Heimat. Ein Begriff, der zu einem Politikum gemacht wurde. Dem steht gegenüber, dass jeder ein starkes Bedürfnis danach zu haben scheint. So auch die Muslime, deren Zugehörigkeit zu Deutschland immer wieder abgesprochen wird. Wo oder was ist Heimat?
Teil von etwas zu sein ist ein menschliches Bedürfnis. Zu einer Familie, Gemeinschaft, Gesellschaft oder Nation dazuzugehören, also eine „Heimat“ zu haben und mit ihr verbunden zu sein, scheint etwas Urmenschliches zu sein.
In der heutigen schnelllebigen, globalisierten Welt scheint es aber kaum möglich zu sein, ein Leben lang nur eine Heimat zu haben. Mobilität, Flexibilität und globale Kommunikation sind Normalität geworden. Der heutige Mensch möchte sich individuell verwirklichen. Sein Leben ist ihm viel zu wertvoll, um es in nur einem wohlbehüteten Ort zu verbringen. Er kann und möchte in mehreren Gesellschaften leben und sich zu allen zugehörig fühlen. Er sieht sich eher als „Weltbürger“. Heimat sollte also im Plural gedacht werden. Das Bedürfnis danach ist da, es kann aber mehr sein als nur eine.
Gleichzeitig hat der Begriff mehrere Ebenen: Ein Mensch kann in einer Stadt leben, die er seine Heimatstadt nennt (z. B. Köln), aber gleichzeitig eine andere Stadt (z. B. Siegen) im selben Land oder in einem anderen Land (z. B. Kelkit/Türkei) als Heimat haben. Zudem kann er, wenn er Muslim ist, auch eine religiöse Komponente hinzufügen und sagen, dass seine wahre Heimat Mekka oder sogar das Jenseits ist.
Im Koran jedenfalls findet sich kein Argument für eine bestimmte territorial festgelegte Heimat. Darum geht es dem Koran nicht. In den Koranversen werden eher Begriffe verwendet wie „Umma“, „Dâr“ und „Milla“. Das sind allesamt übergeordnete Bezeichnungen, die auf das Wesentliche hindeuten: die religiöse Gemeinschaft.
Vor allem die Prophetengeschichten im Koran zeichnen einen recht pragmatischen Umgang mit diesem Thema. Die koranischen Propheten waren Menschen, die oft in nicht sesshaften Gesellschaften lebten. Das Reisen ist ein immer wiederkehrendes Merkmal im Leben dieser Propheten, sei es nun die Lebensform als Nomade, die Auswanderung oder auch einfach die Handelsreise.
Die Propheten hatten allein schon aufgrund des fehlenden Nationenbegriffs ein nicht ideologisches, unpolitisches Verständnis von Heimat. Beispiele hierfür sind die Propheten Ibrâhîm, Nûh, Yûnus, Yûsuf, Sâlih, Schauyb, Lût und Mûsâ (Friede sei mit ihnen). Ihnen ging es mehr um den Tawhîd-Gedanken, also die Botschaft des Monotheismus. Dieses Konzept ist genauso wie die religiöse Gemeinschaft nicht auf eine bestimmten Ort fixiert, sondern überregional und überzeitlich.
Auch der Prophet Muhammad (s) hat sich nicht auf einen Ort fixiert. Der Prophet kam in Mekka auf die Welt und verbrachte dort mehr als 50 Jahre seines Lebens. Nach der Auswanderung nach Medina und der Einnahme Mekkas zog er es aber vor, in Medina weiterzuleben, wo er nach seinem Ableben auch beerdigt wurde.
Das müssen auch die Prophetengefährten und die darauffolgenden Generationen im Hinterkopf gehabt haben. Denn sie haben noch zu Lebzeiten des Propheten damit begonnen, den Islam in die angrenzenden Regionen und später auch an entferntere Orte zu tragen. Davon zeugen noch heute die Gräber unzähliger muslimischer Händler, Gelehrter und Sufis, die sehr oft fernab von ihrer „ursprünglichen Heimat“ in ihrer „neuen Heimat“ verstorben sind.
Ähnlich nüchtern sieht es das islamische Recht. Hier wird zwischen drei Arten unterschieden:
Auffällig ist die sehr pragmatische Herangehensweise und die Freiheit des Einzelnen, seine Heimat selbst auszuwählen. Wichtig ist, dass er in dieser seine Religion leben und seine religiöse Identität bewahren kann.