Verwaltungsgericht

Stadt darf Beamtin Kopftuch nicht verbieten

Das Verwaltungsgericht Kassel entschied, dass eine muslimische Beamtin ein Kopftuch im Dienst tragen dürfe. Die Beamtin klagte gegen die Stadt Kassel.

04
05
2018
Beamtin darf mit Kopftuch arbeiten
Symbolbild: Kopftuch © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Die Stadt Kassel darf nach einem Gerichtsurteil einer Beamtin das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen während der Dienstzeit nicht verbieten. Wie das Verwaltungsgericht Kassel am Donnerstag mitteilte, bekam sie durch ein Urteil vom 28. Februar Recht. Damit wurde ein Bescheid der Stadt aufgehoben, mit der die Kommune das Begehren der Beamtin abgelehnt hatte. Sie trage das islamische Kopftuch bereits seit sechs Jahren als Ausdruck ihrer Glaubenszugehörigkeit, erklärte das Gericht.

Da das Urteil eine Einzelfallentscheidung sei (AZ: 1 K 2514/17.KS), habe es aber keine weitergehende Wirkung, betonte der stellvertretende Gerichtssprecher, Uwe Steinberg.

Die Frau hatte Ende November 2015 eine Genehmigung bei ihrem Arbeitgeber zu erwirken versucht. Sie ist als Sachbearbeiterin im Jugendamt tätig. Die Stadt lehnte ab und berief sich dabei auf die Neutralitätspflicht für Beamte. Die Muslima klagte dagegen.

Im Urteil sei die erste Kammer zu dem Schluss gekommen, dass es für die Beamtin sehr wichtig sei, die Bekleidungsvorschrift aus dem Islam einzuhalten, erklärte Gerichtssprecher Matthias Spillner. Dem gegenüber habe das Interesse auf ein Kopftuch-Verzicht zurückzutreten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde das Rechtsmittel der Berufung zugelassen, wie Steinberg sagte.

Die Stadt Kassel kündigte an, das Urteil vor der nächst höheren Instanz des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs anfechten zu wollen. „Denn Deutschland ist staatspolitisch bezüglich Weltanschauung und Religion neutral. Diese neutrale Haltung muss nach Auffassung der Stadt auch die Verwaltung verkörpern, insbesondere dann, wenn Kontakt mit Bürgern beziehungsweise Klienten besteht“, erklärte die Stadt. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. Wer ist denn überhaupt auf die dumme Idee gekommen, eine Kopftuchfrau einzustellen? Wer kein Ärger will, sollte das lieber sein lassen. Werben für eine Firma (zB mit der Bürgerking-PappKrone auf dem Kopf ) kann der Arbeitgeber sicher ebenso verbieten als Werben für eine Sekte mit Hilfe des verwünschten Kopftuch. In der Moskee kann die Frau tragen was sie will; somit ist ihre religiöse Freiheit gewährleistet. Bei der Arbeit kann der Arbeitgeber bestimmen, wie das in der privaten Wirtschaft bereits seit langem geregelt ist Aber vielleicht will die bockige Frau einfach nur mal ein paar Tausender als Vergleich abkassieren? Kritika wünscht der Stadt Kassel in der Berufung viel Erfolg, die Neutralität ihrer Bediensteten auch nach aussen klar betonen zu können. Kritika meint: Wer keinen Ärger will, lässt besser die Finger von Mohammeddaner. Gruss, Kritika
04.05.18
18:39
Johannes Disch sagt:
Die Stadt Kassel erliegt einem weit verbreiteten Irrtum hinsichtlich der "staatlichen Neutralität." Staatliche Neutralität bedeutet, der Staat darf keine Religion haben. Er darf keine Religion bevorzugen oder benachteiligen. Es bedeute nicht, dass der einzelne Beamte / die Beamtin keine Religion haben dürfen. Das dürfen sie sehr wohl. Niemand verliert seine Grundrechte, nur weil er in einer Amtsstube arbeitet. Das Kopftuch ist ausschließlich Ausdruck des individuellen Glaubens der Trägerin und nicht des Staates Bundesrepublik Deutschland. Es kommt einzig und allein darauf an, dass die Beamtin ihren Job richtig macht. Auch Lehrerinnen sind in aller Regel Beamtinnen. Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen hat das Bundesverfassungsgericht 2015 für verfassungswidrig erklärt. Die Klägerin hat gute Chancen, dass das aktuelle Urteil Bestand haben wird.
04.05.18
20:57
Sven Anatoli sagt:
Aus deutschen Behörden und Amtsstuben soll das christliche Kreuzsymbol verschwinden? Stattdessen sollen islamische Kopftücher fröhlich Einzug halten? Wer hat denn so eine grotesk-bizarre Politposse beauftragt und inszeniert?
04.05.18
22:57
Ute Fabel sagt:
In Österreich engagieren sich vor allem rechte Poliker der FPÖ immer mehr in Vereinen zur Pflege der Goldhaubentracht. In Österreich und Deutschland ist die Vereinsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert. Einschlägig dafür ist in Deutschland Artikel 9 Grundgesetz. Ich wäre gespannt, wie es einer Frau vor Gericht erginge, die zum Ausdruck ihrer Vereinszugehörigkeit plötzlich auch bei der Berufsausübung mit Goldhaube erscheint. Meine Position ist klar: Privat kann jeder Vereinstrachten, politische Uniformen und religiöse Kleidungsstücke ganz nach persönlichen Belieben tragen. In der beruflichen Rolle, insbesondere im Staatsdienst, soll jeder angehalten seine diesbezüglichen Befindlichkeiten zurückzuschrauben.
05.05.18
7:34
Manuel sagt:
„Denn Deutschland ist staatspolitisch bezüglich Weltanschauung und Religion neutral. Diese neutrale Haltung muss nach Auffassung der Stadt auch die Verwaltung verkörpern, insbesondere dann, wenn Kontakt mit Bürgern beziehungsweise Klienten besteht“ Vollkommen richtig, wir sind hier in keinem islamischen Land, Punkt!
05.05.18
12:17
Bernd sagt:
Das Tragen des Kopftuches ist leider in der heutigen Zeit und in Deutschland kein Zeichen von Religiosität, sondern von politischem Islam. Es geht darum, den Islam in allen Bereichen der staatlichen Einrichtungen so sichtbar wie möglich zu machen. Dagegen müssen alle liberalen Demokraten vorgehen. Wenn es immer, wie oft behauptet, freiwillig getragen wird, kann man es doch auch für die Neutralität im gemeinsamen Arbeitsleben abnehmen. Ansonsten verkommt es zu einem Symbol der Segregation gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. Ich bin anders wie Du.
06.05.18
12:19
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: „Niemand verliert seine Grundrechte, nur weil er in einer Amtsstube arbeitet.“ In Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz ist verankert, dass niemand aufgrund seiner politischen oder religiösen Anschauungen bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Wenn man gegen ein pauschales Kopftuchverbot bei Beamten und Lehrern eintritt, wird damit ein pauschales Verbot von PEGIDA-Shirts gemäß Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz verfassungswidrig. Ein Beamter, der im Dienst ein PEGIDA-Shirt trägt, setzt damit nicht nur ein ganz individuelles Zeichen der eigenen politischen Überzeugung, sondern beschädigt die Glaubwürdigkeit der politischen Neutralität der Behörden der Bundesrepublik Deutschland. Ebenso verstößt eine Kopftuchträgerin im öffentlichen Dienst klar gegen die gebotene religiöse Neutralität des Staates.
06.05.18
13:53
Johannes Disch sagt:
@Sven Anatoli (04.05.18, 22:57) Was hier passiert ist keine Posse, sondern juristisch plausibel und deckt sich mit unserer Rechtsordnung. Söders Vorhaben und der Fall der Kasseler Beamtin sind nicht vergleichbar. Ich erkläre, weshalb: Söder will das Kreuz in deutsche Amtsstuben hängen. Damit würde sich der Staat zu einer Religion bekennen, was er nicht darf, da der Staat keine Religion hat. Söders Vorhaben verstößt gegen die Neutralitätsgebot des Staates. Das Kopftuch der muslimischen Beamtin ist jedoch ausschließlich ein individueller Ausdruck ihres Glaubens. Das ist ebenso in Ordnung, wie eine Beamtin, die sichtbar ein Kreuz an der Kette tragen würde.
06.05.18
17:10
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Gegen das Kreuz in Bayerns Amtstuben wird hoffentlich bald erfolgreich geklagt. Aber auch eine Kippa, ein Kopftuch, ein „Gottlos Glücklich“-Anstecker, ein PEGIDA-Shirt oder ein kommunistisches Blauhemd bei Beamten untergräbt die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staats und widerspricht daher völlig dem Berufsethos von Staatsdienern.
07.05.18
16:20
Thomas Huber sagt:
Sind Richter jetzt alle doof? Haben sie unser Recht nicht verstanden? Oder ist es umgekehrt, haben die anderen keine Ahnung von unserem Grundgesetz, oder schlimmer noch, versuchen sie es mit Vorsatz zu missachten, nur weil es ihnen nicht in den Kram passt. Es gibt eben keine religiöse Neutralität des Staates, sondern der Staat hat sich gegenüber Religionen neutral zu verhalten, das ist ein feiner Unterschied.
09.05.18
8:09
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