Interview

„Menschen leben, glauben und denken anders“

Moscheen werden angegriffen und Politiker reagieren mit Ausgrenzungen. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit Thomas M. Schimmel, Koordinator der Berliner „Langen Nacht der Religionen“, über die fehlende Resonanz der Politik nach antimuslimischen Übergriffen.

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04
2018
Thomas Schimmel © Privat, bearbeitet by iQ.
Thomas Schimmel © Privat, bearbeitet by iQ.

IslamiQ: Was ist die „franziskanische Initiative 1219. Religions- und Kulturdialog e.V.“ und für was setzt sie sich ein?

Thomas Schimmel: 1219 e.V. ist eine kleine Organisation, die den Religionsdialog im Sinne des heiligen Franziskus von Assisi betreibt. Der Name geht zurück auf eine Begegnung zwischen Franziskus und Sultan Al-Kamil Muhammad al-Malik im Jahr 1219. Franziskus war damals während des 5. Kreuzzuges nach Damiette in Ägypten gereist um im Gespräch zu versuchen, den Krieg friedlich zu beenden. Das ist ihm zwar nicht gelungen, aber nach seinem mehrtägigen Aufenthalt war er sehr beeindruckt von der muslimischen Frömmigkeit. Dies hat sich in seiner Spiritualität niedergeschlagen. So hat er mit dem „Lobpreis Gottes“ eine Art Fortsetzung des Gebetes der „99 schönsten Namen Gottes“ geschrieben.

IslamiQ: Sie sind auch Koordinator der „Langen Nacht der Religionen“. Im September dieses Jahres findet die 7. Nacht statt. Was ist besonders an diesem Format? 

Schimmel: Das Besondere ist, dass in ganz Berlin etwa 100 Synagogen, Kirchen, Moscheen, Tempel, Gemeinde- und Meditationshäuser ihre Türen öffnen und interessierte Menschen einladen, sich über Glauben und Glaubenspraxis der jeweiligen Religionen zu informieren.

IslamiQ: Wer nimmt an der „Langen Nacht der Religionen“ teil und was wird angeboten?

Schimmel: Alle Religionen sind dabei: Von den abrahamitischen Religionen mit ihren vielfältigen Konfessionen bis hin zu paganen Gruppen – also europäischen Volksreligionen mit Traditionen aus vorchristlicher Zeit. Buddhisten, Hindus, Sikhs – aber auch interreligiöse Initiativen laden ein. Es gibt Vorträge, Konzerte, Ausstellungen, Gesprächskreise, Hausführungen und vieles andere mehr und man hat die Gelegenheit, mit gläubigen Menschen über alle Fragen des Glaubens zu sprechen. Wer es geschickt anstellt, könnte z.B. an diesem Abend erst einen Sikh-Gottesdienst besuchen, dann in einer Moschee nachfragen, warum sich Muslime beim Gebet niederwerfen und schließlich in einem Hindu-Tempel erfahren, was es mit den vielen Gottheiten auf sich hat.

IslamiQ: Sie sind Mitinitiator des Bündnisses „Ohne Unterschiede!“ , das sich für einen fairen Umgang gegenüber MuslimInnen und dem Islam einsetzt. Was war ihre Motivation hierbei?

Schimmel: Wir sehen mit großer Sorge, dass über den Islam und Muslime in der Presse immer wieder unfair und subjektiv berichtet wird und dass Verantwortungsträger in Politik und Veraltung sich abfällig über den Islam äußern und so Menschen ausgrenzen. Als Bürgerinnen und Bürger eines pluralen demokratischen Staates können wir nicht tatenlos zusehen, wenn eine Minderheit unter Generalverdacht gestellt und stigmatisiert wird.

IslamiQ: Seit Jahresbeginn gab es über 30 Angriffe auf Moscheen. Gleichzeitig äußerte sich Seehofer, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Angesichts dessen: Was sind Ihre Beobachtungen zum aktuellen Umgang mit Muslimen und dem Islam?

Schimmel: Wie gesagt: Ausgrenzung und Stigmatisierung. Dass Seehofer eine längst beendete Debatte wieder aufgreift und alle munter in den Chor miteinstimmen ist erschreckend. Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin und der Bundestagspräsident da sofort deutliche Worte gegen gefunden haben. Wir müssen aufhören, den Islam und damit die Muslime zum Feindbild zu machen. In der Pluralen Gesellschaft, ist der Zusammenhalt extrem wichtig. Ich muss akzeptieren, dass Menschen anders leben, anders glauben und anders denken. Das erwarte ich von den Minderheiten und das erwarte ich von der Mehrheit. Unser Wohlstand fußt vor allem auf dem Frieden – und den in unserer Gesellschaft zu bewahren, ist existenziell. Wir können und wir wollen die Globalisierung nicht rückgängig machen. Also müssen wir lernen, mit der Vielfalt zu leben und die Dinge differenziert zu betrachten.

IslamiQ: Sie beklagen die geringe Resonanz der Politik und der nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften an. Was vermissen sie?

Schimmel: Die differenzierte Betrachtung. Nehmen wir das jüngste Beispiel: Es ist schlimm, wenn Menschen jüdischen Glaubens von Menschen muslimischen Glaubens bedroht und diskriminiert werden. Das muss die Gesellschaft schnell regieren. Ich habe aber im Moment das Gefühl, dass die Muslime hier wieder zu Sündenböcken gemacht werden: Antisemitismus gibt es auch bei christlichen und atheistischen Schülerinnen und Schülern. Es gibt Islamfeindlichkeit und Homophobie an den Schulen. Ich fordere daher alle auf, jede Art der Diskriminierung in der Schule zur Anzeige zu bringen, damit das Ausmaß dieses Problems deutlich wird und wir grundsätzlich gegen das Problem der Intoleranz und Gewalt gegen Minderheit vorgehen können – und nicht nur gegen einen Aspekt. Wir brauchen keine Antisemitismusbeauftragten sondern Antidiskriminierungsbeauftrage. An den Schulen sollten das ein Gremium aus Schülern, Eltern und Lehrern sein, damit umfassen diskutiert werden kann. Studien belegen ja, dass auch Lehrende Vorbehalte gegen Muslime haben und ich bin sicher, dass es an jeder Schule Mädchen gibt, die wegen ihres Kopftuches schon Beschimpfungen, Bedrohung und Benachteiligungen erlebt haben.

IslamiQ: In einem Statement bemerken Sie, dass sowohl Antisemitismus als auch Islamfeindlichkeit abzulehnen ist und wir dagegen ankämpfen müssen. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen den feindlichen Haltungen?

Schimmel: Ich sehe keine Unterschiede. Jede Diskriminierung und Pauschalverdächtigung von Minderheiten ist abzulehnen und in der Pluralen Gesellschaft brandgefährlich. Sie führt letztendlich zu Ausgrenzung und Gewalt – egal ob ein Bundesminister ein Interview gibt, ein Fernsehsender bei Meldungen zum Islam in Deutschland grundsätzlich dunkel vollverschleierte Frauen zeigt oder ein gläubiger Junge ein andersgläubiges Mädchen beschimpft. Wenn wir weiterhin in Frieden leben wollen, gibt es nur ein Ziel: Den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und Pluralität zu akzeptieren.

IslamiQ: Was kann und sollte dagegen unternommen werden?

Es gibt natürlich kein Patentrezept. Aber vielleicht wären schon drei Schritte hilfreich:

  1. Wir müssen ein Sensorium für die Diskriminierung von Minderheiten entwickeln. Der christliche Pfarrer Martin Niemöller hat mal passend gesagt: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte“. Als Bürgerinnen und Bürger – egal welcher Religion und Weltanschauung – haben wir die Pflicht, unsere Stimme gegen jede Art von Diskriminierung, Pauschalverurteilung und Vorurteile zu erheben.
  2. Brauchen wir Aufklärung. Zum Beispiel über religionskundlichen Unterricht. Wir als 1219 e.V. sind zurzeit in den katholischen Gemeinden unterwegs, um über den Islam aufzuklären und es wäre gut, wenn in muslimischen Einrichtungen auch über das Christentum und das Judentum gesprochen würde.
  3. Sollten wir darauf hinwirken, dass differenziert berichtet wird. D.h. dass z. B. möglichst viele Menschen sachliche und konstruktive Leserbriefe, Posts und Beiträge schreiben, wenn mal wieder unsachlich über den Islam oder eine andere religiöse Minderheit berichtet oder gesprochen wird. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht in Aggressivität verfallen und es denen gleichtun, die Mauern und Grenzen errichten wollen.

 

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

 

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Sehr passend, das berühmte Zitat von Martin Niemöller.
15.04.18
18:28
Prinzessin Rosa sagt:
Super Arbeit! Seiterhin viel Erfolg!
16.04.18
0:52
Prinzessin Rosa sagt:
Super Arbeit! Weiterhin viel Erfolg!
16.04.18
0:52
Kritika sagt:
L.S. Thomas Schimmel schreibt: « 3. Sollten wir darauf hinwirken, dass differenziert berichtet wird. D.h. dass z. B. möglichst viele Menschen sachliche und konstruktive Leserbriefe, Posts und Beiträge schreiben, wenn mal wieder unsachlich über den Islam oder eine andere religiöse Minderheit berichtet oder gesprochen wird. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht in Aggressivität verfallen und es denen gleichtun, die Mauern und Grenzen errichten wollen. » In der Nähe von Freiburg lauerte ein junger volljähriger Muslim die Radfahrerin Maria L. auf. Er zieht Maria L. vom Fahrrad und vergewaltigt sein Opfer. Dann legt er die Bewustlose mit dem Gesicht nach unten in einenen untiefen Gewässer. Während Marria L. langsam erstickt, hockt ihr Mörder bei ihr und spielt über eine halbe Stunde lang mit seinem Smart Fone ( das die Kontakte später vor Gericht wieder gibt) - - Bis Maria L. gestorben ist und ihm nicht mehr gefährlich werden kann. L.S. Kritika würde gerne wissen, wie Menschen hierüber (nach den Wünschen von Islamiq ) sachliche und konstruktive Leserbriefe, Posts und Beiträge schreiben (konstruktief im Sinne des Islam und alles möglichst Islamfreundlich, natürlich. ) Könnten Sie bitte einen solch Islam-konstruktiven Kommentar schreiben, Herr Thomas Schimmel? Das Forum zur Verteidigung des Islam hat sich in den vielen Monaten zwischen TatZeitpunkt und GerichtsSpruch taub gestellt, während über jedes FarbEi an irgendeiner MoscheeMauer ausführlich berichtet wurde und wird. Dieses ständige Messen mit verschiedem Mass, macht den Islam so sympatisch. Könnten die Muslims, um ihre Abscheu über solche nicht-verhinderte-Verbrechen nicht einen "Freitag der gechlossenen Moskee einrichten? Das würde Allah bestimmt registrieren und Er würde auf dieses Verbrechen seines Untertans zumindest aufmerksam und könnnte sich schämen, nicht eingegriffen zu haben, (obwohl Er doch angeblich allwissend und allmächtich ist) und sich so der unterlassenen Hilfeleistung Schuldig gemacht zu haben. Übrigens - - Können Sie sich vorstellen, liebe Leserin, lieber Leser , wie glücklich die Eltern von Maria L. wären, wenn es nie einen Islam und nie einen Allah gegeben hätte? Gruss, Kritika
16.04.18
23:51
Prinzessin Rosa sagt:
Hiermit beantrage ich User „Kritika“ mittels Ip-Adresse komplett aus dem Forum auszuschließen. Nicht aufgrund der Islamkritik, sondern aufgrund ständiger absichtlich vollkommen unsachlicher Kommentare (s.o.) die den Populismus schüren und sicherlich auch nur als solche zu verstehen sind. Es hat nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun wenn sich diePost lesen wie von einem Bot/Troll verfasst und wirklich die 5% Grenze an Brauchbarem Nie überschreiten. Das Forum verkommt so zu einer Ewig-wiederlegen-wir-dieselben-Idioten-Plattform, anstatt zu einer konstruktiven Diskussion über eure echt tollen Artikel. Das ist schade und verhindert (weil total entnervt) das sich differenziert Denkende Menschen keine Lust und Freude haben sich an so einem Kindergarten zu beteiligen.
18.04.18
8:32
Johannes Disch sagt:
@Prinzessin Rosa (Ihr Post vom 18.04.18, 8:32) -- "Das Forum verkommt so zu einer Ewig-widerlegen-wir-dieselben-Idioten-Plattform." (Prinzessin Rosa) Das ist doch immer ganz meine Rede. Es ist hier in gewisser Weise ein Hamsterrad. Aber Gott sei Dank gibt es noch einige Leute, mit denen der Austausch Spaß und Sinn macht.
18.04.18
13:19
grege sagt:
Und schon wieder wird zweierlei Maß angelegt. Angebliche Stigmatisierungen kann ich nicht durch einen neuen Generalverdacht beseitigen.
18.04.18
21:28
Ute Fabel sagt:
Seit dem Mittelalter hat der christliche Klerus den (Leicht-)Gläubigen den Unsinn weiszumachen versucht, dass bei Franz von Assisi die Wundmale Christi von seiner Kreuzigung am Körper eines lebenden Menschen Jahrhunderte später aufgetreten ist. Christliche Kirchen in aller Welt sind noch immer voll von Darstellungen dieses abergläubischen Nonsens, was ich höchst verstandesfeindlich und zutiefst abstoßend empfinde. Es erscheint daher auch nicht verwunderlich, wenn Herr Schimmel als Vertreter eines franziskanischen Vereins, das Hinterfragen von religiösen Absurditäten pauschal als "Diskriminierung" abzukanzeln versucht. Seine Devise scheint zu sein: Ich hinterfrage deinen Unsinn nicht, an den du glaubst. Du hinterfragst meinen Unsinn nicht, an den ich glaube. Die eine Hand wäscht die andere. Damit tritt die Menschheitsentwicklung auf der Stelle und wir können alle froh sein, dass es Denker wie Galileo Galilei, Johannes Kepler und Giordano Bruno gegeben hat, die andere Lebensideale hatten, bereit waren weiterzudenken und Ballast abzuwerfen.
19.04.18
14:21
Harousch sagt:
Kritiker kann wahrscheinlich nichts dafür, weil er anscheinend in anderen Foren nicht ernst genommen wird und nur hier bei den bösen Migis Anerkennung findet. Zudem kann er nur hier seine Paraphilie und Hebephilie, als Resultat jahrelanger Erfahrungen in der römisch-katholischen Kirche, ausleben.
19.04.18
21:53
Andreas B sagt:
@Prinzessin Rosa: Ich bin auch der Meinung, dass "Kritika" ein unglaublicher Hetzer ist. Deswegen habe ich mir auch abgewöhnt, seine oder ihre Kommentare zu kommentieren, da das in der Tat sinnlos ist. Mein Vorschlag wäre, Hasskommentare zwar nicht zu ignorieren, aber lediglich in einem Satz zu kommentieren, dass da islamfeindlicher Unsinn geschriben wird, ohne es weiter auszuführen. Und sich dann der Diskussion über den tatsächlichen Inhalt eines Artikels zu widmen. Es steht Ihnen doch frei, auf den Kommentar eines Hassers groß und breit zu reagieren oder tatsächlich den Inhalt des betreffenden Artikels zu kommentieren und damit eine echte Diskussion zum Thema zu starten.
20.04.18
11:31
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