Hass im Netz. Ein Problem für jedes Onlinemedium. Dementsprechend haben auch die IslamiQ-Redakteure die Hände voll zu tun mit Hasskommentaren. Esra Ayari hat einen offenen Brief an die Hater im Netz verfasst.
Liebe Hater, wie geht es euch? Mir geht es gut, obwohl ich die letzte halbe Stunde damit beschäftigt war, Kommentare freizuschalten und gefühlt 99 Prozent davon meine Religion „kritisiert“ haben.
Ich schüttle immer wieder den Kopf. Trotzdem schalte ich gefühlt 99 Prozent der Kommentare frei. Paradox, oder? Doch so steht es in unserer Netiquette: So lange keine explizit beleidigenden Begriffe verwendet werden, sind die Kommentare freizuschalten. Meinungsfreiheit bedeutet uns nämlich viel. Kaum zu glauben, oder?
Dass angesichts der „Kritik-Kultur“ am Islam und den Muslimen in Deutschland, die Toleranz zwangsläufig ausgeprägt ist, ist im Grunde eine traurige Feststellung. Muslime haben sich schlichtweg an Kritik gewöhnt.
Uns Muslimen wird oft nachgesagt, wir würden keine Kritik vertragen und keinen Spaß verstehen, aber der Schein trügt. Fast täglich sehen wir uns mit negativen Bildern über den Islam konfrontiert, sehen wie weiße Männer über unsere Religion plaudern als sei sie eine formbare Knetmasse in ihren Händen.
Dem gegenüber steht, dass der Aspekt der Religion für manche Muslime eben nicht nur ein flüchtiges Bekenntnis ist, sondern eine zentrale Entität im Leben. Ein Zufluchtsort, identitätsstiftend und unvergleichlich wertvoll. Bei dieser extremen Differenz zwischen der Selbst- und Außenwahrnehmung ist es doch eigentlich eine reife Leistung, dass wir nicht alle depressiv werden.
Die „Salonfähigkeit der Islamfeindlichkeit“ härtet uns ab. Denn je salonfähiger sie wird und je fester ihr in die Tasten haut und die jahrtausendealte islamische Arbeit mit Forderungen nach Änderungen zu Nichte machen wollt, desto salonfähiger wird sie auch für Muslime. Anfangs führten eure Worte zur Entrüstung, jetzt vielleicht zu einem Schulterzucken oder höchstens zu einem Schmunzeln.
Was ich euch sagen möchte ist: Vergeudet nicht weiter eure Zeit und Kraft, damit sich ein paar Muslime vor dem Licht ihrer Bildschirme in die Faust lachen können. Falls ihr euren Unmut aber weiterhin über die Kommentarfunktion kanalisieren möchtet, nur zu. Letztendlich ist das Freischalten der Kommentare ein Teil der redaktionellen Arbeit. Im Grunde finanziert ihr also meinen morgendlichen Kaffee. Danke dafür.
Außerdem greift die Meinungsfreiheit. Ihr könnt sagen und denken was ihr wollt. Ein Gut, das von uns allen hochgehalten und zu Recht gepriesen wird. Apropos, ein paar Seiten weiter steht auch etwas von der Religionsfreiheit. Ebenfalls fest im Grundgesetz verankert. Wir werden also weiterhin sichtbar sein, Kopftücher tragen, Moscheen besuchen und Gebete verrichten. Weil wir es wollen und dürfen, und nicht um euch damit zu ärgern. Aber ihr tut es ja sowieso.
Im Grunde ist es doch genau das, was euch Hater stört, oder? Unsere Sichtbarkeit in Schulen, Universitäten, Gerichtssälen, Praxen und auch im Netz. Dagegen anzuwettern gleicht bei manchen Hatern schon einer Pflicht. Islamfeindlichkeit wird für euch also immer salonfähiger, Muslime hingegen nicht. Und wisst ihr was? Es kümmert uns nicht, dass ihr uns die Zugehörigkeit zu Deutschland absprecht. Die Deutungshoheit über unsere Identität überlassen wir euch nicht. Die Kommentarspalte jedoch sehr gerne.
Also vielen Dank für’s Lesen und viel Spass beim Tippen.
Liebe Grüße
Esra Ayari