Der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Haci Halil Uslucan, sieht ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren mit gemischten Gefühlen. Den Vorschlag des NRW-Integrationsministers Joachim Stamp (FDP) könnten Muslime als Ausgrenzung verstehen.
Herr Uslucan, wie stehen Sie zu einem Kopftuchverbot für Kinder?
Uslucan: Ein staatlicher Eingriff mit einem Verbot führt meiner Ansicht nach nicht zu positiven Veränderungen. Besser wäre es, die Betroffenen von einer Anpassung zu überzeugen. Gerade in der Schule müsste man es schaffen, den Kindern die Vielfalt der deutschen Gesellschaft zu zeigen und so Integration zu bewirken.
Warum sehen Sie ein Verbot nicht als passendes Mittel zur Integration an?
Uslucan: Es könnte einer Radikalisierung Vorschub leisten. Islamistische Stimmen könnten unterstreichen: Seht ihr, die Botschaft ist „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ und wir sind im christlichen Klub nicht willkommen.
Wofür plädieren Sie?
Uslucan: Ein Verbot wäre wohl wesentlich effektiver, wenn nicht nur eine religiöse Gruppe reglementiert würde, sondern alle. Das ist aber mit der deutschen Verfassung nicht machbar. Den neuerlichen Vorstoß sehen sicher einige Muslimen wieder als Signal der Ausgrenzung, die nur auf sie abzielt. Betroffene Eltern können diese Beschränkung bestimmt nicht verstehen. Und die Kinder, die im Grundschulalter Kopftuch tragen, sind noch so jung und nicht reif genug, um zu verstehen, dass sie dem Islam nicht widersprechen, wenn sie kein Kopftuch tragen.
Ab wann ist ein Kopftuch für Frauen vorgeschrieben?
Uslucan: Nach islamischen Vorstellungen sollen Mädchen dann ein Kopftuch tragen, wenn sie die religiöse Mündigkeit erreicht haben. Dies ist im islamischen Recht der Beginn der Pubertät. Diese Reife haben sie heutzutage meist mit elf oder zwölf Jahren erlangt.
Warum kommt es dennoch vor, dass junge Mädchen sich verhüllen?
Uslucan: Eltern wollen ihre Kinder in einem religiösen Raum hinein sozialisieren. So werden die Regeln zur Gewohnheit, und mit dem Erreichen des Reifealters hinterfragen die betroffenen Mädchen das Kopftuch nicht mehr. Ich rege jedoch in dem Zusammenhang auch eine Selbstreflexion aller Religionen in Deutschland an: Bis zur religiösen Mündigkeit werden die Kinder von den Eltern erzogen und mit 14 Jahren sollen sie sich dann plötzlich selber die Frage stellen: Woran will ich glauben? Kritisches Denken und religiöse Erziehung sollten sich nicht ausschließen. Aber die aufgeklärte Vorstellung ist wirklichkeitsfremd, dass dann ein 14-jähriges Kind seine bisherigen erworbenen Überzeugungen völlig revidiert. (KNA, iQ)