Nun ist die Liste vollständig: Am Dienstag wählte auch die SPD ihren Religionssprecher. Damit haben alle Bundestagsfraktionen ihre Sprecher benannt. Alle sind neu im Amt.
Fast sieben Monate nach der Bundestagswahl haben nun alle Fraktionen im Bundestag ihre Sprecher für Religionsfragen. Als letzte ernannte die SPD am Dienstag den 44-jährigen Lars Castellucci. Er ist evangelisch – wie die Religionssprecher von Union, FDP, Grünen und AfD.
Der gebürtige Heidelberger tritt die Nachfolge von Kerstin Griese an, die als Staatssekretärin ins Bundesarbeitsministerium wechselte. Wie Griese ist auch Castellucci aktiver Protestant und seit zwei Jahren Mitglied in der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er schrieb seine Dissertation zum Thema soziale Ausgrenzung in Deutschland. Zugleich engagiert er sich sozial und gründete zusammen mit anderen in Wiesloch die Tafel für Bedürftige.
Für die Union übernimmt der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) das Amt des „Beauftragten für Kirchen und Religionsgemeinschaften“ von Franz-Josef Jung, der nicht mehr im Bundestag sitzt. Gröhe kommt vom Niederrhein, ist studierter Rechtsanwalt, verheiratet, hat vier Kinder und engagiert sich seit vielen Jahren in der evangelischen Kirche. So ist der 57-Jährige Mitglied der EKD-Synode und war von 1997 bis 2009 Mitglied des Rates der EKD. Von 2000 bis 2009 war er zudem Mitherausgeber des evangelischen Monatsmagazins „Chrismon“.
Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz schrieb seine Promotion darüber, wie sich das evangelische Kirchenrecht zu „Lebensführungspflichten“ verhält. Zudem war er in der letzten Legislaturperiode Mitglied der religionspolitischen Kommission seiner Partei, die in ihrem Abschlussbericht auf Reformen beim Staat-Religionen-Verhältnis pochte.
Ob es der verheiratete Vater zweier Kinder schafft, als Religionssprecher so omnipräsent zu sein wie sein Vorgänger Volker Beck, der dem Bundestag nicht mehr angehört, ist fraglich: Von Notz ist zugleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender und sitzt in einem Untersuchungsausschuss.
Der habilitierte Jurist und Experte für Religionsverfassungsrecht Stefan Ruppert übernimmt bereits zum zweiten Mal für die FDP den Posten des religionspolitischen Sprechers. Der in Oberursel im Taunus verwurzelte engagierte Protestant muss die Aufgabe mit seinen Rollen als Parlamentarischer Geschäftsführer und Ausschuss-Obmann unter einen Hut bringen.
Aus seiner Sicht ist die positive Religionsfreiheit das am stärksten bedrohte Grundrecht des 21. Jahrhunderts. Er sieht Reformbedarf unter anderem beim kirchlichen Arbeitsrecht. Eine Gefährdung des Christentums geht aus Sicht von Ruppert weniger vom Islam aus als vielmehr von leeren Kirchenbänken.
Bei der Linkspartei bleibt Christine Buchholz religionspolitische Sprecherin. Sie hat evangelische Religionswissenschaften, Erziehungs- und Sozialwissenschaften studiert, ist aber konfessionslos. Ihr Amt als verteidigungspolitische Sprecherin hat die 46-Jährige inzwischen aufgegeben.
Unter Buchholz wollen die Linken in dieser Legislaturperiode eine Parteiposition zu Religionsfragen erarbeiten. Klar ist dabei, dass sie unter anderem die Staatsleistungen ablösen wollen. Buchholz plädiert auch für einen Ethikunterricht als Regel. Bei den Themen Armut oder Engagement für Flüchtlinge sieht sie eine große Nähe ihrer Partei zu den Kirchen.
Am schnellsten mit der Besetzung des Postens war die AfD-Fraktion. Sie benannte Volker Münz zu ihrem offiziellen Experten für Religions- und Kirchenthemen. Der 53 Jahre alte Ökonom, gebürtiger Niedersachse und früheres CDU-Mitglied, ist seit 2014 Mitglied der evangelischen Bezirkssynode im württembergischen Göppingen. In seiner Partei gehört er zudem zur Gruppe „Christen in der AfD“. Von einer „christlichen Partei im engeren Sinne“ will Münz bei der AfD aber nicht sprechen und verweist auf die Trennung von Kirche und Staat.
Das Verhältnis zwischen der AfD und den Kirchen ist angespannt – unter anderem wegen der Position der Partei zum Thema Flüchtlinge. Zuletzt löste zudem die Einladung von Münz auf ein Podium beim Katholikentag im Mai in Münster eine innerkirchliche Kontroverse aus.