfremdet und hinters Licht geführt.

Wie ist Constantin Schreiber vorgegangen?

8 Monate lang reiste der Journalist und Tagesthemen-Reporter durch das Land und besuchte dreizehn Moscheen zum Freitagsgebet mit vielen Fragen im Reisegepäck: „Sind die Moscheen Räume eines persönlichen Glaubens oder politische Zonen? Was wird dort wirklich gepredigt, und wie sprechen die Imame über Deutschland? Wie radikal sind die Moscheen in Deutschland? Und: Welchen Beitrag leisten sie zur Integration?“ (S. 233)

Wie Alice im Wunderland wagt der Protagonist die Reise durch das vermeintlich Mysteriöse. Er betritt Welten, die nur Wenige zu Gesicht bekämen und bewegt sich somit zwischen Exotisierung und Dämonisierung. Moscheen entwirft er als „unbekannte Orte“ (S. 14), die scheinbar gar nicht deutsch sein könnten. Konsequent bemüht der Journalist einen starren Dualismus, der die Trennung zwischen „Norm“ und „Abweichung“, „gut“ und „böse“, zwischen „hier“ und „dort“, „deutsch“ und „muslimisch“ entlang von Kultur, Religion und Herkunft kartografisch an Körpern sortiert. Dabei legt er ein außergewöhnliches Talent an den Tag, Religion, Migrationsbiografien, ja sogar Staatsbürgerschaft, am Gesicht seines Gegenübers abzulesen: „Einige der Besucher sind Schwarzafrikaner. Sie wirken arm. Vielleicht sind sie Flüchtlinge.“ (S. 120) oder „Zum ersten Mal sehe ich Deutsche: drei blonde junge Männer“ (S. 121), berichtet der Journalist von einem Moscheebesuch.

Rassifizierung von Muslimen

Der Prozess, Menschen entlang von Aussehen und zugeschriebener Herkunft, Kultur und Religion in ein Fremdkollektiv zu subsumieren, von „uns“ zu trennen und ihre Ungleichheit zu rechtfertigen, wird in der Rassismusforschung als Rassifizierung bezeichnet. Die Konstruktion ist darauf angewiesen, zu dichotomisieren („wir“ und „die Anderen“) und zu homogenisieren („alle gleich“), um Identitätsgrenzen aufrechtzuerhalten und damit einhergehende Privilegien zu verteidigen.

Denn nicht ohne Grund zeigt sich Schreiber verwundert, als sich der Blick umkehrt: „Als ich eintrete, sprechen mich gleich mehrere der Männer auf Türkisch an, was mich sehr wundert, bin ich doch, wie ich denke, recht offensichtlich nicht türkischer Abstammung.“ (S. 117) Doch Schreiber lässt sich in seinem stereotypen Weltbild nicht irritieren. Er versucht die Kontrolle über das Rollenspiel zurückzuerlangen. „Spricht jemand von Ihnen Deutsch?“, kontert der Autor und markiert damit das Revier. Wer „hier“ bei „uns“ Fragen stellen darf, und wer „uns“ Antworten schuldig ist, das entscheide „ich“.

Schreiber als „Lehrer“ und „Erzieher“

Schreiber gefällt sich in der Rolle des Beobachters, des „gutmütigen“ Lehrers und Erziehers. Regelmäßig fragt er „die Fremden“, ob sie „unserer“ Sprache mächtig sind, weil sie so aussehen, wie sie aussehen. Ungeniert und paternalistisch bewertet er seine „Studienobjekte“: „Scheich Khodar kann einfache Sätze auf Deutsch bilden, macht aber viele Fehler und wechselt immer wieder ins Arabische.“ (S. 141) Systematisch unterwirft der Autor „die Anderen“ einem prüfenden Maßstab, bewertet und beurteilt nach „unseren“ Erwartungen. Muslim*innen sollen Auskunft über eine imaginierte Großgruppe geben. Sie erscheinen als passive, unmündige Masse, die gefährlichen, „religiösen Regeln“ blind Folge leiste und „unsere“ Ordnung in Frage stelle.

Die „bedrohliche Islamisierung“

Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zur Verschwörungstheorie der „Islamisierung“, den Vorwürfen der Integrationsunwilligkeit, der Illoyalität und Täuschung. Ob gewollt oder nicht weckt Schreiber das Misstrauen seiner Leserschaft. Vielleicht wollen Muslim*innen Weihnachten in Deutschland ja wirklich abschaffen (S. 197, 208ff.) und zielen womöglich darauf ab, die ganze Welt zu übernehmen (S. 25), oder?  

Insgesamt folgt „Inside Islam“ kulturalistischen Deutungsmustern und stigmatisiert. Muslim*innen stehen unter Generalverdacht, ihrer Kultur und Religion nach frauenfeindlich, antisemitisch, gewalttätig und antidemokratisch zu sein. 

Während Angehörige „unserer“ Mehrheitsgesellschaft quasi per Geburt das Privileg der Unschuldsvermutung und Zugehörigkeit genießen, steht „der Rest“ in der Schuld, ihr Existenzrecht „hier“, ihre Loyalität und Demokratiefähigkeit unter Beweis zu stellen.

Methodologische Fehlschlüsse

Nicht nur sprachlich, sondern auch methodologisch ist Schreibers Projekt kritisch zu bewerten. So wichtig die Frage nach dem Inhalt und der Ausrichtung von religiösen Predigten auch sein mag, so liegt das Problem in Schreibers unreflektiertem Abstraktions- und Projektionsdrang. Kurz gefasst, Freitagspredigten sagen etwas über Einstellungen des Predigers aus, der sie schreibt und vorträgt, nicht mehr und nicht weniger. Doch das Sprechen und Handeln der einen zum religiösen und kulturellen Prinzip aller zu erklären, ihr Sein zu essentialisieren und zu kulturalisieren, um damit Privilegien und Ausschlüsse zu rechtfertigen, ist ein wesentlicher Aspekt des antimuslimischen Rassismus.

 „Ich würde gerne ein positives Beispiel anführen, eine Predigt, die Weltoffenheit ausstrahlt, eine Brücke baut zum Leben in Deutschland. Leider haben meine Moscheebesuche ein solches Beispiel nicht ergeben“ (S. 245), schließt Schreiber die Reportage enttäuscht ab. Gegen diese verzerrte Bilanz protestierten muslimische Jugendliche unter dem Hashtag „#meinmoscheereport“. Sie widersprachen vorurteilsbehafteten Bildern und ergänzten die Erzählung um selbstbestimmte Stimmen. Sie bewiesen sich als Teil dieser Gesellschaft, der  den Diskurs über Islam und Muslim*innen aktiv mitgestaltet. Mit selbstbewussten Gegen-Narrativen werfen sie eine wichtige Frage in den Raum, die in „Inside Islam“ unbeantwortet bleibt: Wer integriert eigentlich Constantin Schreiber?

 

Constantin Schreiber: „Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“, Econ Verlag 2017, 253 Seiten. ISBN: 978-3-430-20218-3

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
In meinem Umfeld gibt es viele Leute mit türkischen, arabischen und persischen Migrationshintergrund, die einem Trend zu einer konservativen Reislamisierung völlig ablehnend eingestellt sind und Bücher wie jenes von Herrn Schreiber sehr erbauend finden. Ethnische Herkunft und religiöse Überzeugungen decken sich keineswegs, wie das Herr Keskinkılıç zu suggerieren versucht.
03.04.18
8:03
Andreas sagt:
Schreibers Buch beruht auf "Zufallsbesuchen" in Moscheen, bei denen er auf "Missstände" gestossen ist. Das zu benennen ist völlig on Ordnung. Leider bleibt die Duskussion aber nicht auf dem Niveau, nur über die konkreten Moscheen und deren Missstände zu reden, sondern diese "Entdeckungen" werden für allgemeingültig erklärt und es wird so getan, als seien die von Schreiber beuchten Moscheen repräsentativ für alle Moscheen. Und schon begibt man sich auf das Glatteis der islamfeindlichen Hetze, die nicht mehr einfach nur eine Meinungsäußerung ist.
04.04.18
14:44
Laho sagt:
Also bis jetzt habe ich noch keine Imame der Hass predigt gehört, ich war in Hamburger, Berliner und Saarbrückener Moscheen und auch keine Hetz Bücher oder Hetz Broschüre gesehen. Und so Eigenartig ist es das er in den Moscheen wo er war Hetz Broschüren gefunden hat und gleichzeitig ein Hassprediger als Imam dort war. ein Muslime geht am Freitag um Freitagspredigt anzuhören,aber bestimmt nicht um Hasspredigten zu hören. denn sein Gebet wird nicht angenommen, er kann es sich auch sparen. Und nicht nur das, es ist auch eine Sünde in ein Gotteshaus was anderes zu veranstalten, was nicht mit Gebet zutun hat, beten heißt mit dem Schöpfer in Verbindung stehen.
05.04.18
18:33
Maik sagt:
@Laho Nun ist es aber eine Tatsache, dass es immer wieder in islamischen Ländern nach dem Freitagsgebet Gewaltausbrüche derjenigen gibt, die gerade aus der Moschee kommen. Und das ist sicherlich kein Zufall. Man kann wohl eher davon ausgehen, dass es tatsächlich Hasspredigten in Moscheen gibt. Die Frage ist also nicht, ob es solche Hasspredigten gibt, sondern un welchem Umfang. Solange Moslems so tun, als gebe es das nicht, sind sie nicht glaubwürdig und brauchen sich über Islamfeindlichkeit nicht zu wundern. Ich würde mir wünschen, dass Moslems Fehlentwicklungen in den eigenen Reihen nicht ständg leugnen, sondern aktiv gegen sie angehen. Das schafft eher Vertrauen, als immer so zu tun, als käme aus dem Islam nur Gutes.
06.04.18
8:24
Johannes Disch sagt:
@Andreas (04.04.18, 14:44) So ist es: Rechtspopulistische Kreise instrumentalisieren Schreibers singuläre Erlebnisse und pauschalieren es auf "Den Islam" und "Die Moscheen" schlechthin. Dafür kann Schreiber aber nix. Er hat immer wieder betont, dass er ausschließlich seine eigenen Erfahrungen schildert und diese nicht für repräsentativ erklärt.
06.04.18
13:14
Laho sagt:
Maik, Ich werde es auch nicht bestreiten das es Moscheen gibt wo irgend einer Hass predigt, aber ein Guter Imam versucht nur gutes an die Zuhörer zu predigen. Mich wundert es nur, das einer los geht um über die Moscheen zu schreiben und sofort ist er fündig, ist ja klar wenn er gutes in seinen Buch schreibt wird es auch keiner kaufen. Ich habe ja geschrieben das nicht jeder der durch seine Eltern als Moslem auf die Welt kommt, gleich ein guter Muslim ist. Ein guter Moslem also richtig praktiziernder Moslem: lügt nicht, spricht nicht schlechtes über seine Mitmenchen, gute Nachbarschaft pflegen, immer aufpassen ( was er hört,seht und sagt. ).
06.04.18
18:49
grege sagt:
Die Islamverbände und Konsorten wie Daniel Bax sprechen reflexartig von Stigmatisierung. Mit diesem totschlagähnlichem Argument kann ich prompt unangenehmer Kritik aus dem Weg gehen, was das Leben so herrlich vereinfacht. Leider ist es nicht das erste Mal, dass in Moscheen Hasspredigten oder Predigten mit rassistischem Inhalt gegenüber anderen Religionen oder Kulturen verbreitetet werden. Sogar in Moscheen von den Verbänden, die sich als Ansprechpartner gegenüber den Behörden hervortun wollen. Anstatt über das böse nichtmuslimische Umfeld zu lamentieren, wären die Islamverbände sehr gut beraten, solche Missstände zu beseitigen. Mit statistischen Taschenspielertricks könnte auch behauptet werden, der Rechtspopulismus in den Neuen Bundesländern oder Missbrauchsverfälle in kichrlichen Einrichtungen hätten Einzelfallcharakterl
07.04.18
15:52
Johannes Disch sagt:
Es gibt einen Unterschied zwischen Stigmatisierung und berechtigter (unangenehmer) Kritik. So wäre es die Mindestvoraussetzung für eine vernünftige Diskussion, dass man eine Unterscheidung macht zwischen Islam, Islamismus und terroristischem Djihadismus. Innerhalb dieser Kategorien kann man dann noch einmal differenzieren zwischen orthodoxem Islam, dem Salafismus; der wiederum verschiedene Ausprägungen kennt, dem Neo-Djihadismus, etc. Aber das wäre dann schon "Islamkritik für Fortgeschrittene. Man muss die Messlatte nicht unbedingt so hoch hängen. Aber die grundsätzliche Differenzierung zwischen Islam, Islamismus und Djihadismus muss man einfordern. Ansonsten ist es nicht ernst zu nehmen. Aber viele sind eben noch nicht einmal dazu bereit, gerade eine gewisse Spezies von "Islamkritikern." Die tun nur eines: Den Islam und Muslime stigmatisieren. Und da ist die Warnung der Verbände vor Stigmatisierung und Verallgemeinerung absolut berechtigt. Meine absolute No. 1 unter den stigmatisierenden "Islamkritikern" ist Necla Kelek. Die verstieg sich vor laufender Kamera doch tatsächlich zu folgendem denkwürdigem Statement: "Der muslimische Mann muss sich entleeren. Und ist grade keine Frau zur Hand, dann tut es auch ein Tier. Das ist in dieser Kultur Konsens." (Necla Kelek). Diese "Dame" hält sich allen ernstes für eine Islamkritikerin... Noch Fragen?
09.04.18
19:04
SoWas sagt:
Ich habe das Buch auch gelesen. Unter dem Gesichtspunkt einer Reportage eines guten Journalisten. Die Rezension von Ozan Z. Keskinkılıç ist aber eindeutig. Inhaltlich geht er nicht auf das Buch ein. Formelhaft versucht er in seiner Rezension das Buch als "schlecht" zu schreiben. Übrigens ein klassisches Vorgehen bei allen Diskussionen: Umgehe den Hauptvorwurf - erzeuge über Kritik an den Rahmenbedingungen, dass das Gegenüber als unglaubhaft da steht - u.s.w. Diese Vorgehensweise von Ozan Z. Keskinkılıç entspricht insoweit dem üblichen Vorgehen und deshalb halte ich diese Rezension als schlecht @Johannes Disch: "Musste schmunzeln, als der Hinweis auf Necla Kelek kam.... ihr Schluss am Ende mit "Noch Fragen?" würde ich gerne mit einem Hinweis beantworten: Ja ---- Gökay Akbulut und ihr Verhältnis zu Gewalt s.a. http://www.mesop.de/mesop-news-deutscher-bundestag-mit-pkk/ wobei dies nichts mit der Rezension zu tun hat." Grüße
11.04.18
12:48
grege sagt:
Die Autoren dieses Threads sind symptomatisch für die Gleichsetzung von Islamkritik und -feindlichkeit. Auf Teufel komm raus wird versucht jemanden, der seine negativen Erlebnisse in den Freitagspredigten von Moscheen kundtut, in die rechtsradikale Ecke zu drängen. Hier zeigt sich einmal überdeutlich die Kritikresistenz von Islamverbänden. Herr Mazyek geht sogar dazu über in seinen Beiträgen die Islamkritiker verallgemeinernd in einem negativen Zusammenhang zu nennen. Hier zeigt sich, wie die führenden Vertreter der islamischen Religion mit Kritik umgehen. Auf den Website der führenden Islamverbände lässt sich wunderbar nachvollziehen, dass fast jede kritische Bemerkung als islamfeindlich aufgefasst wird.
14.04.18
0:09
1 2 3